Haltern. . Der Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 hat viele Leben in Trauer gestürzt. Und er hat zu einer Debatte um Sicherheit geführt. Ein Rückblick.

Als die Nachricht in Düsseldorf ankommt, dort, wo der Airbus gerade jetzt landen sollte, ist die Katastrophe schon eine Stunde alt: Flug 4U9525 von Barcelona ist abgestürzt um 10.41 Uhr, das Flugzeug der deutschen Fluggesellschaft Germanwings zerschellt im Felsmassiv der Alpen bei Seyne-les-Alpes, Frankreich. Mit 150 Menschen an Bord, sechs Besatzungsmitgliedern und 144 Passagieren, darunter drei Babys. Tausende Trümmerteile sind hektarweit verstreut, und nur eines ist schnell klar: Niemand hat überlebt.

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Es ist einer der folgenschwersten Abstürze der deutschen Luftfahrtgeschichte. Er verändert das Leben von 150 Familien aus 17 Ländern der Welt – und eine ganze Stadt: Aus der Kleinstadt Haltern im Kreis Recklinghausen, wo das Ruhrgebiet ins Münsterland übergeht, saßen 13 Mädchen und drei Jungen im Flieger, Schüler des Joseph-König-Gymnasiums mit ihren beiden Spanisch-Lehrerinnen. 15, 16 Jahre alt waren sie, sie kehrten zurück von einem Schüleraustausch im spanischen Llinars del Vallès – und kamen zuhause nie mehr an.

Ein Ort färbt sich schwarz

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, aus deren Bundesland NRW allein 50 Opfer stammen, fliegen schon am Tag danach in die französischen Alpen, begleitet von Staatspräsident Francois Hollande. Die Lufthansa bringt Angehörige an den Ort der Katastrophe. Und Haltern hält den Atem an: „Jeder kannte in dieser kleinen Stadt jemanden, der. . .“, bringt Bürgermeister Bodo Klimpel unter Tränen heraus, der Ort färbt sich schwarz, und es ist vor allem Schulleiter Ulrich Wessel, der den Menschen Halt gibt: der Mann, der die Jugendlichen auf eine fröhliche Reise schickte und nun den Eltern, den Geschwistern, der ganzen Stadt sagen muss, dass keiner mehr zurückkehren wird. Der die Trauer organisiert, soweit man das kann.

Germanwings-Absturz Der erklärt, was nicht zu erklären ist. Bald ist ja bekannt, dass der Flieger langsam vom Himmel sank, nicht fiel, sondern in acht Minuten fast zehn Kilometer an Höhe verlor. Zwei Tage wird über das Warum spekuliert: ein Terroranschlag, ein technischer Defekt? Dann wird bekannt, was der Abschlussbericht aus der vorvergangenen Woche endlich schriftlich belegt: Co-Pilot Andreas Lubitz, ein 27-Jähriger aus Montabaur, hat den Airbus 320 absichtlich gegen das Felsmassiv gesteuert. „Erweiterter Selbstmord“ heißt das, die Angehörigen, auch die Lufthansa sprechen von einem „Täter“.

Ein Co-Pilot mit Vorerkrankungen

Der Mann war nachweislich depressiv, war in den Vormonaten bei zig Ärzten gewesen, am Unglückstag sogar krank geschrieben. Was man nun weiß, ist: Als der Pilot zur Toilette ging, sperrte Lubitz ihn aus, schaltete auf Sinkflug, brach den Kontakt zum Tower ab. Seit dem Absturz gilt in Deutschland die Regel, dass stets mindestens zwei Personen im Cockpit sein müssen. Das Luftfahrtbundesamt prüft die bessere „Überwachung der medizinischen Tauglichkeit des Luftfahrtpersonals“.

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Beim Gedenkgottesdienst im Kölner Dom im April brennen 150 Kerzen, viele Angehörige sind entsetzt. „Die Kirche verzeiht“, sagt Wilhelm Scheideler, der seine Tochter Rabea verlor, kürzlich dem „Stern“. „Wir nicht.“ Zum Jahrestag fliegt die Lufthansa die Familien erneut zum Absturzort, an der Trauerfeier wird auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr teilnehmen. Doch das Verhältnis zu den Angehörigen ist getrübt: Viele fühlen sich von der Muttergesellschaft der Germanwings im Stich gelassen, weil diese keine Schuld anerkenne. Der Vorwurf: Die Lufthansa habe Lubitz ausgebildet und seinen Gesundheitszustand, obwohl eine psychische Vorerkrankung bekannt war, nie wieder überprüft.