Oberhausen. In Oberhausen züchtet ein Maurermeister Affen in einem Hinterhof. Die richtigen Papiere hat er – sein Geschäftspartner allerdings ist äußerst dubios.

Klinker und angegrauter Putz, Schubkarre und Mülltonnen – ein normaler Oberhausener Hinterhof. Hätten die Nachbarn über ihre Gärten hinweg nicht freien Blick auf die Affenställe von Jakub Schipanski. Manchmal stehen die Kinder von nebenan vor den zwei Gartenlauben, groß wie Garagen, die der 62-Jährige mit Glasfront und Außengehege versehen hat. Tatsächlich, der polnische Maurermeister züchtet hier Primaten wie andere Kaninchen.

Größer sind die 35 Tiere auch nicht. Goldkopflöwenäffchen hüpfen von Spielbaum zu Autoreifen, Springtamarine, Lisztaffen und Kaiserschnurrbart-Tamarine. Alle zählen zu den bedrohten Arten, die Äffchen mit der goldenen Mähne sind gar extrem selten – und entsprechend wertvoll, weswegen wir den Namen des Züchters geändert haben: Er hat Angst vor Dieben.

Betreibt Schipanski die Affenzucht also als Geschäft? Allein ist er nicht, ein schillernder „Züchterfreund“ hängt tief mit drin.

Affen kann man im Geschäft kaufen

Schipanski sagt: „Affen sind halt mein Hobby. Ich habe in vielen Ländern gearbeitet, lange in Asien, und überall hatte ich Dauerkarten für die Zoos.“ Angefangen hat Schipanski in Oberhausen mit Kanarienvögeln, dann machte er in Chinchillas, durchaus wegen der Felle, bevor er vor etwa 17 Jahren in der Zoohandlung Galeria Tropica zwei Weißbüschelaffen erstand.

Der Oberhausener Züchter möchte nicht mit echtem Namen genannt werden, da er um seine wertvollen Affen fürchtet.
Der Oberhausener Züchter möchte nicht mit echtem Namen genannt werden, da er um seine wertvollen Affen fürchtet. © WAZ FotoPool

Tatsächlich kann man auch heute noch Primaten im Geschäft kaufen, zum Beispiel bietet Zoo Zajac in Duisburg Lisztaffen an – auch wenn wohl nur die wenigsten die Vorschriften zur Haltung erfüllen können. Etwas mehr als 60 Tiere sind bereits in Schipanskis Anlage zur Welt gekommen, den Babys reicht er selbst die Nuckelflasche.

Die Zucht sei eine Herausforderung: Besonders der Nachwuchs sei anspruchsvoll, was Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Futter angeht. Eine Fußbodenheizung kann über Leben und Tod entscheiden in den ersten Tagen. Schipanski ist auch Imker und verfüttert zum Beispiel Bienendrohnen. Dazu Mehlwürmer, spezielle Schnecken und Wachteleier, 500 jeden Monat, die er zuvor in einem Inkubator angebrütet hat. Jede Woche karrt der Maurer zwei Kartons mit Kaki-Früchten und zwei große Kisten Bananen heran. So ist die Redaktion übrigens auf ihn aufmerksam geworden, an der Aldi-Kasse.

In der "Szene" wird viel getauscht

Das alles, sagt Jakub Schipanski, sei so aufwändig, dass er draufzahle, selbst wenn er hier und da einen Affen „abgebe“. Es werde viel getauscht in der Szene; wenn er verkaufe, dann an Privatleute oder kleine (Privat-)Zoos, deren Haltungsbedingungen er kenne. Zum Beispiel nach Tschechien, Polen oder Thailand. Die erforderlichen „Cites“-Papiere dazu habe er, bestätigt die Untere Landschaftsbehörde. Das Veterinäramt bescheinigt dem Züchter eine „große Erfahrung“, auch unter Tierschutz-Gesichtspunkten.

Der Affenzüchter von Oberhausen

In Oberhausen züchtet Jakub Schipanski in seinem Hinterhof bedrohte Affenarten wie Goldkopflöwen-äffchen.
In Oberhausen züchtet Jakub Schipanski in seinem Hinterhof bedrohte Affenarten wie Goldkopflöwen-äffchen. © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
Ein Kaiserschnurrbart-Tamarin aus der Zucht. Auch er gehört zu den bedrohten Arten.
Ein Kaiserschnurrbart-Tamarin aus der Zucht. Auch er gehört zu den bedrohten Arten. © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
Jakub Schipanski mit einem seiner Affen, ...
Jakub Schipanski mit einem seiner Affen, ... © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
...einem seltenen Springtamarin.
...einem seltenen Springtamarin. © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
Besonders der Nachwuchs ist  anspruchsvoll, ...
Besonders der Nachwuchs ist anspruchsvoll, ... © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
was Temperatur, Luftfeuchtigkeit ...
was Temperatur, Luftfeuchtigkeit ... © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
... und Futter angeht.
... und Futter angeht. © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
Die bedrohten Affen haben es dem Züchter angetan.
Die bedrohten Affen haben es dem Züchter angetan. © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
Lisztaffen springen von Ast zu Ast. Sie leben im Hinterhof in einem...
Lisztaffen springen von Ast zu Ast. Sie leben im Hinterhof in einem... © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
...kleinen Affenhaus.
...kleinen Affenhaus. © Ute Gabriel / FUNKE Foto Services
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Allerdings gehören Jakub Schipanski 90 Prozent der Tiere gar nicht, er zieht sie nur auf für einen „befreundeten Toxikologen“ aus Niedersachsen namens Uwe Häcker. Darüber existierten nur „mündliche Verträge“. Häcker bezahle nur manchmal das Futter, sagt Schipanski. Hier wird es nun dubios, gelinde gesagt.

