Essen. Das Ruhrbistum setzt im Missbrauchs-Skandal auf eine enge Zusammenarbeit mit der Justiz. Doch viele der mutmaßlichen Täter sind bereits tot.

Die Akten über mögliche Missbrauchsfälle, die das Ruhrbistum jetzt der Essener Staatsanwaltschaft zur Verfügung stellt, werden womöglich zu keiner Verurteilung führen. Man müsse zwar davon ausgehen, dass es sich bei den 41 Beschuldigten tatsächlich um Täter handele, sagt Bistumssprecher Ulrich Lota, „aber bis auf drei sind alle von ihnen tot“.

Seit der Gründung des Bistums Essen 1958 soll es nach bisherigen Erkenntnissen 60 beschuldigte Geistliche gegeben haben: Nur 19 von ihnen wurden straf- und/oder kirchenrechtlich verurteilt. Das Bistum erhofft sich nun eine strafrechtliche Bewertung jener 41 Beschuldigten, die nie belangt wurden. Möglicherweise könne die Staatsanwaltschaft auch klären, inwieweit sich kirchliche Stellen damals der Vertuschung schuldig gemacht hätten.

„Wir ermitteln keine historischen Wahrheiten“

Oberstaatsanwältin Anette Milk dämpft allzu große Erwartungen: „Wenn die Beschuldigten verstorben sein sollten, können wir nichts mehr tun.“ Denn gegen Tote wird nicht ermittelt. Nach einem Gespräch mit dem Bistum habe man die Akten aber angefordert und werde sie prüfen. Gegebenenfalls müsse man sich Sterbeurkunden beschaffen, um zu klären, ob mögliche Missbrauchs-Täter noch leben. Dass sich die Ermittler damit befassen, ob die Kirche die teils Jahrzehnte zurückliegenden Fälle vertuscht habe, sei unwahrscheinlich: „Strafverfahren haben einen anderen Zweck als die Ermittlung historischer Wahrheiten.“

Milk weist zudem darauf hin, dass es – anders als oft angenommen – keine Pflicht eines Arbeitgebers gebe, jede Straftat anzuzeigen. Das gelte für Diebstahl wie für Missbrauch, obwohl letzterer großen seelischen Schaden anrichte: Moralisch sei ein Verschweigen hier anders zu bewerten, juristisch nicht. Belangen könne man jemanden, der lüge, um einen Straftäter zu decken und vor Strafe zu bewahren: Das könne als Strafvereitelung gelten. Die Prüfung der Akten werde nun Wochen in Anspruch nehmen, so Milk: „Dann wissen wir, wo wir einsteigen müssen.“

Bistum setzt auf gute Zusammenarbeit mit der Justiz

Dem Bistum geht es nach dem jahrelangen Leugnen von Missbrauchsfällen vor allem um Transparenz und die gute Zusammenarbeit mit der Justiz – auch wenn keine spektakulären Urteile zu erwarten sind. So sagt Sprecher Lota, einer der drei noch lebenden Täter sei hochbetagt und dement, ein anderer habe sich wohl nicht des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht, sondern körperliche Gewalt angewendet. „Der Dritte ist bereits in den 1960er Jahren aus den Diensten der Kirche ausgeschieden.“ Aufenthaltsort unbekannt.