Alpen. Kathrin Schlaghecken aus Alpen ist 24 Jahre alt und begleitet ehrenamtlich Kinder, die ein Elternteil oder ein Geschwisterkind verlieren.

Normalerweise steht Kathrin Schlaghecken nicht gern im Mittelpunkt… doch sie hat sich einen Ruck gegeben und dem Interview zugestimmt. Denn ihre Arbeit als Trauerbegleiterin für Kinder und Jugendliche ist der 24-Jährigen wichtig und vielleicht, so die Hoffnung, lassen sich dadurch noch mehr junge Menschen für das besondere Ehrenamt begeistern.

Die Trauerbegleiterin Kathrin Schlaghecken aus Alpen bastelt mit den Kindern gern einen Rettungsring.
Die Trauerbegleiterin Kathrin Schlaghecken aus Alpen bastelt mit den Kindern gern einen Rettungsring. © Schur

Frau Schlaghecken, wieso haben Sie sich vor vier Jahren ausgerechnet für ein Ehrenamt entschieden, bei dem der Tod eine so große Rolle spielt?

Ich hatte gerade meine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin beendet, in der es auch einige Male um das Thema Tod gegangen war. Beispielsweise: Wie gehe ich damit um, wenn ein Mensch in einer Einrichtung stirbt? Durch einen Freund habe ich dann von dem erstmaligen Malteser Bundesprojekt „Junge Menschen in der Sterbe- und Trauerbegleitung- interessieren – stärken - beteiligen“ gehört. Weil ich es für mich beruflich und privat wichtig fand, meinen Horizont zu erweitern um handlungsfähiger zu werden, habe ich mich dann für den Qualifizierungskurs angemeldet.

Wie läuft ein solcher Kurs ab?

Wir haben uns innerhalb eines Jahres an acht Wochenenden getroffen – mal samstags, mal sonntags – um an verschiedenen Fortbildungen teilzunehmen. Dabei ging es um ganz verschiedene Themen: Wie individuell sich Trauer äußern kann, Sterbeprozesse, was palliativmedizinische Grundsätze sind, wie man eine Beerdigung organisiert und vieles mehr. Alles, um am Ende die Qualifizierung zu erhalten.

Gab es während der Weiterbildung für Sie einen Aha-Moment?

Mir ist auf jeden Fall der Tag hängen geblieben, an dem wir über Schicksalsschläge geredet haben. Wenn man so etwas hört, erscheinen plötzlich die eigenen Probleme nichtig und man wird wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Da sind wir alle sentimental geworden.

Und doch haben Sie sich von der Traurigkeit, die das Ehrenamt mit sich bringt, nicht abschrecken lassen…

Die Themen Sterben, Tod und Trauer betreffen uns alle irgendwann. Dafür wollte ich gewappnet sein. Außerdem finde ich es gerade für Kinder und Jugendliche schön, dass sie auch jüngere Ansprechpartner haben. Man redet dann ganz anders miteinander. Und tatsächlich habe ich während der Trauerbegleitung auch schon viel zusammen mit den Kindern und Jugendlichen gelacht, es ist also nicht nur traurig.

Wie sieht denn das Ehrenamt konkret aus?

Oft ist es ja so, dass die Bedürfnisse eines Kindes in den Hintergrund geraten, wenn gerade das Geschwisterkind oder ein Elternteil im Sterben liegt oder schwer erkrankt ist. Dann tut es dem Kind gut, wenn jemand nur für ihn kommt. Am Anfang geht’s dann immer erstmal ums Kennenlernen. Über kreative Angebote kommt man leichter ins Gespräch. Dafür haben wir einen Methodenkoffer mit verschiedenen Dingen, zum Beispiel Lach- und Weingummi, damit wir darüber reden können, was uns glücklich und was uns traurig macht. Oder wir basteln einen Rettungsring und sprechen darüber, was einen rettet, wenn man traurig ist. Der Rettungsring kommt dann ins Mäppchen oder in die Tasche und wenn man traurig wird, kann man ihn rausnehmen und sich daran erinnern. Für Kinder ist etwas Symbolisches immer wichtig, da es greifbar ist. Manchmal, so wie das Kind, das ich aktuell betreue, möchte es aber auch einfach nur Toben und Spielen. Da geht’s dann darum, einfach mal aus dem Alltag rauszukommen.

