Düsseldorf. . In NRW werden immer mehr Misshandlungsvorwürfe in Flüchtlingsunterkünften laut. Auch in Essen und Bad Berleburg soll es Übergriffe gegeben haben. Der Skandal löste bundesweit Entsetzen aus. Das Landeskriminalamt soll Hunderte Flüchtlinge wegen möglichen Quälereien durch das Wachpersonal befragen.

Der Skandal um die Misshandlung von Asylbewerbern in Flüchtlingsunterkünften in Burbach und Essen weitet sich aus. In Burbach wird inzwischen gegen sechs Beschäftigte der privaten Sicherheitsfirma SKI ermittelt. Auch in der Flüchtlingsunterkunft in Bad Berleburg sollen zwei Sicherheitsleute einer anderen Privatfirma einen Bewohner gequält haben.

CDU-Landeschef Armin Laschet warf der Landesregierung eine Verletzung der Aufsichtspflicht vor. Innenminister Ralf Jäger (SPD) kündigte eine zügige Aufklärung der Übergriffe an. „Wer Menschen in Not bedroht oder schikaniert, muss hart bestraft werden.“ Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nannte es „beschämend“, dass offenbar nicht genug kontrolliert worden sei.
Zuständig für die zentralen Aufnahmeeinrichtungen in NRW ist die Bezirksregierung Arnsberg.

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In der Unterkunft im siegerländischen Burbach hatten Sicherheitsleute einen gefesselten 20-jährigen Asylbewerber offenbar schwer misshandelt. Der Vorfall wurde auf einem Handy festgehalten. Die Bezirksregierung in Arnsberg hat den privaten Sicherheitsdienst inzwischen gekündigt. Die Firma war als Subunternehmen für den privaten Betreiber der Unterkunft „European Homecare“ tätig. „European Homecare“ betreibt sechs der 14 Aufnahmeeinrichtungen in NRW – darunter Schöppingen, Burbach und Essen.

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Aufgrund der massiv gestiegenen Flüchtlingszahlen waren soziale Träger wie die Caritas in den letzten Wochen an Grenzen der Belastbarkeit gelangt, so dass das Land verstärkt auf private Anbieter zurückgegriffen hatte. Grünen-Innenexpertin Monika Düker kritisierte die oft mangelhafte personelle Ausstattung privater Flüchtlingsheime. „Es darf nicht sein, dass aus der Not ein Geschäft gemacht wird und Standards unterlaufen werden.“ Unterkünfte müssten schärfer kontrolliert werden und private Betreiber qualifiziertes Personal einsetzen.

„Es reicht nicht, jemanden für fünf Euro pro Stunde an eine Tür zu stellen“

Inzwischen wurde bekannt, dass zwei der sechs verdächtigen Wachleute in Burbach wegen Körperverletzung und Verstößen gegen das Betäubungsgesetz polizeilich bekannt waren. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, forderte strengere Auflagen für Sicherheitskräfte. „Es reicht eben nicht, jemanden für fünf Euro pro Stunde an eine Tür zu stellen, nur weil er Muskeln hat.“ Die massiv in die Kritik geratene Arnsberger Bezirksregierung hat zur Auflage gemacht, dass ab sofort nur noch geprüftes Sicherheitspersonal mit Führungszeugnis Flüchtlinge schützen darf. CDU-Landeschef Laschet sprach von einem „Skandal, dass Vorbestrafte für die Sicherheit von Flüchtlingen zuständig sind“.

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Die Essener Privatfirma „European Homecare“ betreibt seit 25 Jahren Unterkunftseinrichtungen für Flüchtlinge in Deutschland. Aus Sicht des grünen Landtagsabgeordneten Rolf Beu hat sich das Unternehmen disqualifiziert, weil Mitarbeiter im Verdacht stünden, Flüchtlinge gequält zu haben. Beu forderte die Kölner Regierungspräsidentin auf, „European Homecare“ nicht wie geplant für den Betrieb der neuen Unterkunft in Bonn-Bad Godesberg einzusetzen.

In den Einrichtungen fehlten offenbar Sozialpädagogen und Psychologen

Der Skandal um die Misshandlung von Flüchtlingen löste bundesweit Entsetzen aus. Das Landeskriminalamt soll Hunderte Flüchtlinge wegen möglichen Quälereien durch das Wachpersonal befragen. In der Essener Unterkunft waren drei Anzeigen wegen Körperverletzung eingegangen, weil Wachleute mit Asylbewerbern aneinander geraten waren.

"European Homecare" soll die vereinbarten Standards für den Betrieb von Flüchtlingsheimen nicht in vollem Umfang erfüllt haben, weil das Unternehmen auf den starken Anstieg der Flüchtlingszahlen nicht vorbereitet war. Offenbar fehlten in Einrichtungen auch Sozialpädagogen und Psychologen für die Betreuung der oft traumatisierten Flüchtlinge. Der Hagener Polizeipräsident Frank Richter hatte die Handy-Fotos von gequälten Flüchtlingen mit Bildern vergleichen, "die man sonst nur aus Guantanamo kennt". In Burbach hatte ein Wachmann einen mit Handschellen gefesselten Flüchtlingen mit dem Fuß im Nacken auf dem Boden "fixiert".