Unsere Städte an das Klima anzupassen, ist eine Generationenaufgabe. Aber schon heute kann man erkunden, wie die Stadt von morgen aussehen wird.

Heißer, trockener und sturzregnerischer – das ist wahrscheinlich das Klima von morgen, selbst im günstigsten Fall. Daran muss sich die Stadt von morgen anpassen. Die Lösung: das Prinzip Schwamm. Wenn es lokal niederprasselt, muss die Stadt viel Wasser in kurzer Zeit aufnehmen können. Und bestenfalls kann sie es speichern, bis wieder eine Phase des Mangels kommt. Die Stadt von morgen gerät also schwammig, die Zukunft ist es jedoch nicht. Es wird ja schon allerorten gebaut. Schauen wir uns mal um.

Der Parkplatz

Vor der Mondpalast-Arena in Herne zum Beispiel, da gibt es einen „Klimaparkplatz“. Auf den ersten Blick fällt uns das Pflaster auf, durch das Regenwasser einsickern kann, statt in die Kanäle zu fließen, sich mit Schmutzwasser zu mischen und die Kläranlagen zu beschäftigen. Auf den zweiten Blick bemerken wir, dass der ganze Platz als Mulde gestaltet ist. Regnet es stark, läuft das Wasser in die Mitte. Dort fließt es in Rigolen. Das sind unterirdische Auffangbecken, die das Wasser langsam wieder abgeben. So vermeidet man Überschwemmungen und der Boden bleibt länger feucht. Man kann auch Bäume in Rigolen pflanzen. Jeder Ahorn auf dem Klimaparkplatz steht gewissermaßen in einem unterirdischen Blumentopf.

Die Straßen

Auch unter Straßen und Plätzen machen sich Rigolen breit (neben Regenrückhaltebecken, die ebenfalls zunehmend gebaut werden). An der Hattinger Straße nahe dem Bochumer Schauspielhaus hat die Emschergenossenschaft gerade ihre Kanäle zurückgebaut und stattdessen rinnenartige Rigolen in die Mitte der Straße gelegt – unter einen neuen Grünstreifen, den die Rigole nun wässert. Damit das Wasser dorthin fließt, haben die Fahrbahnen links und rechts ein kleines Gefälle bekommen. Zwei Schichten aus Erde und Vlies filtern Schadstoffe aus dem Wasser, das ja über Asphalt gelaufen ist.

Regen und Schmutzwasser

So sollen nun viele Straßen gestaltet werden, die Emschergenossenschaft hat bereits mit ihren Mitgliedsstädten Vereinbarungen getroffen. Zusammen treibt man auch die „Zukunftsinitiative Klima.Werk“ voran, die mit 250 Millionen Euro für Projekte wie den Klimaparkplatz ausgestattet ist. Ziel ist es, ein Viertel der befestigten Fläche im Ruhrgebiet von der Kanalisation abzukoppeln. Die Verdunstungsrate soll um zehn Prozentpunkte steigen. „Einer der wichtigsten Grundsätze ist: Regenwasser trennen vom Abwasser“, sagt Andreas Giga, Leiter der Serviceorganisation des „Klima.Werks“. Aber Barrierefreiheit beißt sich mit Hochwasserschutz, der gerne Kante zeigt, an der das Wasser abfließen kann. Mehr Grün bedeutet mehr Laub. Dann der Denkmalschutz. „Noch fehlt das integrale Denken“, sagt Giga.

Die Siedlung

An der Berliner Straße im Westen Gladbecks ist die ganze Siedlung als Mulde geformt. Das Material dazu kam vom Aushub der Keller, erklärt Frank Restemeyer, Leiter des Ingenieuramts. Nun kann der Regen oberirdisch abfließen, versickert in Grünstreifen entlang der Wege oder auf der Wiese im Boden der Senke, wo an trockenen Tagen Fußball gespielt werden kann. Bei üppigem Niederschlag darf das Wasser auch mal auf den Straßen stehen. So ähnlich ist auch der Hausacker in Bochum-Riemke gestaltet. Der war mal ein Ascheplatz, und hat nun eine „multifunktionale“ Wiese, die auch Versickerungsanlage ist.

