Duisburg.. Peter Dieckmann, Revierpfleger des Afrikanums betreut die „Tierpfleger für einen halben Tag“, die regelmäßig dort ihren Freiwilligendienst tun. Diesmal ist es NRZ-Redakteur Jörg Bartel, dessen Eignungsvoraussetzungen stimmen: Sichtbar über 18 und halbwegs fit, Gummistiefel, robuste Kleidung. Los geht's.
Afrika ist kalt und riecht nach Bauernhof . Süß und ein bisschen angegoren und – . „Diesen Geruch werden Sie noch lange in den Klamotten haben“, sagt Herr Dieckmann. Peter Dieckmann liebt und atmet den Duft des Duisburger Zoos seit fast 40 Jahren und muss es als Revierpfleger des Afrikanums wissen. Beiläufig checkt er den „Tierpfleger für einen halben Tag“, der ich heute bin: sichtbar über 18 und halbwegs fit, Gummistiefel, robuste Kleidung, Formular mit Bestätigung der Krankenversicherung etc. unterschrieben. Herzlich willkommen, da vorne steht die Schaufel für die Nashornkacke!
Also doch ein Traumberuf
Anja Rettig hat mich zu ihm geführt: morgens um 8.15 Uhr vorbei an den Watussi-Rindern und den Handwerkern des Duisburger Zoos, die hier jeden Tag werkeln und reparieren, wenn noch kein Besucher in Sicht ist. Anja Rettig ist 39, hat als Tierpflegerin vor 23 Jahren ihren „Traumberuf“ gefunden, und sollte sie lieber mit Orang Utans zu tun haben als mit Hilfstierpflegern von der Presse, lässt sie es sich nicht anmerken. Warum ich das Afrikanum gewählt habe? Weiß ich auch nicht genau. „Alles außer Spinnen“, habe ich Frau Limpinsel von der Pressestelle gesagt Und mich dann fürs Afrikanum entschieden, obwohl die meisten Halbtags-Hobby-Pfleger die Menschenaffen im „Äquatorioum“, die Delfine im „Aquarium“ oder das Koala-Revier vorziehen. Afrikanum hörte sich irgendwie warm an und exotisch.
Jetzt stapfe ich in grünen Gummistiefeln an einem Watussi-Rind vorbei, das aussieht wie eine Kuh und an einem Pinselohrschwein, das aussieht wie Hans-Dietrich Genscher. Und die Zebras sehen aus wie Zebras. „Aber die können böse beißen!“ warnt mich gemütlich Peter Dieckmann und erzählt auch gleich, dass neulich ein Pfleger von einem mies gelaunten Zebra in den Hintern gebissen wurde. Aha. Das hier ist kein Streichelzoo, sondern brandgefährlich. Und Basis-Arbeit: Zebra- und Pinselohrschweinestall putzen, Nashorn-Box fegen und gründlich sauber spritzen, Erdmännchen füttern, ein paar Zentner frisches Obst und Gemüse für Afrika schnippeln. Wohlan!
Wenn sich die Sau 'ranwanzt
„Abstand halten“, sagt Herr Dieckmann, dies seien wilde Tiere, und Abstand halten sei generell das Wichtigste. Weiß ich ja, aber das Pinselohrschwein weiß das nicht. Nanuki, die 70-Kilo-Sau, will was von mir und wanzt sich so an mich ran, dass ich mit dem Besen nicht recht klarkomme. „Borsten auf den Boden“, sagt Herr Dieckmann milde. Er meint damit nicht das Schwein, er meint meinen Besen. Danke. „Wenn so eins aggressiv wird, haben Sie keine Chance“, warnt er mich und drückt mir ein Vitaminbonbon in die Hand. „Geben Sie ihr das. Sie mag das.“ Das Schwein zutzelt mir mein Bonbon sanft aus der leicht zittrigen Hand, schmatzt und strahlt mich an. Noch eins? Gerne! Ich beginne mich sauwohl zu fühlen und lasse den widerborstigen Besen tanzen. „Reinliche Tiere sind das“, lerne ich, die Pinselohrschweine koten nur an ganz bestimmten Stellen. Die entsprechend riechen. Was riecht, schippe ich, allmählich schwitzend, auf eine Mistkarre. Und ab dafür. Tschüss, Nanuki, du altes Ferkel!
