Dortmund. Nach dem Fund von internen Kontodaten auf der Straße tappen Dortmunder Lokalpolitiker weiter im Dunkeln. In einer Sondersitzung diskutierte der Stadtrat lautstark darüber. Wer ist der Schuldige? Wie konnten die internen Daten verloren gehen?

Dreckige Dokumentenfunde samt Kontodaten zahlreicher Lokalpolitiker haben am Donnerstag für eine hitzige Debatte im Dortmunder Stadtrat gesorgt. «Der Fisch stinkt vom Kopf», schimpfte CDU-Oppositionsführer Frank Hengstenberg bei der Sondersitzung. Ratsmitglieder bezeichneten das Rathaus als «Saustall». Genervt und ratlos entgegnete Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD): «Ich mache das nicht mehr mit.» Der scheidende Rathauschef muss nicht zum ersten Mal den Kopf hinhalten für eine peinliche Affäre - wenige Wochen vor der NRW-Kommunalwahl am 30. August.

Die Stadtspitze von Dortmund hat weiterhin keine Hinweise auf den Verantwortlichen für den Verlust von Kontodaten und vertraulichen Informationen. Sensible Daten «dürfen nicht auf der Straße liegen», räumte Langemeyer ein. Die Kommune habe aber keine Erklärung dafür, wie und warum die internen Unterlagen verloren gehen konnten. Man müsse von Diebstahl ausgehen. Die Stadt unterstütze die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Unterlagen lagen offen auf der Straße

Am 23. Juli hatte ein Bürger verschmutzte Unterlagen zu den Sitzungsgeldern von Ratspolitikern auf einer Straße gefunden. Die alarmierte Polizei fand daraufhin im Stadtgebiet Abrechnungen von 142 Ratsmitgliedern und sachkundigen Bürgern sowie weitere Dokumente. Die Unterlagen waren zuvor in einem Systemhaus gedruckt worden und sollten dann durch einen städtischen Fahrer in die kommunale Poststelle gebracht werden. Dort kamen die Dokumente aber nie an. Den Recherchen der Kommune zufolge wurden weder beim Druck noch beim Transport Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Alle zuständigen Stadtmitarbeiter werden derzeit von der Kripo vernommen. Bei der Ratssitzung warf die CDU-Opposition der Verwaltung einen «Datenschutzskandal» vor.

Pannen gab es auch vorher schon

Im Dortmunder Rathaus hatte es bereits in der Vergangenheit Pannen gegeben. So wurde die Kommune von einer Bargeld-Affäre erschüttert, bei der eine Ex-Stadtangestellte mindestens 820 000 Euro für Drogen abzweigte. Nach innerparteilicher Kritik hatte der seit 1999 amtierende OB Langemeyer im vergangenen Jahr auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Für die SPD tritt der städtische Baudezernent Ullrich Sierau bei der Kommunalwahl an.

Die 587 000-Einwohner-Stadt gilt immer noch als die SPD-Hochburg schlechthin. Während die Sozialdemokraten in anderen Kommunen des Ruhrgebiets wie Essen und Duisburg bereits die Macht an die CDU verloren haben, regieren die Genossen in der BVB- und Pils-Stadt trotz etlicher Skandale bisher unangefochten. SPD-Urgestein Herbert Wehner hatte Dortmund einst die «Herzkammer der Sozialdemokratie» genannt. Vom legendären Ruf zehrt die Dortmunder SPD bis heute.

Finder hatte sich zuerst an die CDU gewandt

Für Schuldzuweisungen und «Lügen»-Vorwürfe sorgte bei der Ratssitzung die Tatsache, dass sich der Finder zunächst nicht an die Stadtverwaltung, sondern an die CDU gewandt hatte. Der Bürger habe dafür sorgen wollen, dass der Fall «nicht unter die Decke gekehrt» werde, verteidigte CDU-Fraktionschef Hengstenberg den Finder.

OB Langemeyer spekulierte darüber, dass es neben einem Diebstahl auch einen anderen Grund für den Verlust geben könne. «Wer hat ein Interesse an einem solchen Vorgang», fragte das Stadtoberhaupt. Die CDU warf dem Oberbürgermeister vor, er habe in einem Radiointerview die Christdemokraten als Drahtzieher der Affäre ins Gespräch gebracht. Langemeyer wies dies zurück. Beleidigungen, Pöbeleien und Polemik beherrschten die Sitzung des Stadtparlaments.

Christdemokraten in Dortmund chronisch erfolglos

Die Christdemokraten sind chronisch erfolglos und zerstritten in Dortmund. Statt Hengstenberg kandidiert der parteilose Jurist Joachim Pohlmann für die Union. Bei der Kommunalwahl wollen die Konservativen einen neuen Anlauf nehmen, um das SPD-regierte Rathaus zu erobern. Auf Plakaten in der Innenstadt fordert die CDU die Bürger auf, den Filz und Affären abzuwählen. Die SPD entgegnete, die CDU habe ansonsten keine Themen und Konzepte. Ob die Datenaffäre die Dortmunder Wähler in Zeiten der Krise überhaupt interessiert, wird sich am Wahltag in knapp drei Wochen zeigen. (ddp)