Essen/Paderborn. . Die Polizei Paderborn hat ein Mittel gefunden, das Aggressionen unter Fußball-Fans deutlich mindern soll. Es handelt sich um viereckige Kabinen ohne Fenster. Wer da an Gewahrsams-Zellen denkt, liegt falsch. Die Polizei setzt im Einsatz gegen Fan-Gewalt seit einigen Monaten auf Dixi-Klos.
Toiletten sind ein Alltagsgegenstand, über den man gewöhnlich nicht viele Worte verliert. Forscher widmen Toiletten dagegen sogar Doktorarbeiten. Und betrachten darin zum Beispiel, welche Rolle die Form unserer Bekleidung für den "Prozess der Ausscheidung" spielt. Der Zusammenhang von Toilettengängen und Aggressionsverhalten ist ein Thema, mit dem sich die Polizei in Paderborn derzeit beschäftigt. Nicht in einer Dissertation. Aber mit besonderem Blick auf Fußball-Fans.
Es geht um ein Einsatz-Konzept der Paderborner Kreispolizei. Bei bis dato vier Heimspielen des Fußball-Zweitligisten SC Paderborn hat man sich dabei auf den Harndrang von Fans konzentriert. Den Übergang vom Einsatzbereich der Bundes- zur Paderborner Polizei im Hauptbahnhof erkannte man seitdem bei bestimmten Spielen nicht nur an Metallgitterzäunen und Beamten in Kampfmontur, sondern auch am Spalier von zehn Dixi-Klos.
Pinkeln verboten - das macht Fans aggressiv
Die Erkenntnis dahinter: Pinkeln kann Aggressionen hemmen. Die Idee stammt von Andreas Krummrey. Als Leitender Polizeidirektor in Paderborn ist er auch für die Fußball-Einsätze der Polizei verantwortlich. In Krummreys Deeskalations-Strategie steht dabei nicht die Psyche der Fans im Fokus, sondern deren Blase.
Andreas Krummrey hat seine Erkenntnisse aus der "Praxis der Beobachtung" gewonnen: "Meist haben Fans auf ihrer Anreise keine Möglichkeit aufs Klo zu gehen", sagt der 60-Jährige. Im Zug seien die Toiletten abgesperrt oder rasch verdeckt. Am Zielort lässt die Polizei Fangruppen nicht auf die Bahnhofstoilette - "aus Sicherheitssgründen". Auch für Krummrey sei es da "kein Wunder gewesen", dass Fans sogar in die Shuttlebusse zum Stadion gepinkelt hätten. Zudem hätten sich durch die langen Polizeikontrollen am Bahnhof bei Fans Aggressionen aufgestaut, soweit, "dass auch Beamte attackiert und Absperrgitter niedergerissen wurden". Und nun?
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Polizei freut sich über "volksfestähnliche Stimmung"
Dank der Dixi-Klos herrscht in Paderborn vor Liga-Spielen bei Fußball-Fans mittlerweile eine "fast volksfestähnliche Stimmung", sagt Krummrey. Selbst das nach wie vor massive Polizeiaufgebot mit Fan-Einkesseln, Durchlasssperre und Personenkontrollen am Bahnhof würden Fußballbesucher mittlerweile entspannt über sich ergehen lassen: "Sie warten, aber haben keinen Druck mehr auf der Blase".
"Die Nichterfüllung primärer Bedürfnisse wie z.B. Harndrang verursacht massiven Stress". Diese Erkenntnis aus der Hunde-Forschung scheint auch ganz archaischen Bedürfnissen von Menschen zu entsprechen. Andreas Krummrey wundert sich darüber, dass sich das in der Liga offenbar noch nicht groß herumgesprochen hat: "Sonst hätte ich kürzlich nicht sogar Lob vom DFB für das Konzept bekommen", freut sich der Polizeidirektor. Andere Vereine, darunter etwa der in punkto Fan-Gewalt nicht unauffällige FC Union Berlin, interessierten sich für das Konzept. Und Fan-Beauftragte würden fragen, "warum man nicht schon eher auf diese Idee gekommen ist".
Kreispolizei wird die Klo-Kosten nicht mehr übernehmen
Für die Kreispolizei Paderborn hat der Dixi-Klo-Einsatz allerdings bald ein Ende. "Bis dato hat die Polizei die Kosten getragen" - jeweils 750 Euro, für Anlieferung und Leerung der jeweils zehn Dixi-Klos. Nur noch für die Begegnungen gegen Bielefeld am 16. Februar und gegen Dresden am 14. März seien Toiletten bestellt. Die Rechnung übernimmt dann der SC Paderborn. Wie es weitergeht sei offen.
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Für Krummrey sind die Dixi-Klos "ein Mosaiksteinchen, das hilft Rahmenbedingungen im Umgang mit Fußball-Fans zu verbessern". Gegen Hooligan-Gewalt könnte man mit dem Konzept freilich nichts ausrichten. Dass die Polizei am Bahnhof künftig weniger massiv auftritt, sei nicht zu erwarten, meint Krummrey. Ob die Bahn in ihren Sonderzügen etwas gegen Fan-Aggressionen tun kann, mag Krummrey nicht kommentieren. Gepflegte Züge könnten die Stimmung auf der Anreise verbessern, glaubt er. Doch "die Bahn wird für solche Touren keinen ICE bereit stellen".
Und wie steht es um weitere Mittel für entspanntere Fußball-Fans? Auf Gesundheitsportalen finden sich Anregungen: Der Verzehr von Kürbiskernen etwa soll Blase und Prostata stärken und kann Harndrang lindern. In punkto Fans vielleicht mal ein Thema für einen Versuch.