Bad Münstereifel. . Handeln in historischer Kulisse: Bad Münstereifel hatte außer Heino und Idylle den Besuchern nicht viel zu bieten. Jetzt jedoch hat im denkmalgeschützen Innenstadtraum das zweite Factory Outlet Center NRWs eröffnet. Während die Duisburger Pläne auf Eis liegen.

Selbst der Wind steht richtig in diesem Moment; er kommt von Südwesten und treibt die vielen orangenen Ballons von der alten Glasbläserfabrik über die Altstadt und hoch in den Himmel – so hoch wie die Hoffnungen des kleinen Eifelstädtchens, das darauf setzt, mit dem zweiten Factory Outlet Center in Nordrhein-Westfalen den Niedergang der denkmalgeschützten Altstadt aufzuhalten.

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Bad Münstereifels Bürgermeister Alexander Büttner sagt’s auch noch einmal, bevor fünf lautstarke Böllerschüsse die Eröffnung verkünden: „Viele Kommunen haben strukturelle Probleme und Bad Münstereifel hatte diese auch: Früher kamen die Gäste für acht Tage, jetzt bleiben sie maximal zwei oder drei.“ Er ist überzeugt: Ideengeber und Investoren, die immerhin im Ort oder in der Umgebung zu Hause sind, werden dafür sorgen, dass zumindest die Zahl der Besucher steigt. Länger als einen Tag brauchen sie zum Shoppen nicht.

Zwei Drittel der Läden in historischen Häusern

Denn gigantisch groß ist das zweite Factory Outlet in Nordrhein-Westfalen nicht: Rund 40 Marken in gut 30 Shops, von denen acht direkt vor dem südlichen Stadttor neben der Glashütte in einem architektonisch angepassten Neubau untergebracht sind – dort findet sich immerhin ein rundes Drittel der insgesamt 10 000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Die anderen zwei Drittel sind dort, wo es historisch wird: Inmitten des einzigen vollständig erhaltenen Altstadtmauerrings in Nordrhein-Westfalen. Untergebracht in 20 Häusern, darunter Prachtstücke mit so schönen Namen wie „Windeckhaus“ oder „Französische Lilie“. Die, so betonen es Denkmalschutz und Investoren gleichermaßen, haben durch die Sanierung gewonnen – und sind der Pluspunkt.

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Auf der anderen Seite stehen die kompliziertere Parkplatzsituation, die knifflige Belieferung, fehlende Barrierefreiheit und alle jenen kleinen Hemmnisse einer gewachsenen Stadt. Die Shop-Mieter davon zu überzeugen, dass man Sonderverkäufe nicht immer in Standard-Ladenlokalen machen muss – das war wohl eine der Hauptschwierigkeiten der Projektmanager.

Auch jetzt, zum Start, gibt es noch Läden, an denen nur der Slogan „Chic-Charme-Shopping“ prangt – und letzteres noch nicht eingelöst wird. Immerhin: Die Fassaden sind schon mal saniert. Das ist ein optischer Fortschritt: Weil es kaum noch Unterstützung für die Besitzer privater Denkmäler gibt und in Bad Münstereifel viele Ladenlokale leer standen, verfiel die historische Substanz.

Für diesen Tag hat sich Bad Münstereifel herausgeputzt: 20 von 80 Läden gehören dem Outlet, in den übrigen Geschäften hoffen Alteingesessene auf eine Belebung, selbst im Bioladen loben die Kunden den schicken neuen Look im kleinen Städtchen.

Armin Wienker war auch da – heimlich, als Kunde unter Kunden, am ersten Tag in Bad Münstereifel. Wienker ist Center-Manager des FOC Ochtrups, bis gestern das einzige in NRW. Und er gratuliert etwa so herzlich zur Eröffnung wie Karl-Heinz Rummenigge den Dortmundern zum Supercup: Nein, das sei keine Konkurrenz, ein Mitbewerber mit einem - äh - einzigartigen Konzept. Aber ob das langfristig trägt, das müsse man sehen.

