NRW. Ist das Granulat auf Kunstrasen gefährlich? Nach einem Bericht in den Niederlanden sperren Fußballvereine ihre Plätze. In NRW reagiert man gelassen.

Bevor moderne Kunstrasenplätze bespielbar sind, werden 35 bis 40, manchmal bis zu 70 Tonnen Gummigranulat auf das Feld gestreut, um das Verletzungsrisiko für die Fußballer zu senken. Das Material soll beim Ausrutschen Verbrennungen durch die Kunststoffhalme verhindern, kann allerdings in hohem Maße krebserregende Stoffe enthalten, wie Recherchen des niederländischen Senders VARA ergeben haben sollen.

Dutzende Vereine im Nachbarland sagten deshalb Spiele ab und sperrten ihre Anlagen. Der niederländische Fußballverband KNVB gibt Entwarnung – und auch auf Kunstrasenplätzen in Deutschland müssen sich die meisten Spieler wohl keine Sorgen machen. Entscheidend ist, welches Material eingesetzt wird und woher es kommt.

Für das schwarze Gummigranulat werden Altreifen geschreddert

Die Diskussion um das Gummigranulat wird schon seit Jahren geführt. In der Kritik steht der Kautschuk Styrene Butadiene Rubber (SBR), aus dem die schwarzen Kügelchen auf den Plätzen bestehen. Für seine Herstellung werden beispielsweise alte Autoreifen geschreddert, die auch Weichmacheröle enthalten. In denen wiederum finden sich polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) – und die sind zum Teil krebserregend. Dass mit dem Granulat die krebserregenden Stoffe ihren Weg auf den Fußballplatz finden können, stellte die Sendung „Zembla“ in der vergangenen Woche heraus. Die Redakteure wollten ausdrücklich keine Panik verbreiten, rieten aber dazu, auf Plätzen mit Gummigranulat in langer Kleidung zu spielen und darauf zu achten, dass die Kügelchen nicht in Mund, Nase oder Ohren gelangen. Außerdem solle man nach dem Spiel gründlich duschen. Die Panik war dann nicht mehr weit.

Der KNVB reagierte und betonte, dass laut Untersuchungen einer Behörde des niederländischen Gesundheitsamtes keine Gefahren für die Gesundheit von Sportlern bestehen. Alle Anlagen könnten weiter genutzt werden. Wie beispielsweise für Schnuller und Spielzeug müssten auch bei der Produktion des Gummigranulats gesetzliche Grenzwerte eingehalten werden. Dennoch kündigte die niederländische Gesundheitsministerin Edith Schippers eine Untersuchung an, in deren Rahmen auch eine aktuelle Studie erstellt werden soll.

Westdeutscher Fußballverband sieht keine Gefahr

„Untersuchungen gab es auch schon in Norwegen und Schweden – mit dem Ergebnis, dass da keine Gefährdung ist“, sagt Klaus Trojan, technischer Berater beim Westdeutschen Fußballverband und Mitglied in der Kommission Sportstätten und Umwelt des Deutschen Fußballbunds. Dass die Diskussion über Gummigranulat in den Niederlanden nun wieder entflammt ist, überrascht ihn deshalb. „Ich halte das für übertrieben, seit über zehn Jahren wird darüber schon geredet.“

Zwar rate der Westdeutsche Fußballverband offiziell dazu, statt Material aus geschredderten Altreifen zu neuem Gummi zu greifen, „weil wir da wirklich auf der sicheren Seite sind, was die Schadstoffe angeht“. Weitere wichtige Gründe seien aber auch, dass sich die hellen Kügelchen nicht so stark erhitzen und eine gleichbleibende Qualität sichergestellt werden könnte. Wer am kommenden Wochenende einen Kunstrasenplatz mit SBR-Granulat betrete, müsse sich keine Sorgen um seine Gesundheit machen. „Ich persönlich würde auf solchen Plätzen spielen, da hätte ich keine Probleme“, betont Trojan.

Wie viele Anlagen dieser Art es überhaupt in der Region gibt, ist nicht bekannt. Essen, Düsseldorf, Oberhausen und Mülheim erklärten auf Anfrage dieser Redaktion, dass auf ihren Plätzen kein Granulat aus Altreifen eingesetzt werde, Bottrop nutzt nach eigenen Angaben Sand, um die Reibung auf dem Kunstrasen zu verringern. Andere Kommunen konnten die Frage nach dem eingesetzten Granulat kurzfristig nicht beantworten, auch der Westdeutsche Fußballverband hat keine Zahlen.

In Dortmund wird recyceltes Gummi verwendet

Mindestens eine Stadt lässt aber eine Mischung aus Neugummi und recyceltem Material auf die Spielfelder streuen: Dortmund. Hier komme allerdings deutlich weniger Granulat zum Einsatz als auf Plätzen in den Niederlanden, beschwichtigt Pressesprecher Maximilian Löchter. „Unsere Plätze haben elastische Unterböden." Auf harten Anlagen wie in den Niederlanden muss beinahe die doppelte Menge Granulat - rund 70 Tonnen - genutzt werden, um die Gelenke der Spieler zu schonen.

Seit 2009 spielt der FC Brünninghausen in Dortmund auf einem Kunstrasenplatz. Ebenso wenig wie der Verband und die Stadt macht sich Volker Brehm, 1. Vorsitzender des Vereins, deshalb Sorgen. „Wir haben uns vor dem Bau von der Stadt Dortmund beraten lassen“, erzählt er. Schließlich wählte man die Firma, die fast alle anderen Plätze in Dortmund errichtet habe. „Natürlich verlässt man sich dann auf die Empfehlung der Experten.“

Wenn Vereine und Kommunen zu SBR-Granulat greifen, dann vor allem aus Kostengründen. 250 bis 300 Euro kostet die Tonne, erklärt ein Unternehmer, der Anlagen auf Champions-League-Niveau baut, im Gespräch mit der Redaktion. EPDM-Granulat sei erheblich teurer, mehr als 1000 Euro pro Tonne. Das könne pro Platz einen Unterschied von rund 30 000 Euro machen.

Nutzung von Altreifen soll zum Umweltschutz beitragen

Ein anderer positiver Aspekt müsse in der Diskussion um SBR aber auch beachtet werden: Mit dem Recycling der Altreifen werde ein Beitrag zum Umweltschutz geleistet. „Bei uns ist alles zertifiziert“, sagt der Händler über die Situation in Deutschland und weiten Teilen Europas. Die großen Hersteller würden regelmäßig Untersuchungen durchführen. Dass die niederländischen Journalisten auf einem Fußballplatz Granulat fanden, das geschredderte alte Gummirohre enthielt, sei ein Einzelfall.

Letztlich sei das eine Frage der Überwachung und der Herstellerwahl: „Gummischrott zusammenschmeißen und schreddern, das geht nicht“, sei aber bei aus Fernost importierten Granulaten manchmal der Fall. "Man muss einfach kontrolliertes und zertifiziertes Granulat einsetzen."