Dubioser Kompagnon stellt "Mittel gegen Krebs" her

Denn Häcker züchtet auf dem Land bei Braunschweig zuvorderst Spinnen, Skorpione und Schlangen, zapft ihnen das Gift ab. Er behauptet, daraus Gegenmittel für Krebs, Ebola und Sars (unter anderem) herstellen zu können, nur wolle keine Institution seine „wissenschaftlichen Ergebnisse“ zur Kenntnis nehmen. Seine Affen, etwa 150 an der Zahl, halte er mehr oder weniger aus Liebhaberei.

Auch in München hatte Häcker bei einem Geschäftspartner Tiere untergebracht, darunter sechs Affen. Dieser Dr. Dirk Weickmann ist seit 2001 mehrfach wegen Tierquälerei verurteilt worden. In München beschlagnahmten die Behörden 2008 alle Tiere, die zum großen Teil Häcker gehörten; er wurde verurteilt, für ihre Unterbringung zu zahlen: 153 Spinnen und Skorpione, Tausende von Käfern und 411 Wirbeltiere. Weickmann – in der Presse gern „Dr. Grusel“ und „Spinnenmann“ genannt – flüchtete nach zahlreichen Prozessen in die Schweiz, kam schließlich in Auslieferungshaft.

Behörden sprechen von "tierschutzwidrigen Bedingungen"

Häcker beharrt auf Nachfrage: „Der Weickmann hat keine Tiere gequält.“ Es seien nur zwei Mäuse gestorben. Die Behörden dagegen sprechen von „völlig unzureichenden und tierschutzwidrigen“ Bedingungen. Häcker wiederum sieht sich und Weickmann als Opfer einer Verschwörung der Pharmaindustrie, die die Entwicklung alternativer Krebsmedikamente verhindern wolle, sowie der bayrischen Justiz. Häcker vergleicht sich mit Gustl Mollath.

Affen in Oberhausen
Affen in Oberhausen

Und warum lässt so einer Affen in Oberhausen züchten?

Letztlich bleibt der Fall undurchsichtig. Von den Tierquälerei-Prozessen im Umfeld Häckers habe er nichts gewusst, sagt Schipanski. Dass Häcker mit den Affen experimentieren könnte, hält er für abwegig. Tatsächlich dürften die Oberhausener Arten zu wertvoll sein.

Oberhausener Tiere sollen eine Art "Genreserve" sein

Häcker spricht gern von seinen Zuchterfolgen, die Oberhausener Tiere seien eine Art Genreserve. Aber natürlich tauscht und verkauft er auch die Affen – wofür er offensichtlich alle Genehmigungen hat. Auf exotic­animal.de zum Beispiel hat er einen Goldkopflöwenaffen angeboten für 4000 Euro „mit allen Papieren ... darf in ganz Europa verkauft werden“. Häcker selbst sagt, ein Geschäft sei das nicht: „Man steckt immer mehr rein, als man rausbekommt. Das Finanzamt hat mich nach Abzug aller Kosten auf Null gesetzt.“

Anders als in den Niederlanden ist die private Zucht und Haltung von Primaten in Deutschland nicht verboten. Die Vorschriften hier sind auch längst nicht so streng wie in der Schweiz und Österreich. Tierschützer sind gespalten, je nach Ausrichtung ihrer Organisation:

Tierschützer sind bei Affenzucht gespalten

„So lange die tierschutzrechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden, ist es erst einmal in Ordnung“, sagt Dr. Ralf Unna, Vizepräsident des Landestierschutzverbandes NRW und Mitglied des Tierschutzbeirates der Landesregierung. „Die Zucht von bedrohten Arten kann sogar ein sinnvoller Beitrag zum Arterhalt sein.“

Strenger fällt das Urteil der Tierrechtler von PETA aus: „Wir sind prinzipiell gegen die Zucht und Haltung von Primaten, weil die Ansprüche der Tiere so hoch sind, dass sie in Gefangenschaft nicht erfüllt werden können“, so Sprecher Peter Höffken. (mit Tobias Appelt)