Bottrop. . Als der Platz des VfB Kirchhellen saniert werden musste, entschied sich der Verein für eine Aufwertung. Doch woher sollten die 150.000 Euro kommen?
Hinten auf dem Platz machen sich die Spieler der Zweiten für ihre Begegnung in der Kreisliga C warm, die ersten Zuschauer sind auch schon da, und Antonius Brüning hat den Kühlschrank in der Verkaufsbude aufgefüllt. Georg Garz steht am Spielfeldrand, blickt über das Grün, das vor acht Monaten noch ein Rot war. Nun ist es Kunstrasen. Und eine neue Flutlichtanlage gibt es auch. Der 1. Vorsitzende des VfB Kirchhellen hebt den rechten Arm. „Ich kriege schon wieder Gänsehaut.“
Diese Summe war für den Verein „kein Pappenstiel“
Wahrscheinlich muss man die Vorgeschichte kennen, um Garz Ergriffenheit zu verstehen. Die geht – stark verkürzt – in etwa so. 2013 muss der Ascheplatz an der Loewenfeldstraße saniert werden. Die Vereinsspitze geht zur Stadt und fragt, ob man nicht gleich einen Kunstrasenplatz anlegen könne. „Ja“, sagen die Bottroper Sport- und Bäderbetriebe, aber nur, wenn der Verein die Differenz der Kosten zwischen einer Sanierung in Asche und dem Neubau mit Kunstrasen übernimmt. 150 000 Euro sind das. „Kein Pappenstiel“, findet Garz
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Bei einigen der rund 1000 Mitglieder des Vereins hält sich die Begeisterung dann auch in Grenzen, und selbst der Vorsitzende gibt zu: „Manchmal war mir schon ein wenig mulmig.“ Dann aber haben sie das Projekt „Aus rot wird grün“ gegründet und sind die Sache angegangen. Klinken putzen, Spenden sammeln, Benefiz-Veranstaltungen planen. Ob Oktoberfest der Landjugend oder Golf-Turnier der Alten Herren – alle Einnahmen flossen auf das Konto für den Kunstrasen. Am Ende lagen genau 155.737 Euro und 98 Cent darauf. Da haben sie gefeiert beim VfB.
Anfang September wird der Kunstrasen nun offiziell eingeweiht, gespielt wird darauf schon seit ein paar Wochen. „Gar nicht zu vergleichen mit dem alten Platz“, hat Benedikt aus der Ersten festgestellt und Keeper Josua schwärmt von einer „ganz neuen Qualität des Trainings“. Auch abseits des Platzes hat die Aktion etwas gebracht. „Der Verein ist zusammengewachsen“, findet Garz, bittet aber darum, den Erfolg nicht an seiner Person festzumachen. „Da haben ganz viele geholfen, sonst hätte das auch nicht geklappt.“ Und auch mit der Stadt sei die Zusammenarbeit „hervorragend gelaufen“.
Von einem Patentrezept für andere Vereine möchte der Vorsitzende aber nicht sprechen. „Das funktioniert nicht überall, das funktioniert nur, wenn die Strukturen stimmen.“ Im Club aber auch drumherum. In Kirchhellen tun sie das. „Wir sind hier“, sagt Garz, „längst ein Teil der Gemeinde geworden.“
„Kunstrasen ist Illusion“
Es gibt natürlich auch die anderen Fälle, in denen nur Galgenhumor hilft. „Wenn das Wetter so bleibt, haben wir ja bald den Rasenplatz, den wir uns schon so lange wünschen“, sagt Stefan Setzkorn und zeigt auf den Strafraum, in dem das Unkraut immer mehr durch die Asche bricht. Nicht mal durch rote, sondern durch graue Asche. „Wir sind der einzige Verein weit und breit, der noch auf so etwas spielen muss“, ärgert sich der Geschäftsführer des Schwarz-Weiß Buer-Bülse in Gelsenkirchen.
Klar, Kunstrasen würde helfen, „aber das ist Illusion“, sagt der 1. Vorsitzende Anton Roth. Mit toter Asche wären sie deshalb auch schon zufrieden in Bülse. Geht aber auch nicht, denn der Platz hat Schieflage. „Ein Unwetter und alles ist wieder weg.“
Eine andere Baustelle ist das Vereinsheim. Das ist jüngst nach einem Kurzschluss ausgebrannt. Gerade wird renoviert. In Eigenleistung und mit Geld aus Spenden und dem jährlichen städtischen Zuschuss. So wie sie 2001 schon die Umkleidekabinen gemacht haben. Kein Traum, aber besser als nichts. „Früher haben wir uns in einer Schule in der Nachbarschaft umgezogen“, erinnert sich Setzkorn. Über Bahngleise führte der Weg dorthin und wenn die Schranke unten war, „sind wir manchmal nicht rechtzeitig auf dem Platz gewesen“.
Setzkorn zuckt die Schultern. „Wir sind schon in einer speziellen Situation.“ Die ist historisch bedingt. Denn der Platz der Bülser gehörte früher der Zeche Hugo, später dann Mannesmann. Erst vor einigen Jahren kaufte die Stadt den Platz, der alte Mietvertrag aber lief weiter. „Und nach dem muss der Verein weitgehend für den Unterhalt der Anlage sorgen“, sagt Jürgen Kevenhörster von Gelsensport.
Diese Woche gibt es deshalb neue Gespräche zwischen Stadt und Verein. „Vielleicht finden wir einen Weg“, hofft Setzkorn. Wäre besser, denn der Verein schrumpft. Vor allem im Jugendbereich. „Viele Eltern wollen ihre Kinder nicht auf solch einem Aschenplatz spielen lassen“, weiß der Geschäftsführer und hat dafür sogar Verständnis.
Vor ein paar Jahren haben sie schon mal einen von der Stadt angeregten Umzug diskutiert. Am Ende haben sie die Pläne verworfen. Den älteren unter den rund 150 Mitgliedern war ein Ortswechsel nicht zu vermitteln. „Sie würden uns verlassen“, ist der Geschäftsführer überzeugt. „Sie hängen an dem Platz, egal wie schlecht sein Zustand ist.“