An Rhein und Ruhr. . In den kommenden Jahren ist eine Ruhestandswelle bei den niedergelassenen Ärzten zu erwarten. Knapp jeder vierte Haus- und Facharzt plant, bis 2020 seine Praxis aufzugeben. Laut Ärztemonitor 2014 haben 58 Prozent noch keinen Nachfolger.

„Ich kann das doch nicht machen, bis ich selbst senil werde“, sagt Hans-Jürgen Doerwald. Er ist der Dorf-Doktor in Emmerich-Elten ,und er ist 67 Jahre alt und noch immer der Arzt im Dorf, obwohl er eigentlich in Rente gehen könnte. Aber dann wäre niemand da, der sich um seine Eltener kümmert. „Ich kann hier nicht durchs Dorf gehen und dann sagen die Leute: Der Doktor hat uns im Stich gelassen“, sagt Doerwald. Also mahnt und warnt er, als Beisitzer in der Ärztekammer und Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung: Ein Drittel der 194 Hausärzte im Kreis Kleve sind über 60, fast die Hälfte über 50. Wenn es nicht gelingt, junge Mediziner für die Arbeit auf dem Lande zu interessieren, droht der Notstand. Nicht nur im Kreis Kleve, aber auch dort. Pauschal lässt sich sagen: Je ländlicher die Region, desto schwieriger ist es, junge Mediziner dazu zu gewinnen, aufs Land zu gehen.

Der Spezialist verdient mehr als der Allgemeinmediziner

Das hat mehrere Ursachen. Die erste: Allgemeinmedizin gilt als eher öde, Spezialisten, die Fachärzte, werden oft deutlich besser bezahlt, verdienen auch mit eigener Praxis mehr. Erst vor Kurzem haben die Universitäten überhaupt angefangen, Lehrstühle für Allgemeinmediziner einzurichten. Demnächst, so Doerwald, gibt es womöglich eine Schwemme an Neurochirurgen, aber zu wenig Hausärzte.

Die zweite Ursache: Während des Studiums haben die meisten Mediziner das Großstadtleben kennen und lieben gelernt – aufs Land zu ziehen, kommt für viele nicht in Frage. Weil Verkehrsanbindung, Kulturangebot und attraktive Schulen für die Kinder vermeintlich oder tatsächlich fehlen.

Auch interessant

Der dritte Grund: Heute geht nicht mehr der Herr Doktor aufs Land, gründet Familie und richtet sich die Praxis ein, heute sind schon fast zwei Drittel der Medizinstudierenden Frauen. Sie wollen in vielen Fällen gern Partnerschaft, Familie und Beruf unter einen Hut bringen – und nicht unbedingt als Landärztin und Praxisgründerin mehr oder weniger rund um die Uhr Ansprechpartner und Chefin sein.

Aus diesem Grund werden von Krankenkassen und Kliniken sogenannte Medizinische Versorgungszentren (MVZ) ins Auge gefasst, wo Ärzte als Angestellte geregeltere Arbeitszeiten haben. „Aber so ein Versorgungszentrum käme dann vermutlich nach Kleve, das ist gerade für die alten Menschen hier zu weit weg“, argumentiert Doerwald. Für ihn kommt ein Umzug nicht infrage: „Für viele Ärzte ist die eigene Praxis auch Teil der Altersvorsorge“, sagt er. Für seine Praxis eine Ablösung zu bekommen, das kann er mittlerweile vergessen.

Medizinisches Versorgungszentrum ist keine richtige Alternative

Würde er Angestellter eines MVZ, müsste er statt in seiner abbezahlten Praxis zu arbeiten, plötzlich sogar wieder Miete zahlen für Räume und Personal. Hinzu kommt: Der Doktor im Dorf, der eben nicht 18 Kilometer entfernt ist, ersetzt in vielen Fällen auch den Sozialarbeiter und die Nachrichtenbörse. Doerwald kennt seine Patienten seit mehr als 30 Jahren – und will sie in gute Hände abgeben.

Vor Kurzem hätte er beinahe jemanden gefunden, der seine Praxis übernehmen wollte, der Freude an der Aufgabe als Landarzt gefunden hätte in dem 4800-Einwohner-Dorf direkt an der Grenze. „Der kam aus dem Rhein-Main-Gebiet, seine Frau ist Anwältin in einer Sozietät, und die Großeltern waren dort in der Nähe...“, sagt Doerwald. Und auch noch einen guten Job für die Frau und eine passende Kinderbetreuung zu finden – dafür hatte nicht einmal Dr. Doerwald das richtige Rezept.