NRW.. Manche Laden-Straßen sind längst tot. Leerstand, nicht Leben prägt das Bild. Einzelhändler fordern nun nicht nur in Wanne: Lasst wieder Autos rein.
Der Leerstand hat das Ladenlokal von Jens Rohlfing fast umzingelt, da kann er, draußen stehend, Haus für Haus ganz einfach durchgehen. Da, gegenüber, die ausgeräumte Moritz-Apotheke, aber tatsächlich steht das ganze Haus leer; dann die Ex-Metzgerei, ein Teil ist Imbiss geworden. Neben Rohlfings Weinhandel „Gutes für Wanne“ wäre dann noch das leere Sanitätshaus, und daneben war früher die Commerzbank. So. Er macht eine halbe Drehung und komplettiert den Krisenkreis. Da, die Christuskirche. Ungenutzt. „Genauso tot wie der ganze Rest.“
Die Fußgängerzone von Wanne hat massive Probleme. Leerstände, Sanierungsstau, Bewohnermangel. Die „Werbegemeinschaft Wanne-Mitte“ schlägt vor: Hebt sie auf! „Man sollte wenigstens die Randbereiche befahrbar und beparkbar machen und die Leerstände verringern“, sagt Rohlfing, ihr Sprecher: „Die Leute, die hier wohnen, sind meine natürlichen Kunden.“ Als Wanne-Eickel noch eine eigene Stadt war, führte die Zone von Karstadt zu Hertie. Heute ist hier Herne 2, und sie führt vom Kaufpark zu einer Spielhalle.
Wanne-Eickel steht nicht alleine schlecht da
Wanne-Eickel steht aber nicht alleine schlecht da. Auch in der Fußgängerzone von Witten, in der Bahnhofstraße, fressen sich die Leerstände hoch: Hausnummer 60, 54, 45, 43, 41, 26 – und demnächst 21. Oder in Herten: In Teilen der Innenstadt sieht die eigene Stadtverwaltung „viel Leerstand, teils ungepflegte Fassaden und viele dunkle Ecken“. Und selbst im bedeutend größeren Oberhausen sind die Fußgängerzonen in der Stadtmitte und in Sterkrade nicht mehr unstreitig. Aus der Sicht vieler Kaufleute soll das Auto die Rettung bringen, denn das Auto bringe Kunden – sie setzen auf eine Art Abstimmung mit den Rädern.
Die Raumplanerin Professor Sabine Baumgart von der Uni Dortmund hält das Beispiel Wanne für ein typisches. Die Einkaufszentren nagten in kleineren und mittleren Zentren überall an den Fußgängerzonen; auch der wachsende Handel im Internet mache ihnen zu schaffen und „der demographische Wandel: Die Menschen, die jetzt alt werden, sind alle Auto-affin und parken am liebsten vor dem Laden.“ Der Einzelhandelsexperte Frank Emmerich von der Immobilienberatung CB Richard Ellis sagt (im WDR): „Die Enden sterben ab und es konzentriert sich im mittleren Bereich.“ Da liegen die Wortspiele sozusagen auf der Straße: die Fußgängerzone als Auslaufmodell. Als Sackgasse.
Vorreiter: Gelsenkirchen-Horst
Zu den ökonomischen kommen strukturellen Probleme von Innenstädten wie Herten oder Witten. Ein Gutachten der bayrischen Staatsregierung (Wirtschaftsstandort Innenstadt) empfiehlt, „Überdimensionierung sollte strengstens vermieden werden“, und nennt als grundlegende Voraussetzung für eine Fußgängerzone „hohe Zentralität“, „historische Bauten“, „touristische Anziehungspunkte“.
Tja.
Verkürzt wurde sie in Remscheid, auch in Bergkamen – freilich mit unterschiedlichen Erfahrungen. Ganz verschwunden ist sie 2014 in Gelsenkirchen-Horst. „Wir hatten 14 bis 16 Leerstände, jetzt sind wir runter auf acht, es ist Bewegung drin“, sagt Bernd Strickling, der Vorsitzende der Werbegemeinschaft. Freilich ist es schwierig, sich wieder auf Autos einzulassen: „Sie kriegen Parksuchverkehr rein und werden nie so viele Stellplätze bauen können wie nötig“, sagt Sabine Baumgart, die Raumplanerin.
Genau daran war 2007 ein erster Versuch gescheitert, die Zone in Wanne zu verkürzen: Auf die neu ausgewiesenen Parkplätze stellten sich die Anlieger. In Herten wie in Witten geht die Diskussion jetzt in die Richtung, einen Teil der Fußgängerzone zur Einbahnstraße zu machen. Also zu dem, was die Einkaufsstraße „Lange Straße“ in Castrop-Rauxel-Habinghorst schon ist. Hier freilich sehen viele Kaufleute gerade die Einbahnstraße als großes Problem: und hätten lieber eine richtige.