Kampen. Kampen war in der Hansezeit unfassbar reich, die Handelsleute gönnten sich puren Luxus. Das ist noch heute in der wunderschönen Stadt zu sehen.

Unter Blattgold machen sie es in Kampen nicht. Wer sich der alten Hansestadt von außerhalb nähert und über die Ijsselbrücke ins historische Zentrum kommt, dem fallen die acht Räder des gewaltigen Bauwerks sofort auf: Sie sind aus Gold. Wie viele Brücken in den Niederlande, kann auch die in Kampen hochgefahren werden, damit größere Schiffe passieren können. Doch die Räder, über die der Mechanismus läuft, müssen hier halt etwas Besonderes sein. Im Jahr 1448 wurde die erste Brücke an dieser Stelle gebaut, die jetzige ist von 1998 – und ihre weithin sichtbaren goldenen Räder sollen den einstigen Reichtum der Stadt symbolisieren.

Einst bedeutender als Amsterdam

Auf die Frage, welche vor gut 700 Jahren wohl die bedeutendste und wohlhabendste Stadt der Niederlande war, wird die Antwort in den meisten Fällen wohl Amsterdam lauten. Die Provinz Holland und insbesondere die heutige Hauptstadt erlebten ihren Aufschwung aber erst etwa 100 Jahre später durch die Seefahrt unter dem Banner der Vereinigten Ostindien Companie (VOC) und prägten das sogenannte „Goldene Zeitalter“.

Herrlicher Blick vom Wasser aus auf die schöne, mittelalterliche City.
Herrlicher Blick vom Wasser aus auf die schöne, mittelalterliche City. © Marketing Oost

Kampen war schon vorher ein Handelszentrum, mit 9.000 Einwohnern damals genau so groß wie Amsterdam und wegen seiner Lage an der vielbefahrenen Handelsroute zwischen der Zuiderzee und dem Rhein in direkter Verbindung mit etlichen Nachbarländern.

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„Erst wurden hier Fische und Holz verschifft, dann Wein, Bier, Bienenwachs, Pelze und Tuch“, verrät Stadtführer Harry van Dijk beim Rundgang durch Kampen.

Im Jahr 1236 mit Stadtrechten versehen, schloss sich Kampen bald als erste der niederländischen Hafenstädte der Hanse – dem Handelsbündnis zwischen Lübeck und Hamburg – an. Die große Zeit der Kaufleute begann, Heringe wurden ins Rheinland und nach Westfalen gebracht, ebenso wie nach Flandern, Frankreich, England, Dänemark und Norwegen. Aber auch die ersten Schiffe aus Portugal und Spanien nahmen die Route über Kampen, sie brachten kostbares Salz aus Südeuropa, das teilweise hier gelagert und weiter in Richtung Norden gebracht wurde. Feine Seide kam aus China und wurde auf Koggen zum Weitertransport verladen. Es war ein Warenhandel, wie er heute übers Internet abgewickelt wird, nur eben deutlich langsamer und meist mit anderen Produkten.

Die Fahrrinne der Ijssel ins offene Meer der Zuiderzee musste alsbald verbreitert werden, weil auf dem Wasser so viel Verkehr war. Zur Verteidigung vor Feinden wurde eine Stadtmauer gebaut, die heute noch in Teilen erhalten ist. Eines der wichtigsten Zeitzeugnisse neben einigen anderen gut erhaltenen Kaufmannhäusern in typischer Hansegotik, steht zwischen der Ijsselkade und der Innenstadt: das Kornmarktspoort. „Sieht aus wie das berühmte Hansetor in Lübeck, nicht wahr, nur kleiner“, findet auch Cityguide Harry van Dijk.

In der mittelalterlichen Innenstadt, vor allem auf der Oude Straat, sind noch viele alte Gebäude im Stil der Hansegotik zu bewundern.
In der mittelalterlichen Innenstadt, vor allem auf der Oude Straat, sind noch viele alte Gebäude im Stil der Hansegotik zu bewundern. © nrz | heiko buschmann

Reich, arm und wieder reich

Das große Geldscheffeln der Hanzesteden dauerte gut ein Jahrhundert. Ab zirka 1360 liefen Brügge, Antwerpen und Amsterdam den Hansestädten den Rang ab, der Zugang zum offenen Meer wurde zum geostrategischen Vorteil. „Viele Kaufleute sind dann aus Kampen weggezogen, weil es keine Arbeit mehr gab“, erzählt Harry van Dijk. „Die Stadt wurde arm, hat sich aber immer wieder erneuert.“

Nicht nur Holland machte Konkurrenz, sondern auch das benachbarte Zwolle. Während die Ijssel immer mehr versandete und Schiffe Kampen kaum noch ansteuern konnten, blieb Zwolle mit dem „Zwarte Water“ ein Zugang zu den Handelsrouten der Schiffe.

Die Kampener verfielen nicht lange in Depression, taten neue Geschäfte auf – und dürfen sich heute über eine fein restaurierte Stadt freuen, die immer mehr Touristen auch aus Deutschland anlockt.

Warum hängt da eine Kuh am Kirchturm? Und wo ist überhaupt die Kirche zum Turm? Die Kampener liebten nicht nur das viele Geld, sondern auch Schildbürgerstreiche...
Warum hängt da eine Kuh am Kirchturm? Und wo ist überhaupt die Kirche zum Turm? Die Kampener liebten nicht nur das viele Geld, sondern auch Schildbürgerstreiche... © nrz | Heiko buschmann

Bei einem Spaziergang über die Oude Straat, eine der längsten Einkaufsmeilen der Niederlande, werden sie womöglich vor einem Kirchturm stehenbleiben – und sich fragen, wo denn die Kirche ist. „Die gibt es nicht“, bemerkt Harry van Dijk grinsend zum Nieuwe Toren. „Der wurde nur gebaut, um zu zeigen, wie viel Geld wir haben.“

Und ist heutzutage der Ort eines echten Schildbürgerstreichs. Im Juni hängen die Kampener nämlich immer eine Kuh oben an den Turm. „Dort befindet sich eine Plattform, auf der früher Gras wuchs. Die Kampener suchten nach einer Lösung, und zu dieser Zeit gab es ja noch keine Rasenmäher. So beschlossen sie, eine Kuh auf den Turm zu stellen“, erklärt Harry van Dijk grinsend.

Gästen begegnet die reiche Geschichte überall

Kampen zählt in seinem mittelalterlichen Zentrum über 500 denkmalgeschützte Gebäude und drei noch gut erhaltene Stadttore. Dies macht Kampen zu einem der besten erhaltenen Stadtkerne der Niederlande.Weitere Informationen sind unter www.visitkampen.nl/de zu finden.

Hansejahr

Die Niederlande feiern noch bis Mitte 2024 das 800-jährige Bestehen der Hanse – auch wenn es kein genaues Gründungsdatum des früheren Handelsbündnisses gibt.Zu den Hanzesteden gehören neben Kampen noch Hasselt, Zwolle, Hattem, Elburg, Harderwijk, Deventer, Zutphen und Doesburg.Das gesamte Programm: www.holland-hanse.de/hansejahr2023.