An Rhein und Ruhr. . Leiste ich mir ein teures Handy – oder lieber eine ordentliche Wurst auf dem Brot? Bürger sollten sich bewusst entscheiden, meint der Grünen-Politiker, der das nordrhein-westfälische Umweltministerium leitet. Unsere Redaktion hatte ihn zum Frühstück mit regionalen Lebensmitteln geladen.

Käse und Milch kommen von Kühen und Ziegen aus der Dingder Heide, Wurst und etwas Gemüse sind von einem Biohof in Dinslaken, der Saft kommt aus Hamminkeln und der Honig von einem Imker aus dem Duisburger Süden: Der Tisch ist gedeckt. Beim Frühstück in der NRZ-Redaktion sprach Landwirtschaftsminister Johannes Remmel (52, Grüne) über Perspektiven für die Bauern in Nordrhein-Westfalen, über regionale Vermarktung und den Wert guter Lebensmittel.

Herr Minister Remmel, Wurst und Käse kommen bei unserem Frühstück vom Niederrhein, die Brötchen sind aus einer Vollkornbäckerei in Essen. Lebensmittel aus der Region für die Region – ist das die Zukunft der Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen?

Remmel: Einzelnen Betrieben kann und will ich keine Ratschläge geben. Es gibt oft ökonomische Zwänge, Schulden noch aus der Vatergeneration, hohe Pachtpreise von 1600 Euro für den Hektar Land – da muss man als Bauer alles aus dem Boden rausholen, um wirtschaftlich zu überleben. Das führt zu immer größeren Betrieben, zu immer mehr Tieren. Nur, was ist, wenn wir immer mehr große Betriebe haben, was bedeutet das für die Landschaft?

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Da stellen sich viele Fragen, nicht nur mit Blick auf die Umwelt. Sorge bereitet mir, dass dieses Modell von Landwirtschaft überall auf der Welt kopierbar ist. Tiere, die keine Fläche mehr brauchen, in Ställen gemästet werden und Futter von wer-weiß-woher erhalten – das ist kein Modell, was ich mir für die Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen wünsche. Ich meine, dass wir alles tun müssen, um regionale Kreisläufe zu stärken. Zudem sollten die Betriebe viele Standbeine entwickeln, also etwa auch in Sachen Energie, Tourismus oder Eigenvermarktung unterwegs sein. Aber sie müssen nicht zwangsläufig einen eigenen Hofladen haben.

Regionale Kreisläufe stärken, wie kann das gelingen?

Remmel: Wir setzen uns dafür ein, dass es anerkannte Marken gibt. Es ist uns nach über zehn Jahren gelungen, dass der Westfälische Knochenschinken geschützt wird. Der deutsche „Schinkenkönig“ hatte sich lange mit juristischen Mitteln dagegen gewehrt. Zahlreiche andere Produkte sind mittlerweile unter Schutz, so auch der Walbecker Spargel. Wichtig ist, dass wir über Strukturen reden. Wie weit liegt die nächste Schlachterei eigentlich entfernt, wo ist der nächste Milchhof? Da ist in den letzten 15 Jahren eine Menge weggebrochen. Das kommt nicht von heute auf morgen wieder, das muss wachsen – über Premiumprodukte, also hohe Qualitätsansprüche, über Markenbildung. Es gibt gute Beispiele, wie so etwas gelingen kann – nehmen Sie die Kelterei Van Nahmen am Niederrhein, ein Vorzeigebetrieb. Und in Ostwestfalen haben wir derzeit ein Modellprojekt, bei dem wir Ökobauern und den großen Einzelhandel zusammenbringen.
Manchmal muss man aber auch ganz dicke Bretter bohren. Ein Beispiel aus meiner Region, dem Siegerland: Da gibt es eine Supermarktkette, die würde 1000 Bio-Rinder im Jahr zusätzlich vermarkten. Die Bauern könnten liefern. Der Kontrakt kommt aber nicht zustande, weil der Supermarkt nicht die Abnahme über mehrere Jahre garantiert. Diese Sicherheit aber benötigen die Bauern, wenn sie Strukturen aufbauen wollen.

Müssen eigentlich Bio-Lebensmittel so viel teurer sein als konventionell erzeugte?

Remmel: Ich glaube, die Frage ist doch eher: Wie viel sind wir eigentlich bereit, für gute Lebensmittel zu bezahlen? Vor dreißig Jahren hat man 20% des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben, heute hingegen sind es elf. Man sollte eine bewusste Entscheidung treffen: Leiste ich mir ein teures Handy -- oder eine ordentliche Wurst oder einen ordentlichen Käse auf dem Brot? Sicher, wenn man sich nicht vom allgemeinen Leben abkoppeln will, dann braucht man vielleicht ein Smartphone, vielleicht auch ein Auto. Aber man kann sich auch anders entscheiden. Es ist keine Zwangsläufigkeit, dass das Essen billig sein muss, damit ich überhaupt am Leben teilnehmen kann.

Ich sage das, weil meine Eltern selbst nicht viel Geld hatten. Aber meine Mutter, die kam vom Bauernhof, die hat darauf geachtet, dass etwas Gutes auf dem Tisch war. Die hat uns auch beigebracht zu unterscheiden, was schmeckt, was nicht und wo was herkommt.

Welche Rolle spielt Vertrauen beim Lebensmittelkauf?

Remmel: Es ist das Beste zu wissen, wo die Wurst herkommt, wie sie gemacht wird. Wir haben einen dermaßen engen Wettbewerb im Einzelhandel, 80% des Marktes werden von wenigen Ketten bestimmt – und die diktieren die Preise, die diktieren das System. Jeder Metzger, jeder Bäcker, der wegfällt, ist auch ein Verlust für unsere regionalen Kreisläufe. Wir versuchen da mit unserer Auszeichnung „Meister.Werk NRW“ gegenzusteuern. Betriebe werden ausgezeichnet, wenn sie ihre Waren aus der Region beziehen, ausbilden, regionale Spezialitäten anbieten und diese mit traditioneller Handwerkskunst herstellen. Regionale Produkte vom Bäcker oder Metzger vor Ort beschreiben oft auch ein Lebensgefühl und schaffen eine Verbindung zur Heimat.

Wenn Sie Zeit haben: Daheim im Siegerland, haben Sie da einen Landwirt ihres Vertrauens, bei dem Sie einkaufen?

Remmel: Wir kaufen wenn möglich im Bioladen ein. Es gibt aber auch einen Supermarkt, der hat eine regionale Ecke. Wir haben zudem ein, zwei Landwirte. Da gehe ich schon mal vorbei. Ich achte auf das saisonale Angebot, da gibt es immer etwas Neues. Von daher ist das Einkaufen dort auch eine spannende Geschichte.