Duisburg/Oberhausen. . Nach dem Großeinsatz im Centro wegen eines Terrorverdachts entscheidet sich am Samstag, ob Haftbefehle gegen die Verdächtigen erlassen werden.

  • Zwei aus dem Kosovo stammende Brüder wollten möglicherweise das Einkaufszentrum angreifen
  • Hinweis kam aus Sicherheitskreisen. Spezialkräfte der Polizei nehmen die beiden in der Nacht fest
  • Centro-Besucher zeigen sich wenig beeindruckt. Viele empfinden aber ein „mulmiges Gefühl“

Dass etwas nicht stimmt, ganz und gar nicht stimmt, das merken die Besucher des Centro zuerst. Am Donnerstagabend strotzt das Einkaufszentrum vor lauter Weihnachten, es swingt und blinkt, glitzert und gleißt – und plötzlich ist überall Polizei.

Polizisten gehen durch die Passagen, immer wieder, andere stellen sich in Fünfergruppen in den Gängen auf, sie tragen Schutzwesten und Maschinenpistolen. Anspannung oder Hektik zeigen sie nicht, wie auch die meisten Besucher. „Es war alles ganz normal“, sagt einer, der dabei war. Bis zum Ladenschluss, bis 22 Uhr, bleibt es bei der streng bewachten Normalität.

Sie wohnen im Duisburger Norden

„Wir hatten nicht die Angst, dass hier unmittelbar etwas passiert“, sagt ein Polizeisprecher in Essen am Freitag. Und man darf getrost unterstellen: Es ging auch darum, die Panik von -zigtausenden Menschen zu vermeiden.

Wenn man sie aufgefordert hätte, das Centro zu verlassen. Denn im Laufe der Nacht werden die Stichworte klar, warum die Polizei aufmarschiert war: weil es Hinweise gab, zwei im Kosovo geborene Brüder wollten im Centro möglicherweise einen Anschlag begehen.

Sie wohnen rund 15 Kilometer weiter westlich, im Duisburger Norden, einer in Bruckhausen. An der Franz-Lenze-Straße ist die Nacht einer jungen Frau schon wieder zu Ende, als sie gerade erst anfängt: gegen halb eins.

„Die ganzen Gebäude haben Angst!“

„Ganz viel Krawall, Krach, Gepolter, Kindergeschrei, Frauengeschrei“, so beschreibt sie das Getümmel im Vierstockhaus und auf der Straße: „Jede Menge Maschinenpistolen. Es ist kein schönes Gefühl, in Maschinenpistolen zu sehen.“

Auch in dem gelben Haus kam es zu einem Polizeieinsatz.
Auch in dem gelben Haus kam es zu einem Polizeieinsatz. © Volker Hartmann

Es sind die Minuten, als Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei die beiden Brüder festsetzen, einen in der Mitte von Marxloh, den anderen hier, in Sichtweite des riesigen Thyssen-Krupp-Stahlwerkes. Fünf baugleiche, mehrstöckige Mietshäuser aus den 70er-Jahren stehen beieinander, heruntergekommen sind sie, mehrere Wohnungen stehen leer.

Im dritten Stock klettert eine Nikolausfigur außen am Balkon hoch, im Erdgeschoss lebt der Verdächtigte mit seiner Familie. Jetzt sind die Fenster zugezogen, mit violetten Vorhängen. Auf dem Balkon im zweiten Stock steht ein Mann, er beobachtet die Straße, er raucht: „Die ganzen Gebäude haben Angst!“, ruft er: „Wir geben keine Interviews. Ich bin hier, um meine Familie zu schützen.“

Gewahrsam, bis die Gefahr beseitigt ist

Was genau geschehen ist, damit will das Polizeipräsidium Essen/Mülheim auch am Freitag nicht ans Licht – es hat als größere Behörde den Fall von Oberhausen an sich gezogen. Den ganzen Tag werden die beiden Kosovaren verhört, Kripobeamte und Staatsschützer versuchen zu ermitteln, ob was dran ist am Anfangsverdacht.

Es sei noch nicht geklärt, ob gegen die beiden Verdächtigen im Alter von 28 und 31 Jahren Haftbefehle erlassen werden, sagte ein Sprecher der Polizei in Essen am Samstag. Im Laufe des Nachmittags solle die Entscheidung fallen. Die Ermittler gehen ersten Angaben zufolge nicht davon aus, dass ein Anschlag unmittelbar geplant war.

Im Innern des Centro tummeln sich Kunden wie immer

Freitagmorgen weiß natürlich jeder Kunde am Centro, welcher Vorwurf im Raum steht. „Ich weiß, hier passiert heute nichts. Wenn es brisant wäre, wäre Polizei hier“, sagt eine 60-Jährige aus Oberhausen. Und die Zivilpolizisten erkennt man ja nicht.

Ein Eingangsbereich des Centro.
Ein Eingangsbereich des Centro. © Volker Hartmann

Augenscheinlich sind die Leute aber wenig beeindruckt, sind im Innern des Centro nicht weniger Kunden unterwegs als an Tagen ohne Terrorwarnung. Draußen auf dem Weihnachtsmarkt ist dagegen nur wenig los.

„Wir lassen unser Leben nicht verbiegen“

Viele Besucher beschreiben dabei ihr mulmiges Gefühl. „Das habe ich seit einem Jahr, seit Paris, man hat einfach nicht mehr so die Lust, hierher zu kommen“, sagt Barbara Bieniasch: „Wir gehen jetzt nur ganz schnell durch, weil wir ein bestelltes Geschenk abholen müssen.“ Und als ihr Mann einwirft: „Wir lassen unser Leben nicht verbiegen“, da antwortet sie: „Ich bin aber auch ängstlicher als du.“

Auch in Bruckhausen sind Polizeieinsatz und Anschlagsverdacht die Gesprächsthemen Nummer 1. „Zu wissen, dass mögliche Terroristen in der Nachbarschaft leben, ist wirklich sehr beunruhigend“, sagt eine ältere Dame.

Und die junge Nachbarin, die so früh und so brutal geweckt wurde („Krawall, Krach, Kindergeschrei“), die steht vor einem Rätsel: „Die Frau ist ne Nette“, sagt sie: „Die Kinder kennt man vom Spielen vom Hof. Ihn sah man beim Rein- und Rausgehen.“ (mit dpa)