Zwolle. Ein Hund in der Wand und blaue Finger: Zwolle ist die größte der neun niederländischen Hansestädte – die Geschichte des Ortes ist kurios.

Eine Häuserwand auf dem Großen Markt gegenüber der großen Kirche. Unten ein Restaurant, oben eine schön verzierte Fassade mit Stuckelementen. Typisch mittelalterliche Hansegotik. Doch was macht der Hund da?

Bert Dijkink weiß, was es damit auf sich hat. Er hat fast sein gesamtes Leben in Zwolle verbracht, erzählt Touristen oder anderen Menschen, die es interessiert, die Geschichte der Stadt. Dem 73-Jährigen zuzuhören ist immer spannend, aber die Sache mit dem Hund ist doch zu kurios – wie viele Kapitel in der wechselhaften Vergangenheit der größten der neun niederländischen Hanzesteden.

Blitze lassen den Turm einstürzen

Der heilige St. Michael prägt noch heute das Stadtbild, war er doch Namensgeber der ersten und größten Kirche in Zwolle. Der Bischof von Utrecht hatte als Abgesandter des Bistums Köln den Auftrag aus der Domstadt, den katholischen Glauben in den Niederlanden weiter zu verbreiten. Bereits im Jahr 765 wird in Zwolle eine einfache Kirche aus Holz errichtet, gegen 1200 dann die heutige Sint Michaelskerk in romanischer Steinbauweise, die weitere zwei Jahrhunderte später im gotischen Stil ausgebaut wird. Doch auch das mächtige Gotteshaus ist den Launen des Wetters ausgesetzt, mehrfach schlägt zwischen 1548 und 1669 der Blitz in den 112 Meter hohen Turm ein und beschädigt die Kirche schwer. 1682, in der sogenannten „St-Luzie-Nacht“, stürzt der Turm schließlich ein – obwohl die Gläubigen doch in dem Heiligen Michael den Vertreter Gottes auf Erden sehen und der sie vor solchen Katastrophen bewahren soll.

Laut einer mittelalterlichen Erzählung musste ein Hund beim Blitzeinschlag in den Turm der St. Michaelskerk sein Leben lassen.
Laut einer mittelalterlichen Erzählung musste ein Hund beim Blitzeinschlag in den Turm der St. Michaelskerk sein Leben lassen. © nrz | heiko buschmann

Auch der Geistliche kann aber die Blitze nicht aufhalten oder vom Turm der Kirche weglenken. Zum Glück, so die Überlieferung, wie sie Bert Dijkink auf seinen Touren durch Zwolle wiedergibt, stirbt bei den Unwettern niemand, zumindest kein Mensch. Nur ein kleiner Hund lässt sein Leben – er ist heute eingerahmt auf der anfangs beschriebenen Häuserwand zu sehen.

Wegen der strengen Denkmalschutzbestimmungen durfte an der Sint Michaelskerk, die inzwischen der Stadt Zwolle gehört und religionsfrei Academiehuis heißt, außen an der Kirche keine auch noch so kleine Erinnerung an die Katastrophe von vor 341 Jahren angebracht werden...

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Warum aus der kleinen Siedlung „Suelle“ das noch heute so schöne Zwolle wurde, hat mit dem Wasser zu tun – genauer gesagt mit dem „Schwarzen Wasser“. So ist die Bezeichnung für den Nebenfluss der Ijssel, das „Zwarte Water“. Nur 19 Kilometer lang, wurde die Verbindung mit dem „Zwarte Meer“ zum wichtigsten Handelsweg für die mit der Aufnahme in die Hanse immer mehr wachsende Stadt. Dabei lieferte sich Zwolle einen Konkurrenzkampf mit Kampen, der im Grunde bis heute ausgetragen wird.

Kampen war seinerzeit die wichtigste Hansestadt der Niederlande. An der Ijssel gelegen und mit einem damals noch offenen Zugang zur Nordsee, legten die Schiffe auf ihrem Weg von Süden nach Norden – oder andersherum – in Kampen an. Den Reichtum der Kleinstadt sieht man noch heute (Die NRZ berichtete!), doch dann versandete die Ijssel – das „Zwarte Water“ allerdings nicht, und so hatte Zwolle den Vorteil einer befahrbaren Wasserstraße. Unter anderem wurde der Bentheimer Sandstein, mit dem der Königspalast in Amsterdam gebaut wurde, über Zwolle verschifft oder gleich hier gelagert.

Münzen für den Wiederaufbau

Dazu kursiert eine mindestens ebenso schöne Legende wie über den Hund, der den Blitz nicht überlebt hat. Bert Dijkink erzählt sie in seiner einnehmenden Art und mit vor Vergnügen blitzenden Augen: „Als der Turm der Sint Michaelskerk eingestürzt war, boten die Kampener den Zwollern Geld für den Wiederaufbau an. Weil sie auf die Nachbarn aber nicht gut zu sprechen waren, gaben sie ihnen dafür lauter Münzen. Seitdem werden die Zwoller auch Blaufinger genannt, weil ihre Finger vom lauter Münzenzählen ganz blau wurden.“

Die Rivalität unter Zwollern und Kampenern ist ein nicht enden wollendes Gesprächsthema, zumindest unter den älteren Einwohnerinnen und Einwohnern. Längst aber haben sich beide Städte so fein herausgeputzt, dass sie das Ziel von Touristen aus der ganzen Welt sind. In Zwolles historischem Zentrum lässt es sich herrlich schlendern, geschichtsträchtig gerne an der vier Kilometer langen und in Teilen gut erhaltenen Stadtmauer entlang. An der Waterstraat sind sogar noch die vor acht Jahrhunderten angefertigten kleinen Bögen in dem Befestigungswall erhalten.

Der kleine Hund ist ein noch recht neuer Anziehungspunkt – die Fassade des Hauses mit der Erinnerungsskulptur ist im Jahr 2000 renoviert worden.

Weitere Infos unter https://www.holland-hanse.de/Tourist-Information/14974-tourist-information-zwolle/und https://www.holland-hanse.de/Tourist-Information/

Das „Hanzeland“

Die ersten Menschen, die sich vor mehr als 1000 Jahren hier in der Mitte der Niederlande ansiedelten, nannten den Ort „Suelle“. Im Jahr 1407 wurde Zwolle von Lübeck als offizielles Mitglied in die Hanse aufgenommen. Handel übers Wasser wurde schon vorher betrieben. Es gibt sogar ein Viertel, mit deutschen Städtenamen. Im „Hanzeland“ liegt zum Beispiel die Hamburger Straße.