Essen. . Wärmebildkameras, Nachtsichtgeräte und Personal in Tarnkleidung: Die Deutsche Bahn rüstet im Kampf gegen Kabelklau auf. Der hiesige Absatzmarkt soll Kriminellen komplett dicht gemacht werden. Ganz im Sinne von Metallhändlern. Doch die ecken mit eigenen Maßnahmen beim NRW-Datenschutzbeauftragten an.

Er wirkt wie ein Musterkatalog für Baubedarf. Doch die Broschüre der Deutschen Bahn AG, die adressiert ist an die "sehr geehrten Metallhändler", listet Objekte auf, die nicht angekauft werden sollten: Zwei Dutzend Fotos zeigen typische Bauteile im Schienentrassenbau von "Kauschen und Kerbverbinder" bis "Fahrseil auf Kabeltrommel". Alles Objekte, die der Bahn all zu oft gestohlen werden und die Kriminelle zu Geld machen wollen. Metallhändler sind nur ein Teil des Konzeptes, mit dem sich die Bahn gegen Kabel- und Metallklau mittlerweile wehrt. Denn die Bahn rüstet auf.

Wärmebildkameras, Nachtsichtgeräte - und Tarnbekleidung: Die Bahn setzt inzwischen auch auf eigenes Wachpersonal, das mitunter in Diebstahl-trächtigen Streckenbereichen - getarnt etwa als Busch oder Strauch - auf der Lauer liegt. 3700 Sicherheitskräfte zählt die Bahn insgesamt in Deutschland, darunter sind auch spezielle "Einsatzgruppen" gegen Buntmetall-Klau. Dass die alleine in NRW 4700 Kilometer Streckennetz kaum lückenlos zu schützen sind, darüber macht man sich bei der DB keine Illusionen. Man könne aber "typische Hotspots" eingrenzen, sagt ein Sprecher, für die man Einsatzstrategien erarbeitet habe - im Übrigen mit Erfolg: 2013 seien 40 Prozent weniger Metalldiebstähle bei der Bahn registriert worden, als im Jahr zuvor.

Kabeldiebe schlagen häufig auf der Rheinschiene zu

In NRW zeigt sich zwischen Januar und Juni in diesem Jahr "ein stabiler Trend", sagt eine Bahnsprecherin in Düsseldorf. 2013 wurden 348 Kabeldiebstähle gezählt, im Jahr davor noch 650. Am häufigsten schlügen Kabeldiebe an der Rheinschiene zu, zwischen Düsseldorf und Köln und im Ruhrgebiet.

Dabei ist der Schaden durch Zugausfälle, Verspätungen und "betriebliche Unterbrechungen" stets größer als der Materialwert, heißt es bei der Bahn. Etwa 17 Millionen Euro waren es 2013. Den gleichen Wert gab die Bahn für das Jahr 2012 an. Abgesehen haben es Kriminelle vor allem auf alles mit Kupfer; der Weltmarktpreis pendelt derzeit bei 7000 US-Dollar je Tonne. Seit zwei Jahren schrecken Täter dabei auch vor Hochspannungsteilen nicht mehr zurück. Ein Sprecher der Bundespolizei in Dortmund erklärt: "Die Täter haben dazu eigene Werkzeuge entwickelt"; dass sich Kriminelle beim Werkeln an den 15.000 Volt führenden Leitungen verletzt hätten, ist der Bundespolizei in NRW bis dato nicht bekannt

"Den klassischen Einzeltäter mit Moped, Rucksack und Bolzenschneider gibt es kaum noch", sagt ein Bahnsprecher. Bei der Bundespolizei in Dortmund mag Sprecher Jürgen Karlisch das nicht so deutlich sagen: "Nach wie vor gibt es auch Gelegenheitsdiebe", die aus Drogensucht oder Geldmangel sich an Bahn-Eigentum vergreifen. Das Gros der Taten schreiben Bahn und Bundespolizei jedoch organisierten Banden zu.

"Künstliche DNA" schreckt Kriminelle offenbar ab

Die Bahn rühmt sich unterdessen der von ihr initiierten Sicherheitspartnerschaft "Sipam" mit Großunternehmen wie Telekom, RWE oder ThyssenKrupp und dem Verband Deutscher Metallhändler VDM. Der beklagt in seinen 230 organisierten Unternehmen, überwiegend Schrott-Großhändler in Deutschland und Österreich, monatliche Metalldiebstähle im Wert von jeweils einer halben Million Euro, sagt Hauptgeschäftsführer Ralf Schmitz.

Um Kabel vor Kriminellen zu schützen, setzen die Sipam-Unternehmen auf Technik. Die Bahn rüstet seit etwa vier Jahren Kabel mit "kDNA" aus - künstliche DNA. Das ist eine aufgesprühte Schutzschicht aus mikroskopisch kleinen Metallplättchen, die nur mit Hilfe von Schwarzlicht zu erkennen ist und Informationen zur Herkunft liefert. Außerdem bleibt sie für Wochen an Kleidung und Händen haften und hilft der Polizei dabei, Täter zu identifizieren.

Unterdessen hat die Deutsche Bahn das Ziel, "den inländischen Absatzmarkt für Kriminelle komplett dicht zu machen", erklärt ein Sprecher. Auch in Zusammenarbeit mit Bahn, Polizei und Metallhändlern in Polen treibe man das Ziel voran. Laut Bahn ist Polen ein beliebter Absatzmarkt für organisierte Kabeldiebesbanden, die meist auf einen Schlag Material im vierstelligen Kilobereich erbeuten. "Diese Mengen tauchen in Europa nicht auf", glaubt dagegen VDM-Chef Ralf Schmitz. "Das wird mit Sicherheit in Containern über die großen Seehäfen nach Asien verfrachtet", meint er. Kontrollen an den Häfen gebe es nicht.

Ärger mit der NRW-Datenschutzbehörde

Gleichwohl will der VDM auch seine Mitgliedsunternehmen in Schutz nehmen und vor weiteren Imageschäden schützen, da Metallhändler mit Kriminellen zu oft in einen Topf geworfen würden, beklagt Ralf Schmitz. Der Verband empfielt seinen Unternehmen deshalb, die Personalien von Metall-Verkäufern zu erfassen und auch den Personalausweis von Verkäufern zu kopieren.

In einer mit der Polizei in Brandenburg erarbeiten Infobroschüre - ebenfalls an Metallhändler gerichtet - hat der VDM unter anderem ein Formular für eine Lieferantenkartei entworfen. Doch das habe Ärger mit der NRW-Datenschutzbehörde (LDI) gebracht. Im LDI in Düsseldorf bestätigt man rechtliche Bedenken, die habe man in punkto Personalausweiskopie auch gegenüber der Praxis in Hotels. VDM-Chef Schmitz drängt deshalb auf eine Rechtsvorschrift - die es bis Ende der 1980er Jahre in Deutschland sogar schon mal gab. Im "Gesetz über den Handel mit unedlen Metallen" von 1926 war diese Ausweispflicht erstmals eingeführt worden - weil der Metalldiebstahl in der Weimarer Republik ziemlich florierte.