Bei der Zebrastute Tika und ihrem Fohlen ist es schon sauber. schön sauber. Da war Frau Rettig am Werk, und die ist am Besen deutlich schneller als ich. Ob ich jetzt mal raus ins Außengehege...? Gerne, aber nur mit Revierpfleger Dieckmann. Der 55-Jährige ist der König vom Afrikanum, und er passt, bei aller Gelassenheit, die er ausstrahlt, auf wie ein Schießhund. Auf die Tiere, auf sich selbst und auch auf die Hobby-Pfleger. Die meisten Vierbeiner hören auf seinen Pfiff oder seine Schmeicheleien, und sie haben genauso viel Respekt vor ihm wie er vor ihnen. Neben ihm traue ich mich sogar, „Oma“ zu streicheln. Oma wird bald 50 und heißt eigentlich Nongoma; seit Halutis Einschläferung ist sie Witwe. Ach ja: und sie ist ein Nashorn.
Am allerbesten streichelt man Oma am Wulst über dem Auge. Wie sich das anfühlt? Als ob man ein Ledersofa streichelt, nur dass das Sofa 2,5 Tonnen wiegt, blinzelt und schnauft. Das bedeutet auf Nashörnisch: „Danke fürs Streicheln und dass Du meine Bude geschrubbt hast, Würmchen.“ Da nich für, Oma.
Erdmännchen sind niiiiiedlich - aber eben auch Raubtiere
Und apropos Würmchen: Als ich eine halbe Stunde später meine Hand in den Plastikeimer tauche, wird Duisburg zum Dschungelcamp: Da wimmeln ein paar Hundert lebendige Mehlwürmer und Zophobas, fette Schwarzkäferlarven. Igitt. Fühlt sich aber gar nicht eklig an, sondern kühl und trocken. Und wer Erdmännchen füttern will, muss da eben durch. Erdmännchenfüttern, ein Highlight! Diese superscheuen Pelzmännlein aus Südafrika hauen nicht ab, als wir sie in ihrem beheizten und gründlich unterhöhlten Gehege besuchen, sie wieseln heran und pflücken hastig die Würmer vom Lehmboden. Und zupfen diese monströse zappelnde Zophoba gaaaanz vorsichtig aus meinen Fingern. Unglaublich, aber wahr, weil sie von Peter Dieckmann alle von Hand großgezogen wurden und sich ihr Urvertrauen nun offenbar auf die ganze Menschheit erstreckt.
Also doch ein Streichelzoo? „Nein, das sind und bleiben Raubtiere“, klärt der Tierversteher. Ständig wachsam, ob nicht doch ein Duisburger Habicht von oben dräut. Dabei haben sie ihrerseits schon einem in ihrem Gehege notgelandeten Graureiher den Garaus gemacht, alle miteinander. Diese Knuddeltiere? Echt?!
Bitte lieber Mandarinen
Dem Peter Dieckmann glaube ich alles. Auch, dass er Betäubungsspritzen und allzu viel Zirkus im Zoo eigentlich nicht mag und alle Tiere liebt – „außer Fliegen und Mücken“. Er fand, dass ich mit der Nashornkacke ganz gut klargekommen bin und es schon blödere Halbtagstierpfleger gab als mich. Beim Äpfel-, Orangen- und Melonenschnippeln war ich aber wirklich gut. Und habe nebenbei gelernt, dass einige Tierpfleger mindestens so interessant sind wie Zebra, Pinselohr und Co. Die übrigens Futterrüben längst nicht so lecker finden wie süße Mandarinen. Wie andere Leute auch.
Meine Klamotten haben tatsächlich noch tagelang penetrant nach Afrikanum gerochen. Irgendwie nach Bauernhof – mit einem Hauch Nashorn.