Mülheim/Ruhr. . Viele Menschen am Entenfangsee in Mülheim nutzen ihre Campingplatz-Parzelle zu jeder Jahreszeit. Sie lieben die Freiheit und die Ruhe, die sie hier haben. Manche wollen hier sogar alt werden. Nur ganz so günstig, wie man beim Stichwort „Camping“ denken könnte, ist es nicht.
Die Hecken sind akkurat gestutzt. Der Wind fegt braune Blätter über den Asphalt des Campingplatzes. Es ist Winter, keine Ferienzeit – und trotzdem sind auf den Parzellen die Flaggen gehisst: Borussia Dortmund, Schalke 04, MSV Duisburg. Wolfgang Schmidt putzt sein Auto, schrubbt das Lenkrad mit einem Schwamm.
Der Duisburger – 62 Jahre, Fleecepullover, grüne Gummischlappen – hebt kurz den Arm, um einen Nachbarn zu grüßen. „Hier ist man sein eigener Herr“, sagt er. Freiheit zählt viel für die Menschen am Entenfangsee in Mülheim an der Ruhr. Das sagen fast alle hier, wenn man fragt, was sie am Leben auf dem Campingplatz mögen.
In einem Vorgarten liegt Waschbeton, daneben eine Windmühle in Miniatur. Nahezu jeder Stellplatz ist für Dauercamper gedacht – und einige nutzen die Fläche bei jeder Jahreszeit. Die meisten Dauergäste – laut Definition Leute, die mindestens für ein halbes Jahr mieten – leben nicht im Zelt oder im Wohnmobil.
Der Campingplatz ist eher eine Gartenhaussiedlung. Viele Bewohner übernachten in kleinen Blockhütten oder Mobilheimen. Das sind Häuschen mit einer Rangierachse, die andeutet, dass sie im Prinzip – zumindest nach ein paar Umbauten – beweglich sind.
Seidenblumen hängen am Gartenhaus
In so einem Haus wohnen Christine und Fabian Pawlik. Sie haben eine Terrasse, Polster mit grau-weiß-orangefarbenen Streifen liegen auf Gartenstühlen. Die Hollywood-Schaukel ohne Auflage, am Gartenhaus hängen Seidenblumen in Apricot. „Man sieht sich gar nicht als Camper“, sagt Christine Pawlik. Auf den Treppenstufen zu ihrem Haus grüßt ein Keramikfrosch.
Vor vielen Jahren habe sie mit ihrem Mann Fabian einen Bekannten auf dem Campingplatz besucht. Da seien sie auf den Geschmack gekommen – und hätten auch gekauft. „Ich kann das nur empfehlen – wer Ruhe mag und möchte“, sagt die 64-Jährige. Ehemann Fabian Pawlik zündet sich eine Zigarette an. „Arbeit ist immer“, sagt der 74-Jährige.
Nach Angaben des Bundesverbands der Campingwirtschaft erfassen die Statistischen Landesämter in der Regel nicht die Zahl der Übernachtungen von Dauercampern. „Insofern können wir die Entwicklungen nur abschätzen“, berichtet Verbandspräsident Gunter Riechey.
Es sei davon auszugehen, dass sich Dauercamping in den meisten Bundesländern rückläufig entwickle. Das touristische Camping nehme dafür zu. Jüngere Camper suchen Flexibilität.
Eine Tasse Kaffee mit Blick auf die Vögel
Hannelore Künstner zählt zur älteren Generation. Sie wacht oft vor ihrem Mann auf. Bei einer Tasse Kaffee beobachtet sie dann die Vögel. „Sie müssen eine Beziehung zur Natur haben, das ist klar“, erzählt die 75-Jährige.
Auch interessant
Ein schmiedeeisernes Geländer und Steinstufen führen in ihr Blockhaus. Spitzengardinen am Küchenfenster. Holzvertäfelung im Wohnraum. Im Hintergrund tickt eine Pendeluhr, achteckige Rahmen mit Landschaften hängen an der Wand.
Einer ist zum Arbeiten hier: Dietmar Harsveldt. Seit 23 Jahren ist er im Geschäft, besitzt Campingplätze in Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Er erzählt von Infrastruktur: Wasser, Abwasser, Strom, Gas, Telefon - „ist ja immer alles vorhanden“, sagt der 54-Jährige. „Und dadurch ist auch die ganzjährige Nutzung möglich.“
Gesucht wird soziale Gemeinschaft
Nur ganz so günstig wie man beim Stichwort „Camping“ denken könnte, ist es nicht. Ein neues Blockhaus oder Mobilheim koste 50.000 bis 100.000 Euro – für 50 Quadratmeter Wohnfläche, sagt Harsveldt.
Dazu kommen mehrere tausend Euro Jahrespacht für eine Parzelle am Entenfang. Die Menschen suchen hier soziale Gemeinschaft, meint Harsveldt. „Nachbarn, Kommunikation, Hilfe, Sicherheit, Freiheit. Dann diese Ordnung, die auf so einem Platz herrscht.“
Und für manche ist es sogar ein Zuhause. Eine Frau erzählt, sie wohne seit 35 Jahren auf dem Campingplatz: „Ich habe es keinen Tag bereut.“ Rechtlich ist das schwierig. Campingplätze liegen laut Bebauungsplan auf Sondergebieten, die der Erholung dienen sollen. Wohnen ist nicht erlaubt.
Dauerhaftes Wohnen ist nicht erlaubt
Das Bauministerium hat etwa die Stadt Kamp-Lintfort aufgefordert, gegen dauerhaftes Wohnen auf dem Campingplatz Altfeld vorzugehen. Das ist einer von Harsveldts Plätzen. Der Platzbetreiber nennt in der Öffentlichkeit die Zahl von rund 30.000 Menschen, die in NRW auf Campingplätzen, in Kleingärten oder Wochenendanlagen leben. Auch viele Dauercamper vom Feriendomizil am Entenfangsee wollen auf dem Campingplatz alt werden.