Auch im Bestand versucht Gladbeck das Wasser-Trennsystem einzuführen, etwa am zentrumsnahen Jovyplatz. Bei öffentlichen Gebäuden wie Schulen ist das relativ einfach. Wobei auch hier Eltern klargemacht werden muss, dass nach starkem Regen die entsiegelten Teile des Schulhofs eine Weile schlammig werden können. Aber private Eigentümer müssen aufwendig angesprochen, beraten und überzeugt werden.

Die grünen Fassaden

Die Müllverbrennungsanlage Niederrhein in Oberhausen hat nicht nur Grün aufs Dach bekommen, auch am kleinen Kühlturm rankt sich nun auch das Immergrüne Geißblatt empor: Eine Kühlung für den Kühlturm! Und für alle, die sich Fassadenbegrünung aufwendig vorstellen, mit schräg hängenden, triefenden Blumentöpfen: Tatsächlich ist der gute alte Wein die Pflanze der Wahl, erklärt Prof. Matthias Uhl, Hydrologe an der Fachhochschule Münster. Ein Beet vor der Mauer – fertig? Natürlich müssen mehr Pflanzen gepflegt, muss Laub gefegt werden, wenn Fassaden grün werden. Und dann sollen ja noch grüne Oasen entstehen. Wo Auto und Fahrrad bereits um den knappen Platz konkurrieren, kommt nun der Baum hinzu.

Die Bäume

„Wir haben unsere Städte abgedichtet. Dann wundern wir uns, dass die Straßenbäume verdörren“, sagt Uhl. Stellen Sie sich einen Baum vor. Wo läuft das Wasser hin? -- Genau: Weg vom Baum. In der Regel ist die Baumscheibe erhöht oder eben, damit sich nur kein Müll und Laub darin sammelt. Dabei müsste sie ein Trichter sein; das gesamte Wasser vom Gehweg müsste hineinfließen statt in den Gully.

Dennoch genügt das in einem trockenen Sommer nicht, und man kann auch nicht überall Rigolen bauen, schon wegen der Konflikte mit Leitungen. Die „Gießkannenhelden“ in Essen wollen Abhilfe schaffen. Wobei man mit einer Gießkanne schon zigmal laufen müsste, um den Durst eines Baumes zu stillen. Darum soll ein Netz von Wasserquellen entstehen. Bürger können Platz für 1000-Liter-Speicher bereitstellen, in die Regenwasser von ihren Dächern fließt. Man kann dieses Prinzip weiterdenken: Vielleicht wird bald die ein oder andere Garage zum Wassertank.

>> Info: Die Prognose

Was bisher geschah: Als „Heiße Tage“ bezeichnen Klimaforscher solche über 30 Grad. Von 1961 bis 1990 hatten wir in NRW einen landesweiten Mittelwert von vier „Heißen Tagen“. Für die drei Dekaden bis 2020 hat dieser sich laut Klimaatlas NRW bereits verdoppelt. Im vergangenen Jahr wurde mit 18 „Heißen Tagen“ ein Rekordwert verzeichnet. Das ist ein landesweiter Wert. Innenstädte zum Beispiel heizen sich stärker auf. In Köln etwa wurden sogar 24 „Heiße Tage“ gemessen. Ein Ausreißerjahr? Auch 2019 und 2018 kratzten an den bisherigen Rekorden.

Das beste Szenario: Der Regionalverband Ruhr hat verschiedene Szenarien für das Ruhrgebiet durchrechnen lassen (klima.geoportal.ruhr). Wenn der globale Temperaturanstieg unter dem Zwei-Grad-Ziel bliebe, würde sich im Ruhrgebiet die Zahl der „Heißen Tage“ auf 25 bis 30 erhöhen. Und zwar schon im Mittel der nächsten 20 Jahre – dafür bleibt es dann so bis Ende des Jahrhunderts.

Das Weiter-so-Szenario: Was aber, wenn die globale Mitteltemperatur bis 2100 um vier Grad steigt, wie unter jetzigen Bedingungen vorausgesagt? Dann würden sich Innenstädte und Gewerbegebiete zu Hitzeinseln entwickeln, mit etwa 50 „Heißen Tagen“ (2071-2100). In den Stadtteilen erwärmt es sich je nach Bebauung.

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