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Sein FOC geht mit rund zwei Millionen Besuchern ins zweite Jahr nach Wiedereröffnung – auch hier hat man schon auf historische Substanz geachtet: Immerhin ein Drittel der.17 000 Quadratmeter sind in alten Textilfabriken untergebracht, der Rest sieht nur so aus: ein böhmisches Dorf westfälischer Bauart, gewissermaßen.

In Ochtrup setzt man auf Kunden aus dem Revier – auch künftig. Wienker ist sicher: „Der Markt ist groß“. Und Münstereifel weit Und was ist mit Duisburg? „Planungen auf dem Reißbrett, wo nicht einmal ein Baubeginn absehbar ist.“ Denn ob das lange geplante „Duisburg Outlet Village“ im nördlichen Stadtteil Hamborn je gebaut wird, steht weiter in den Sternen. Bisher ist die Investorengruppe vor allem durch finanzschwaches Agieren aufgefallen.

In Duisburg rührt sich nichts, in Ochtrup sieht man den Neuling gelassen

Erst wurde die Grunderwerbssteuer nicht gezahlt, dann ein Grundstückskauf wieder aufgelöst, schließlich wurde der führende Projektentwickler per Haftbefehl gesucht, weil er die Vermögensverhältnisse nicht offen legen wollte. Nach wie vor stehen notwendige Gutachten aus, das Planverfahren liegt auf Eis.

Hinter den Kulissen wägt die Stadt derzeit ab, ob nicht ein Ausstieg aus dem Vertrag mit dem Investor sinnvoller ist. Allerdings sind andere Interessenten für ein FOC auf dem Areal der ehemaligen Rhein-Ruhr-Halle bisher nicht in Sicht. Dort sollen in der ersten Bauphase auf 19 000qm knapp 100 Geschäfte entstehen, später sollte das „größte FOC in NRW“ auf insgesamt 140 Shops mit 33 000qm Verkaufsfläche und 2500 Parkplätzen wachsen.

Damit wäre Duisburg ein Gigant unter den Outlet-Centern und in etwa einer Liga mit dem Outlet-Center in Roermond, das bei Aachen nur fünf Kilometer hinter der Grenze um die hiesigen Euros buhlt.

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Im FOC Neuzugang Bad Münstereifel hat sogar die bisherige Hauptattraktion des Ortes, Heino, seinen Frieden mit dem Outlet gemacht, obwohl er sein Café in Innenstadtlage zugunsten des Fabrikverkaufs räumen musste. Er lobt den Neuanfang und ist sicher: „Das wird was ganz Großes.“ Ein Gratiskonzert auf dem Klosterplatz mit dem Schlagerstar gibt es am Eröffnungsabend gleich noch dazu.

„Heino und Bad Münstereifel zeigen: Man kann sich im Alter neu erfinden“

Einer der Investoren sieht im schwarz gewandeten und mit Totenkopf-Signets versehenen 75-jährigen Ewigblonden dann auch Richtungsweisendes für das Projekt City-Outlet Bad Münstereifel: „Heino und Bad Münstereifel zeigen eben, dass man sich auch im hohen Alter noch einmal neu erfinden kann.“ Genau, Heino braut jetzt ja auch Energydrinks...

Die Historie des Wallfahrts- und Handwerkerstädtchens gibt es für die Schnäppchenjäger als Dreingabe: die idyllisch schlängelnde Erft zu Füßen, die Burg obendrüber – und auch den Regen, der ein Stündchen nach Eröffnung hilft, Leute in Läden zu treiben. Da sind die hochfliegenden Ballons lange außer Sicht. Aber die Regenschirme des Outlets leuchten auch orange. Aufs Grüne als Hoffnung hat man hier zu lange vergeblich gesetzt.