Gelsenkirchen. Mit Elfriede Sauerwein-Braksiek leitet erstmals eine Frau die größte Landesbehörde: Straßen NRW. Gute Nachrichten fürs Ruhrgebiet hat sie nicht.
- Seit August leitet Elfriede Sauerwein-Braksiek Straßen NRW. Die 56-Jährige ist die erste Frau an der Spitze des größten NRW-Landesamtes
- 10.000 Brückenbauwerke liegen in der Verantwortung von Straßen NRW, die meisten sind in die Jahre gekommen und für den Schwerlastverkehr unserer Tage nie konzipiert gewesen
- Von bislang 261 überprüften Brücken müssen mittel- bis langfristig 159, also weit mehr als die Hälfte, abgerissen und erneuert werden
Der Blick von Elfriede Sauerwein-Braksieks Schreibtisch über die Gelsenkirchener Innenstadt Richtung Essen könnte kaum ruhrgebietstypischer sein: viel Stadt, viel Straße. Auf dem Regal im Büro der Bauingenieurin sind ein paar Bergbau-Devotionalien dekoriert, im Schrank steht eine Flasche Hochprozentiges.
Sauerwein-Braksiek winkt ab. Den Schnaps hat ihr NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) zum Einstand geschenkt. „Artilleriefeuer“ – für den ja nicht ganz ausgeschlossenen Fall, dass sie mit ihrer für Planung und Instandhaltung abertausender Kilometer an Autobahnen, Bundes- und Landstraßen zuständigen Behörde einmal unter Beschuss geraten sollte.
Seit August leitet Elfriede Sauerwein-Braksiek Straßen NRW. Die 56-Jährige ist nicht nur die erste Frau an der Spitze des mit rund 5900 Beschäftigten größten NRW-Landesamtes. Sie ist auch – und das dürfte kaum weniger bemerkenswert sein – die erste Bauingenieurin im Chefsessel einer Behörde, die ebendies zur Aufgabe hat: Bauingenieursleistungen.
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Das Amt bringt es mit sich, dass sich die Recklinghäuserin für jeden baubedingten Stau auf der Autobahn mitverantwortlich machen lassen muss. Warum dauert das so lange? Wieso muss überhaupt gebaut werden? Sauerwein-Braksiek empfindet diese Fragen nicht als lästig. Sie kann sie mit der Gelassenheit einer Frau beantworten, die schon im Studium an der Ingenieursschmiede der Universität Aachen gelernt hat, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen. Ja, sagt sie, Straßenbauarbeiten brauchen auch mal länger. „Aber nicht immer.“ Schließlich seien die Baustellen-Teams fast überall an sechs Tagen in der Woche „unter voller Ausnutzung des Tageslichtes“ unterwegs. Auch die „Möglichkeiten der Nachtarbeit“ werden ausgeschöpft, sagt sie, „wo es geht und wo wir die Anwohner nicht zu sehr belasten.“ Darin – so Sauerwein-Braksiek – sei Straßen NRW bundesweit sogar führend.
Planzeiten verkürzen
Die oft von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden geäußerte Kritik am Informations-Management ihrer Behörde möchte Sauerwein-Braksiek jedenfalls so nicht im Raum stehen lassen. „Der Vorwurf, dass wir nicht rechtzeitig informieren, ist nicht richtig. Wenn wir beispielsweise Anschlussstellen sperren, ist das gröbere Zeitfenster sechs Monate zuvor bekannt, der konkrete Termin steht ein bis zwei Monate vorher fest.“ Die generelle Baustellenplanung auf den Autobahnen werde zwei Jahre im Voraus im Internet veröffentlicht.
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Freilich: Aus Sicht der Auto- und Lkw-Fahrer ist jede Baustelle eine zu viel. Dabei können gerade die Autobahnen jeden Vergleich mit denen anderer Bundesländer aufnehmen. Bei der alle vier Jahre durchgeführten Straßenzustandserfassung hat NRW zuletzt die Note 2 bekommen. Anders sieht es bei den Brücken aus. Sauerwein-Braksiek: „Da haben wir ein Problem.“
NRW hat gemessen am Bundesdurchschnitt nicht nur ein doppelt so hohes Verkehrsaufkommen, sondern wegen der dichten Besiedlung und der Topographie des Landes überproportional viele Brücken. 10.000 Brückenbauwerke liegen in der Verantwortung von Straßen NRW, die meisten sind in die Jahre gekommen und für den Schwerlastverkehr unserer Tage nie konzipiert gewesen. 800 haben die Ingenieure der Behörde aktuell auf dem Zettel. Das Ergebnis ist ernüchternd: Schon von den ersten 261 überprüften Brücken müssen mittel- bis langfristig 159, also weit mehr als die Hälfte, abgerissen und erneuert werden. Sauerwein-Braksiek hat sich daher zum Ziel gesetzt, zumindest bei Brücken, die eins zu eins ersetzt werden, ohne zeitraubendes Planfeststellungsverfahren auszukommen.
Keine guten Nachrichten hat die Straßen-NRW-Chefin für das staugeplagte Revier. „Das Ruhrgebiet ist unser großes Sorgenkind. Es ist ein Nadelöhr im Ost-West-Verkehr“, sagt die Ingenieurin. Um die Engpässe noch beherrschbar zu halten, habe es Straßen NRW bislang weitgehend vermeiden können, gleichzeitig auf den parallelen Autobahnen A 40, A 42 und A 2 zu bauen. Bald schon könnte diese eiserne „Regel unserer Baustellenkoordination“ außer Kraft gesetzt werden. „Ich kann nicht versprechen, dass es angesichts des Zustandes der Brücken so bleibt.“