Gelsenkirchen. Hagens Oberbürgermeister Erik Schulz wirft als Verwaltungsratschef hin. Vorwurf: Er habe im Fall Castrillo Fristen verstreichen lassen.

Der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) kommt nicht zur Ruhe: Im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Abgang von Vorstand José Luis Castrillo ist nun auch Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz mit sofortiger Wirkung von seinen VRR-Ämtern zurückgetreten. Vor allem sein Rücktritt als Verwaltungsratsvorsitzender ist brisant: In dieser Funktion ist er Personalvorgesetzter von José Luis Castrillo. Besser gesagt: war er.

In einem Schreiben an den Vorsitzenden der Verbandsversammlung, das dieser Zeitung vorliegt, begründet er sein abruptes Ausscheiden mit fehlendem Rückhalt in der CDU-Fraktion. In dieser wirkte der parteilose Politiker seit zehn Jahren mit und sie hatte ihn zum Verbandsvorsteher vorgeschlagen.

Schulz: Schwerwiegender Vertrauensbruch

Ein weiterer Grund, so Schulz, seien Indiskretionen aus nicht öffentlicher Beratung „zur Vorstandspersonalangelegenheit und die sich dadurch ergebende öffentliche Medienberichterstattung.“ Dies sei ein schwerwiegender Vertrauensbruch, deshalb lege er seine Ämter mit sofortiger Wirkung nieder. Der Schaden ist überschaubar: Seine Amtszeit hätte ohnehin am 31. März geendet.

Mit den „Vorstandspersonalangelegenheiten“ sind die Vorgänge um José Luis Castrillo gemeint. Schulz wurden nach Informationen unserer Zeitung in der turbulenten und lang andauernden Gremiensitzung am Montag erhebliche Fehler und Versäumnisse im Umgang mit dem Fall vorgeworfen. Das allerdings bestreitet Schulz energisch. Ihm sei in den Gremiensitzungen –weder im Präsidium noch im Verwaltungsrat– irgendein Versäumnis vorgeworfen worden. Er habe sein Vorgehen von der ersten Sekunde an mit den Juristen des VRR abgestimmt. Zudem habe er umgehend alle Fraktionsspitzen informiert.

Steht vor der abrupten Vertragsauflösung: VRR-Vorstand José Luis Castrillo.
Steht vor der abrupten Vertragsauflösung: VRR-Vorstand José Luis Castrillo. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Schulz, so heißt es allerdings aus Kreisen des Verwaltungsrates, habe bereits im Januar von den Vorwürfen gegen Castrillo erfahren, jedoch die Gremienvertreter erst so spät informiert, dass eine außerordentliche Kündigung nicht mehr möglich war. Diese muss binnen 14 Tagen erfolgen, nachdem der Personalvorgesetzte „Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen“ hat.

Die Frage ist allerdings, ob die Castrillo zur Last gelegten Verstöße eine außerordentliche Kündigung überhaupt ermöglicht hätte. Ein hausinternes Gutachten der Wirtschaftsprüfungskanzlei „Märkische Revision“ kam zum Ergebnis, dass arbeitsrechtlich maximal eine „Ermahnung“ eine ausreichende Sanktion gewesen wäre.

800.000 Euro Schaden durch Castrillos Abgang

Derzeit steht jedoch vor allem auf Veranlassung der CDU im Raum, das Arbeitsverhältnis mit José Luis Castrillo zum 31. März zu beenden. Castrillos Anwalt hat dazu den Vorschlag gemacht, dass der VRR 90 Prozent des Gehalts bis zum geplanten Vertragsende 2027 weiter zahlen soll. 2022 verdiente Castrillo laut veröffentlichter VRR-Jahresbilanz 246.000 Euro. Damit würde sein vorzeitiger Abgang den Steuerzahler knapp 800.000 Euro kosten.

Ebenfalls anderthalb Jahre vor Vertragsende vorzeitig ausgestiegen beim VRR: Ronald Lünser, Vorstandschef von 2018 bis 2022.
Ebenfalls anderthalb Jahre vor Vertragsende vorzeitig ausgestiegen beim VRR: Ronald Lünser, Vorstandschef von 2018 bis 2022. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Der Bund der Steuerzahler hatte diesen Umgang mit öffentlichen Mitteln deutlich kritisiert. Zumal dies nicht der erste Fall ist. Bereits im Mai 2022 hatte VRR-Chef Ronald Lünser anderthalb Jahre vor dem geplanten Laufzeitende um Vertragsauflösung gebeten. Seine Begründung: kein politischer Rückhalt. Lünser galt als Kandidat der CDU. Lünser ist seit nunmehr knapp einem Jahr in der deutschen Geschäftsführung des spanischen Bahnkonstrukteurs CAF tätig, der ab 2026 in Gelsenkirchen Akku-Triebwagen für den VRR bereitstellen und warten soll. Lünsers Vorgänger Martin Husmann erhielt Ende 2018 mit 62 Jahren keine Vertragsverlängerung mehr und wurde vorzeitig in den Ruhestand geschickt.

Auf Ronald Lünser folgte zunächst Interims-Vorständin Gabriele Matz. Ehe nach längerem, vergeblichen Suchen auf Betreiben der Landesregierung der ehemalige CDU-OB Gelsenkirchens und Ex-NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke im Januar 2024 sein Amt als VRR-Vorstand antrat. José Luis Castrillo hatte seit 2014 den zweiten Vorstandposten inne, für den die SPD das Vorschlagsrecht beansprucht.