Kleve. Das Künstlerinnenduo Catherina Cramer & Giulietta Ockenfuß gewinnt den Werner Deutsch Preis für Junge Kunst mit „Unleash the Beast“.
Der Werner Deutsch Preis für Junge Kunst wird in diesem Jahr zum fünften Mal verliehen und geht an Catherina Cramer und Giulietta Ockenfuß. Das haben die drei Juroren, Stifter Werner Steinecke, der Leiter des Museums Kurhaus Kleve, Prof. Harald Kunde, und Kuratorin Dr. Susanne Figner „in großer Übereinstimmung“ so entschieden. Ausgezeichnet wird das mehrteilige, bewusst provokative und für den Zuschauer ungemein anspruchsvolle Filmprojekt „Unleash the Beast“ (Entfessle die Bestie), an dem die beiden Künstlerinnen seit einigen Jahren arbeiten und das noch bis zum 3. Oktober im Museum Kurhaus Kleve zu sehen sein wird.
„Im Film“, befindet der Museumsleiter, „erzählen Ockenfuß und Cramer die Evolutionsgeschichte neu.“ Was sicher schien, werde auf den Kopf gestellt. Das Ergebnis sei „eine wunderbare Mischung, die das Kurhaus mit einer ganzen Reihe schräger Gestalten verwandelt“. Da tummeln sich zum Beispiel die Wasseräffin oder das Axolotl, eigentlich ein Querzahnmolch. Für die Azteken war das Tier das ‘Wassermonster’. „Wir stellen anerkannte Narrative in Frage, ordnen sie neu ein“, erklärt Giulietta Ockenfuß, 1986 in Frankfurt geborene Malerin und Performerin. Je nachdem wie man Bilder anordne, entstehe eine Variante des Inhalts. „Das weckt Assoziationen.“ Oder macht sie erst möglich. Dafür habe man ihnen im Kurhaus gute Möglichkeiten geboten“, lobt Catherina Cramer.
Geschlecht und Sexualität
Giulietta Ockenfuß verhandelt in ihren Werken in Wort und Bild oft provokativ soziale Ungleichheiten und verfestigte Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität. Um ihr neuestes Projekt zu realisieren, reiste sie gemeinsam mit Catherina Cramer (geb. 1988 in Wesel) für mehrere Monate nach Mexiko. Seit 2019 arbeiten beide Künstlerinnen für filmische Projekte zusammen. In Südamerika begaben sich die beiden Stipendiatinnen unter anderem der Hessischen Kulturstiftung, der Stiftung Maecenia sowie der Kulturstiftung NRW auf die Spuren der alten Kultur und setzten sich in ihrem filmischen Werk mit unterschiedlichen Kulturtechniken und insbesondere mit dem Motiv Wasser auseinander.
(Altes) Fotomaterial, Masken, gesprochene Texte und Interviews sowie die Auseinandersetzung mit antiken Stätten sind Teile ihres Films und lassen für den Zuschauer eine Art fiktionaler Dokumentation entstehen. Grundlage dafür ist die Evolutionskritik der Journalistin Elaine Morgan. „Es geht dabei nicht um Wahrheit, wir sind schließlich keine Wissenschaftlerinnen, sondern um die verschiedenen möglichen Narrative“, erklärt Ockenfuß.
Identität und Herkunft
Die von den beiden Künstlerinnen erdachten Gestalten bringen mit ihrem Geflecht aus Erzähltem, geschichtlichen Exkursen und Bildern die heutigen, aber auch einstige Lebensbedingungen in Mexiko zur Sprache. Immer wieder hinterfragen sie gleichzeitig die erzählten und gezeigten Fakten. Besonders kritisch ist dabei der Blick auf den Umgang mit der lebenswichtigen Ressource Wasser. Im Kern geht es um eine Auseinandersetzung mit Identität und Herkunft. Zu Wort kommen im Film teils echte, reale Charaktere und die Künstlerinnen selbst, die sich mit selbst gefertigten Masken zu Protagonistinnen wie etwa der Wasseräffin machen.
Die Ausstellung, die sich über mehrere Räume des Museums ausdehnt und Filmisches wie auch Wandmaterial miteinbezieht, ist überaus komplex. Hinter nahezu jedem Bild, jedem Filmausschnitt, jeder Erklärung verbirgt sich mindestens eine weitere mögliche Sichtweise. „Wir wollen unsere Arbeit als Baukasten für einen aktiven Blick verstanden wissen“, sagt Cramer, die an den Kunstakademien in Münster und Düsseldorf studierte. Denn selbst für die beiden Künstlerinnen ist ihre Arbeit nicht fertig. Sie hinterfragen ihr Produkt im ständigen Austausch miteinander und verflechten Realität, Fiktion und Reflexion immer weiter zu einem Netz, in dem viel Platz für eine neue, ganz andere Sichtweise bleiben soll. Und schließlich steht ja auch noch der Museumsbesucher vor den Arbeiten und bringt seine ganz eigenen Erfahrungen mit und gibt den Bildern noch einen weiteren, ganz individuellen Blick auf die Dinge.
>>> Der Werner Deutsch Preis
Der Preis wird seit 2012 in Erinnerung an den Psychologen Prof. Dr. Werner Deutsch (1947 bis 2010) verliehen, einem wichtigen und engagierten Förderer des Klever Museums und der Kunstszene am Niederrhein. Er ist mit 3000 Euro Preisgeld dotiert.
„Grundidee“, erklärt Museumsleiter Harald Kunde, „war und ist es, jungen Künstlerinnen und Künstlern mit der Auszeichnung zu helfen und ihnen in der Kunstwelt Aufmerksamkeit zu verschaffen.“ Eine Ausstellung zur Präsentation des jeweils ausgezeichneten Werkes im Museum Kurhaus ist Teil des Preises.