Essen. . Die Anzeichen verdichten sich, dass es in Essen eine aktive Gruppe der Identitären Bewegung gibt. Diesmal gab’s Post von der Neuen Rechten.
Hausbewohner in Schönebeck wunderten sich dieser Tage über einen Handzettel in ihrem Briefkasten: Darauf abgebildet ist eine Demonstration ausnahmslos jungerer Leute und folgender Dreiklang: „Eine Generation. Ein Schicksal. Eine letzte Chance.“ Verfasser, auch das ist dem Flyer zu entnehmen, ist die „Identitäre Bewegung“. Wer damit nicht sofort etwas anfangen kann, bekommt beim Lesen des Kleingedruckten eine Ahnung: „Heimat, Freiheit, Tradition“, heißt es da. Das klingt unverfänglich. Der Text auf der Rückseite macht aber schnell klar, mit wem man es hier zu tun hat.
Historiker sieht „Schnittstelle zum Rechtsextremismus“
Darius Harwardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, sieht die Identitäre Bewegung „an der Schnittstelle zum Rechtsextremismus“.
In Essen hat die Identitäre Bewegung bereits von sich Reden gemacht. Ende April besetzten Aktivisten kurzzeitig die Löschzentrale von Facebook an der Paul-Klinger-Straße – aus Protest gegen „die Zäsur patriotischer Beiträge“, wie es in einer im Internet veröffentlichen Stellungnahme heißt. Im Juli deponierten „Identitäre“ auf dem Campus der Universität Duisburg-Essen gelbe Fässer mit Giftsymbolen, verteilten auf dem Boden eine grüne Flüssigkeit – und provozierten so einen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr. Diesmal richtete sich die Aktion gegen die „Vergifteten Dogmen der 1968er“.
Max Adelmann vom Bündnis „Essen stellt sich quer“ beobachtet die Rechte Szene. Im Ruhrgebiet sei eine „relativ kleine Gruppe“ von Identitären aktiv. Aufgefallen seien sie zum Beispiel an der Ruhruniversität in Bochum. Kein Zufall: Gerade im studentischen Milieu findet die nach eigenem Verständnis „patriotische Jugendbewegung“ offenbar Anklang. In Schönebeck waren es Anwohnern zufolge gepflegt aussehende, junge Männer, die da von Haus zu Haus gingen, und Flyer in die Briefkästen warfen. Für Max Adelmann verdichten sich die Anzeichen, dass es auch in Essen eine aktive Gruppe gibt.
Das Gedankengut erinnert an völkische Ideologie der Nationalsozialisten
Von den dumpfen Parolen rechtsradikaler Glatzen und Stiefelträger grenzen sich die Identitären nicht nur optisch ab. „Sie sagen nicht, dass ein Volk höherwertiger ist als ein anderes“, erläutert Historiker Darius Harwardt. Sie redeten nicht von Herrenrasse. Identitäre nutzten Begriffe wie Volksnation oder Kulturnation, um die eigene Nation von anderen abzugrenzen. „Sie vertreten die Auffassung ein Volk, ein Raum“, so Harwardt. Dies erinnert an die völkische Ideologie der Nationalsozialisten. Identitäre seien zudem Kapitalismus- und Globalisierungskritiker, was sie mit Linken eint. Die Finanzkrise ab 2007 dürfte dazu beigetragen haben, dass die Identitäre Bewegung von sich Reden macht. Die Flüchtlingskrise hat dies noch einmal beschleunigt. Die Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen empfinden Identitäre als Bedrohung der eigenen, europäischen Kultur. „Ihre Thesen sind wieder populär geworden, stellt Darius Harwardt fest. Nicht zuletzt dank einer „sehr professionellen Medienstrategie“.
Staatsschutz und Polizei haben die Bewegung „auf dem Schirm“, sagt ein Behördensprecher. Denn ganz so harmlos wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, sind die Identitären nicht.
<<<INFO: DIE GEISTIGEN VORDENKER
Die Identitäre Bewegung vertritt den so genannten Ethnopluralismus, erläutert der Essener Darius Harwardt, Historiker an der Universität Duisburg-Essen. Universalismus und Gleichheitsprinzip lehne sie ab.
Geistige Vordenker sind der dänische Kultursoziologe Henning Eichberg und der Begründer der französischen Neuen Rechten, Alain de Benoist.