Essen. Prof. Dittmer erklärt, warum Minister Spahn beim Thema AstraZeneca komplett schief liegt und junge Frauen mit dem Impfen lieber warten sollten.

Die Infektionszahlen sinken weiterhin - bundesweit und in NRW, die Impfkampagne nimmt weiter Fahrt auf. Es gibt also viele Lichtblicke in der Pandemie derzeit. Im Video-Interview erklärt Prof. Ulf Dittmer, Leiter der Virologie am Uniklinikum in Essen, warum Gesundheitsminister Spahn gerade trotzdem sehr schief liegt.

Die Themen im Überblick:

  • "Keine gute Idee": Die von Spahn befürwortete Kürzung des zeitlichen Abstands zwischen erster und zweiter AstraZeneca-Impfung hält Dittmer für geradezu fahrlässig. Damit werde der Impfschutz deutlich verringert.

Angesicht der sinkenden Zahlen gab es zuletzt einige Kritik an den Wissenschaftlern. Der Vorwurf lautet: Die Forscher hätten im Verbund mit Politikern die Zahlen gezielt dramatisiert, um bestimmte Ziele zu erreichen. So sei ein sehr viel heftigerer Anstieg der Infektionen prognostiziert worden, als tatsächlich eingetreten ist. Es war viel von Triage die Rede – die nie angewendet werden musste.

  • Dittmer mahnt zu Vorsicht mit allzu schrillen Tönen - Warnrufe seien mitunter notwendig. Das dürfe allerdings nicht zu Lasten der Glaubwürdigkeit gehen.

Die EU hat 1,8 Milliarden zusätzliche Dosen Impfstoff bei Biotech bestellt: Ist das bereits mit Blick auf dritte und vierte Impfungen geschehen? Werden wir die definitiv brauchen?

  • Im Gespräch erläutert der Virologe den Stand der Forschung über die Frage: Wie lange hält der Impfschutz nach der zweiten Impfung? Und hält er bei allen Mutanten? Der Einkauf der EU hat in jedem Fall großes strategisches Gewicht in der Pandemiebekämpfung.

Derzeit wird viel diskutiert, wie nun jüngere Menschen in der Pandemiebekämpfung besser berücksichtigt werden könnten.

  • Dittmer stellt klar: Vor allem für jüngere Frauen sind die Vektor-Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson eigentlich keine Option - auch wenn sie nun für alle Altersgruppen freigestellt sind. Das Risiko eines schweren Infektionsverlaufs gering, das Risiko einer schweren Thrombose hoch. Es gibt allerdings wohl bald Alternativen.
  • Und man hätte AstraZeneca vornehmlich an Ältere verimpfen sollen - um die mRNA-Impfstoffe für die Jüngeren zurückzuhalten.

US-Präsident Biden hat gefordert, den Patentschutz für mRNA-Impfstoffe aufzuheben, um ärmeren Staaten leichteren Zugang zu Impfstoff zu verschaffen

  • Im Gespräch erklärt Dittmer, warum er das für Heuchelei hält - und wie das Problem gelöst und ärmeren Staaten viel besser geholfen werden kann. Das habe auch schon bei HIV funktioniert.

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