Können Sie sich noch an Ihre erste Trauerbegleitung erinnern?

Ja, da war ich sehr aufgeregt. Wobei, das bin ich eigentlich immer noch, wenn ich neu in eine Familie komme. Bei meiner ersten Begleitung war ich für einen Teenager zuständig, bei dem ein Elternteil krank war. Da geht’s dann natürlich weniger ums Basteln, sondern mehr ums Reden. Wir haben erstmal ein Spiel gespielt, bei dem wir beide Karten ziehen und dann Fragen beantworten mussten. Dadurch haben wir Gemeinsamkeiten entdeckt, auch mal gelacht, und die Situation wurde aufgelockert. Am zweiten Tag sind wir einfach spazieren gegangen.

Wie lange dauert eine Trauerbegleitung?

Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin immer eine Stunde da, mal einmal im Monat, mal einmal in der Woche, in der Regal aber alle zwei bis drei Wochen. Das kann ein paar Monate gehen, manchmal aber auch ein Jahr lang.

Stellen die Kinder und Jugendlichen Ihnen schon mal Fragen, bei denen Sie selbst schlucken müssen?

Ja klar, aber ich bin ja nicht da, um Lösungen oder Antworten zu finden. Die Situation ist unfair und alles ist doof, das sage ich dann auch genau so. Man kann es nicht schön reden. Viel wichtiger ist aber, dass jemand zum Zuhören da ist.

Kommen Ihnen da manchmal auch selbst die Tränen?

Das passiert schon, weil einen das natürlich traurig macht. Man fragt sich beispielsweise: Wie würde ich mich in einer solchen Situation verhalten? Aber wenn ich das mit nach Hause nehmen würde, könnte ich das Ehrenamt nicht ausüben.

Wie schaffen Sie es denn, die Traurigkeit von Ihrem Alltag abzukoppeln?

Wir haben die Möglichkeit an Supervisionen teilzunehmen, bei denen wir über die Fälle sprechen können. Und wenn etwas aus privaten Gründen nicht passt, werden wir sofort aus der Familie genommen. Es ist wirklich gut, dass wir bei unseren Koordinatoren alles offen ansprechen können. Im Sommer ist beispielsweise mein Opa gestorben, da habe ich dann erstmal pausiert, damit ich selbst trauern konnte.

Hat sich durch das Ehrenamt Ihr Blick auf den Tod geändert?

Gute Frage… Ich bin auf jeden Fall aufgeklärter und weiß, was auf einen zukommen kann, wenn ein Angehöriger stirbt. Aber natürlich sind Theorie und Praxis auch zwei unterschiedliche Dinge. Ich kann mich mit dem Thema gut auskennen und dann kommt doch plötzlich der Schlag.

Welchen Tipp geben Sie Menschen, die Trauernde in ihrem Umfeld unterstützen möchten?

Einfach zuhören und da sein. Klar kann es sein, dass die Person alleine sein will, und das muss man dann auch akzeptieren. Aber meistens halten die Menschen eher Abstand, weil sie nicht wissen, was sie sagen sollen. Dabei ist es besser, da zu sein und ruhig auch mal nichts zu sagen.

>>> Malteser Hospizdienst am Niederrhein

Der Malteser Hospizdienst am Niederrhein setzt sich dafür ein, junge Menschen für die wichtige Hospiz- und Trauerarbeit zu sensibilisieren und sie in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit zu stärken.

Insgesamt absolvieren die Teilnehmenden des Kurses 100 Stunden, in denen sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten vermittelt werden.

Weitere Informationen zu den Maltesern im Bistum Münster: www.malteser-muenster.de