Mülheim. . Mülheims OB Scholten kommt nun in Bedrängnis, weil seine Terminkalender wohl gelöscht sind. Dabei gibt es offenbar Aufbewahrungsfristen.

Nach der Vorlage des Berichtes zu seinen umstrittenen Spesenabrechnungen gerät Oberbürgermeister Ulrich Scholten weiter unter Druck. Seine schärfsten Widersacher, Stadtkämmerer Frank Mendack und der Ratspolitiker Jochen Hartmann (Fraktionsvorsitzender des Bürgerlichen Aufbruchs), bezichtigen Scholten jetzt der Lüge.

Bekanntlich hatte der OB am Mittwoch vor Medienvertretern seinen Bericht vorgelegt, mit dem er der Forderung des Stadtrates nachzukommen hatte, in 87 Fällen den entsprechenden Nachweis für den dienstlichen Anlass jener Bewirtungen zu erbringen. Dafür sollte Scholten entsprechende Daten aus seinem elektronischen Dienstkalender präsentieren.

Scholten: Habe nie was an Einstellungen geändert

Scholten gab nun am Mittwoch an, dass zwei Anläufe, ein Backup des in der Feuerwache archivierten Terminkalenders zu ziehen, zum Ergebnis gehabt hätten, dass für die Zeit vor dem 12. Januar 2018 kein einziger Kalendereintrag gespeichert sei. So präzisierte Scholten anhand seines aktuell aktiven Terminkalenders und „aus der Erinnerung heraus“ lediglich 37 der 87 Bewirtungen, die die Gutachter der Märkischen Revision als nicht ordnungsgemäß abgerechnet angesehen hatten. Scholten nannte, sofern ihm eine Zustimmung seiner Gäste vorlag, Namen der bewirteten Personen und den Anlass der Treffen.

Scholten gab sich am Mittwoch ahnungslos, warum die Backups keine Kalendereinträge mehr hergäben. Er selbst habe an den Grundeinstellungen des Programms zum Archivieren und Löschen nie etwas geändert. . .

IT-Chef: Löschfunktion nicht automatisch eingerichtet

Wird wohl kein Freund mehr des Oberbürgermeisters: Stadtkämmerer Frank Mendack versteht nicht, warum es keine Termindaten geben soll
Wird wohl kein Freund mehr des Oberbürgermeisters: Stadtkämmerer Frank Mendack versteht nicht, warum es keine Termindaten geben soll © Kerstin Bögeholz

Gegen diese Darstellung spricht eine Mail aus dem städtischen IT-Amt an den OB-Referenten Guido Brücker von Montagmittag. In dem Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt, weist der Leiter der städtischen IT darauf hin, dass laut Grundeinstellung „keine Mails, Termine oder Kontakte automatisch gelöscht oder in ein Archiv verschoben werden“. Kämmerer Mendack, gleichzeitig IT-Dezernent der Verwaltung, bestätigte auf Anfrage dieser Zeitung am Freitag, „dass die Löschfunktion zum Zeitpunkt, wo ein Profil erstellt wird, nicht eingeschaltet ist“. Folglich müssten, wenn nichts an den Grundeinstellungen geändert worden sei, sämtliche Termineinträge im Backup vorhanden sein.

So widersprechen sich die Aussagen von Scholten und der IT-Verwaltung. OB-Referent Brücker liest die Aussagen des IT-Experten anders, wie er am Freitag erläuterte: Archive seien „per Grundeinrichtung nicht vorgesehen. Insofern gibt es dann folgerichtig keine. Und damit keine archivierten Kalendereinträge.“

Hartmann (BAMH): „Beweiswert tendiert gen Null“

Jochen Hartmann (BAMH) verweist derweil auf die Aktenordnung der Stadt, die mit Rückgriff auf Empfehlungen der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) die Archivierung dienstlicher Unterlagen regelt. Beide Papiere liegen dieser Zeitung vor. Demnach sind Dienstkalender mit einer Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren belegt, „zum Beispiel als Arbeitsnachweis“, heißt es in der KGSt-Empfehlung, die allerdings auch auf ein nicht näher erläutertes „Problem bei digitalen Terminkalendern“ hinweist.

Hier ist offensichtlich noch Aufklärung nötig. Hartmann war der erste Stadtrat, der „eine erste vorläufige Bewertung“ zum OB-Bericht kundtat: „Der Beweiswert der erstellten Aufstellung tendiert gen Null“, sagte er. „Es bleiben zu viele schwarze Löcher.“

Grüne: OB soll zahlen und regieren

In einem Sommergespräch mit ­dieser Zeitung, das Anfang nächster Woche veröffentlicht wird, brachte Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert am Donnerstag seinen Wunsch zum Ausdruck, dass in der imageschädigenden Causa Scholten Ruhe einkehren möge. Wichtige stadtpolitische Themen sollten wieder in den Vordergrund rücken. ­Sollte die Staatsanwaltschaft in ihren Prüfungen keinen Anfangsverdacht der Untreue gegen Scholten sehen, so Giesbert, würde er sich wünschen, dass der OB bei unklarem dienstlichen Bezug ent­sprechende Rechnungen aus ­eigener Tasche begleicht. Dann solle es weitergehen. Mit Scholten als Verwaltungschef.

>> STAATSANWALTSCHAFT PRÜFT NOCH

Eine Anfrage bei der Duisburger Staatsanwaltschaft, die für ihre Prüfung zum möglichen Anfangsverdachts der Untreue gegen Scholten ebenfalls ein Backup des elektronischen Dienstkalenders angefordert hatte, blieb am Freitag ohne Antwort, weil der zuständige Staatsanwalt nicht mehr im Dienst war.

Die Behörde will bis Ende August zum Prüfergebnis kommen.