Düsseldorf/Essen. Seit einem Hangrutsch im Januar ist die S-Bahnstrecke Essen-Düsseldorf bei Hösel nicht mehr befahrbar. Das wird sich erst in zwei Jahren ändern.
Bahnpendler zwischen Essen und Düsseldorf müssen noch zwei Jahre warten, ehe die Strecke der S6 von Essen nach Düsseldorf wieder befahrbar ist, so die Deutsche Bahn. Erst, wenn ein Planfeststellungsverfahren gelaufen ist und die Genehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes vorliegt, kann es mit Bauarbeiten losgehen. Wenn die Firmen gefunden sind, rechnet die DB mit einer Bauzeit von rund sechs Monaten.
Der Aufwand bewegt sich „im niedrigen zweistelligen Millionenbereich“, so die Bahn. Derzeit rechnet die DB mit dem Abschluss der Bauarbeiten und einer möglichen Wiederaufnahme des durchgehenden S-Bahnverkehrs zwischen Düsseldorf und Essen nicht vor Ende des 1. Halbjahrs 2026. Für die (einst) rund 12.000 täglichen Bahnpendler auf dieser Route eine echte Herausforderung.
Die Bahnstrecke ist bei Hösel unterbrochen, seit dort bei den heftigen Regenfällen Mitte Januar ein Hang ins Rutschen kam und die Bahngleise verschoben hat. Ein Opfer des Klimawandels, so die Bahn. Auf rund 400 Metern Länge sind die Gleise verschoben worden, die Stützmauer hat auf rund 50 Metern nachgegeben.
Strecke und Stützmauer werden neu gebaut.
Die Folge: Auf rund 100 Metern Länge wird eine neue Stützmauer errichtet. Sie wird aus massiven Bohrpfählen bestehen, die bis zu zehn Meter tief im Boden verankert sind. Zusätzlich installiert werden Bodenverankerungen und Auffangnetze. So soll das Gestein bei zukünftigen Hangbewegungen aufgefangen werden und damit Schäden an der Strecke vermieden werden.
Das komme einem Neubau gleich, daher sei das Plangenehmigungsverfahren beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) notwendig, so die Bahn. Alle Möglichkeiten, das Verfahren zu priorisieren, habe man ergriffen, so Kai Hippler, von InfraGO, der Betreibergesellschaft des Bahnnetzes. Parallel zur Einreichung der Unterlagen stimmt sich die Bahn mit Umwelt- und Wasserschutzbehörden für die Detailplanung ab. Die Planungsunterlagen will das Projektteam Ende 2024 einreichen.
Bereits seit dem 16. Januar 2024 ist die Strecke unpassierbar. Besonders bitter: Die Strecke fällt auch in den Sommerferien aus, wenn die Bahnstrecke bei Duisburg-Kaiserberg für je zwei Wochen voll gesperrt wird. Ansonsten, so die Bahn, werde man sich bemühen, Bauarbeiten auf der Route Düsseldorf-Duisburg-Essen möglichst nach hinten zu schieben, bis die S6-Strecke wieder passierbar ist. Zur Erinnerung: ZwischenDüsseldorf und Duisburg wird gerade für den RRX gebaut, die Strecke ist zeitweise nur eingeschränkt nutzbar. Insbesondere für Nutzer der S1 drohen harte Zeiten.
Bei Sperrungen im Raum Kaiserberg in den Sommerferien bleibt Bahnpendlern dann nur der Umstieg auf den Bus. Sonst stellte die S-Bahn-Linie 6 eine meist einigermaßen zuverlässige Alternative für Reisende aus dem Essener Süden und der 87.000-Einwohnerstadt Ratingen von und nach Düsseldorf dar.
Der seit Mitte März laufende Notverkehr wird somit für rund zwei Jahre zum Regelfall: Auf Essener Stadtgebiet pendelt die S6 zwischen dem Hauptbahnhof und Kettwig, von dort geht es mit Bussen nach Düsseldorf-Unterrath bzw. Ratingen-Ost und dann wieder in den Zug. Immerhin: Weil aus der Notlösung so etwas wie ein Regelbetrieb für mindestens zwei Jahre wird, soll es mehr Bänke und Unterstellmöglichkeiten geben, wenn man auf den Bus warten muss.
Seit März wieder Züge zwischen Düsseldorf und Ratingen
Die Züge der S6, die von Köln und Düsseldorf kommen, enden werktags zwischen 6 und 21 Uhr in Ratingen-Ost, ansonsten bereits in Düsseldorf-Rath. Denn für ein Wendemanöver in Ratingen Ost müssen zwei alte Stellwerke besetzt werden und dafür fehlt ausreichend Personal, das sich noch mit der Technik aus Zeiten des Ersten Weltkriegs auskennt. Eine Weiterfahrt bis zum Südende des Tunnels, dem Haltepunkt Hösel, sei nicht umsetzbar, weil es dort an den entsprechenden Signalen fehlt, so die Bahn.
Mal wieder die S6 also: Die durchaus idyllische Bahnstrecke durch die Ausläufer des Niederbergischen hat es offenbar in sich: In den vergangenen Jahren musste die Strecke immer mal wieder wegen längerer Bauarbeiten gesperrt werden, geplant wie ungeplant.
Schon nach dem Pfingststurm Ela 2014 war die Strecke lange Zeit dicht.
Bereits 2017 gab es Felsstürze und Bergschäden unmittelbar hinter dem Tunnel in Essen-Stadtwald, die für monatelange Sperrungen sorgten. Dann wurde der Bahnhof Hösel aufwendig saniert und vor Jahresfrist erst der Tunnel in Hösel instand gesetzt. Konnte ja keiner ahnen, dass das nächste Problem ein paar hundert Meter weiter nördlich entstehen würde.
Das ist seit dem 16. Januar vorbei: Schon kurz vor Weihnachten war die Streckengeschwindigkeit auf 20 km/h reduziert worden, weil die Schienen sich leicht verschoben hatten. Die ersten entsprechenden Meldungen kamen am 20. Dezember. Mit einer Gleisstopfmaschine versuchte die Bahn, das Malheur zu beheben. Vereinfacht gesagt wird zusätzlicher Schotter aufgebracht und verdichtet und das Gleis wieder in die richtige Lage gebracht.
Doch bereits am 2. Januar war das Gleis erneut verschoben und am 16. Januar zog die Bahn komplett die Notbremse: Der Hang rutscht, das Gleis lag auf mehreren hundert Metern nicht mehr richtig. Züge könnten entgleisen. Jetzt weiß die Bahn: Das war mehr als ein kleiner Hangrutsch.
Komplette Bahnstrecke auf 400 Metern verschoben
Bei einem „normalen Hangrutsch“ fällt, vereinfacht gesagt, lediglich Böschungsmaterial auf die Strecke. Hier zeigt sich jedoch: Felsschichten im gesamten Bereich, sogar unter der Strecke wurden durch die Kraft des Wassers auseinandergesprengt. Nicht nur der Steilhang am Rand, die gesamte Strecke mit Schienen, Oberleitung, Weichen, Kabeln, Stützmauer ist auf rund 400 Metern in Bewegung geraten und muss nun in den nächsten Jahren mühsam gebändigt werden.