Gladbeck. Die Staatsanwaltschaft hat die Büros der Gladbecker Wohnungsgesellschaft durchsucht. Sie ermittelt gegen Geschäftsführer und Aufsichtsrat u.a. anderem wegen fragwürdiger Spesenabrechnungen.

2000 Wohnungen verwaltet die GWG, die Gladbecker Wohnungsgesellschaft, die zu knapp 95 Prozent in städtischem Besitz ist. In seiner Bilanz für das Jahr 2008 behauptet Geschäftsführer Ralf-Joseph Schnittker auf der GWG-Seite im Internet: „Erstmals seit einigen Jahren werden wir schwarze Zahlen schreiben – allen öffentlichen Diskussionen zum Trotz.”

Was er dabei nicht sagte: Für die Anlässe der öffentlichen Diskussionen interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft Essen. Sie leitete im Frühsommer ein Ermittlungsverfahren ein und durchsuchte vor kurzem die Räume der GWG. Dabei wurden u. a. Unterlagen über Auftragserteilungen, Spesenabrechnungen und Werksverträge sicher gestellt. Ermittelt wird gegen den Geschäftsführer und Mitglieder (aktuelle wie auch ehemalige) des Aufsichtsrats, darunter mehrere Ratsherren von CDU und SPD. Die Vorwürfe lauten auf Untreue, Bestechlichkeit, Bestechung und Steuerhinterziehung.

Die Staatsanwaltschaft bezieht sich in ihren Ermittlungen eindeutig auf Prüfungen, die das städtische Rechnungsprüfungsamt im letzten Herbst im Auftrag des Bürgermeisters Ulrich Roland durchgeführt hatte. Auslöser dafür war eine erst 2008 bekannt gewordene Dienstreise des Geschäftsführers mit mehreren Mitgliedern des Aufsichtsrats nach München im Jahr 2007, zufällig zum Zeitpunkt des Oktoberfestes. Dabei ging es nur um 5311 Euro, die Sache hatte aber eindeutig ein Geschmäckle.

Dubiose Geschäfte

Auch deshalb, weil die finanzielle Situation der GWG durch Misswirtschaft in der Vergangenheit (die beiden letzten Geschäftsführer waren wegen dubioser Geschäfte fristlos entlassen worden) anders als vom Geschäftsführer behauptet, nicht gerade rosig ist. Erst im letzten Jahr musste die Stadt der Gesellschaft mit einer Finanzspritze von einer Million Euro helfen, damit notwendige Instandhaltungsarbeiten an den Wohnungen der Mieter erfolgen konnten. In Folge der schwierigen wirtschaftlichen Situation wurden zudem fünf Mitarbeiter gekündigt.

Die fragwürdige Münchenreise war jedoch nur ein Aspekt der Überprüfungen, die Rechnungsprüfer fanden noch mehr: So fielen häufige Auftragsvergaben an ein Essener Abbruchunternehmen auf, in dessen Tochterfirma der damalige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Zeller (CDU), Geschäftsführer ist. Ebenso staunten die Rechnungsprüfer über die vielen Arbeitsessen des Geschäftsführers mit dem Aufsichtsratsvorsitzendem Wolfgang Wedekind (SPD), die außerhalb von Gladbeck stattfanden, oft mit weiteren Personen am Tisch. Manchmal wurden diese geschäftlichen Treffen noch getoppt von gemeinsamen Besuchen von Bundesliga-Fußballspielen. Alles auf GWG-Kosten.

Satte Gehaltserhöhung

Bekannt wurde auch eine Änderung im Arbeitsvertrag verbunden mit einer satten Gehaltserhöhung für den Geschäftsführer, von der offensichtlich nur der Aufsichtsratsvorsitzende Wedekind etwas wusste, die Gesellschafter (Stadt und Evonik mit 5,73 %) keine Ahnung hatten. An der Notwendigkeit einer städtebaulichen Bildungsreise des Geschäftsführers nach Japan zweifelten die Prüfer ebenfalls.

Zweifel, offene Fragen, Geschmäckle – aber keine handfesten Nachweise zum Schaden der GWG, das war das Resultat der städtischen Prüfung. Es reichte für erbitterte politische Diskussionen quer durch die Parteien und Rücktritte des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Zeller, der sich allerdings von allen Vorwürfen reingewaschen sah, sowie zwei weiterer Mitglieder. Der Aufsichtsrats-Vorsitzende Wedekind blieb im Amt. Im Amt blieb bis zum heutigen Zeitpunkt ebenfalls der Geschäftsführer.

Hinreichende Verdachtsmomente

Was dem Rechnungsprüfungsamt nicht gelang, versucht nun die Staatsanwaltschaft zu beweisen. Sie sieht hinreichende Verdachtsmomente für ihre Ermittlungen. „Sonst”, betonte Oberstaatsanwältin Angelika Matthiesen nach Durchsuchung der GWG-Geschäftsräume auf WAZ-Anfrage, „wäre man nicht tätig geworden.” Es wird weiter ermittelt.

Alle Ratsherren, die durch die GWG-Affäre in die öffentliche Diskussion geraten waren, wurden bei der Kommunalwahl übrigens wieder gewählt und gehören dem neuen Rat der Stadt wieder an.