Essen. Der März steuert auf einen Kälterekord zu: Im Schnitt liegt er 2,5 Grad unter den sonst üblichen Temperaturen. Das hat Folgen für die Wirtschaft: Gärtner müssen jeden Tag Blumen vernichten. Bei einigen ist sogar die Existenz bedroht. Und auch Spargel und Erdbeeren werden auf sich warten lassen.

Die Kälte hat Europa im Griff – und das wird sich in den nächsten Tagen wohl auch nicht ändern. In der Nacht zu Montag wurden im Sauerland bis zu minus 12 Grad gemessen, im Ruhrgebiet war es mit minus 4 Grad etwas wärmer.

Tagsüber liegen die Temperaturen zwar über dem Gefrierpunkt bei rund 5 Grad, doch durch den kalten Wind fühlt es sich etwa 10 Grad kälter an als der tatsächliche Messwert, sagt Jürgen Weiß von Meteomedia.

Und es bleibt kalt – mindestens bis zum Osterwochenende. „In der Nacht zu Karfreitag rechnen wir noch mal mit Schnee“, sagt Weiß. Tagsüber könne der wohl wieder schmelzen, so dass die Eiersuche nicht zwangsläufig in den Schnee verlegt werden muss. An Ostern selbst rechnet der Wetter-Experte eher nicht mit Schnee. „Es geht ganz vorsichtig nach oben“, so Weiß.

März könnte den Kälterekord von 2006 knacken

Das Wetter ist extrem und NRW steuert auf einen neuen Kälterekord zu. „Im Moment liegt NRW 2,5 Grad unter der Durchschnittstemperatur für den Monat März“, erklärt Weiß. Das sei in etwa mit dem bisherigen Rekordjahr 2006 vergleichbar. Doch seien solche Kältephasen ebenso üblich wie die dreitägige Wärmeperiode am Monatsbeginn, so der Meteorologe.

Die kälteste Nacht sei die von Samstag auf Sonntag gewesen mit minus 5 bis minus 10 Grad – im Sauerland bis minus 12 Grad. „Ungewöhnlich ist die lange Dauer dieser Kälteperiode“, sagt Weiß. „Schnee im Frühling ist normal.“ Im vergangenen Jahr sei es im März zu warm gewesen. Da war der Monat im Schnitt 3 Grad über dem Durchschnittswert anderer März-Monate.

Rund 50 Prozent der Blumen müssen wohl vernichtet werden 

Das kalte Wetter hält auch viele Menschen in NRW davon ab, den Garten zu bepflanzen. Das wiederum macht den Groß- und Einzelhändlern in der Gartenbranche schwer zu schaffen. „Das ist eine Katastrophe für die ganze Branche“, sagt Heiner Esser, Geschäftsführer des Landesverbandes Gartenbau Rheinland, zu dem unter anderem die Städte Essen, Duisburg und Oberhausen gehören. „Für manche Betriebe ist die Situation existenzgefährdend.“

Die Zeit rund um Ostern ist eine wichtige Phase für den Gartenbau. Beete auf dem Friedhof werden üblicherweise bepflanzt, der eigene Garten aufgehübscht. Dieses Jahr liegt Ostern sehr früh und deshalb, fürchtet Esser, werden die Frühlingsblüher vielleicht nicht mehr verkauft. „Die letzten Wochen ist der Absatz gleich Null“, sagt der Geschäftsführer.

Frühlingsblumen müssen täglich vernichtet werden

Wunderschön bunt, aber derzeit leider nicht so gefragt: Händler bleiben auf ihren Frühlingsblühern sitzen.
Wunderschön bunt, aber derzeit leider nicht so gefragt: Händler bleiben auf ihren Frühlingsblühern sitzen. © dpa

Frost über mehrere Wochen. Esser kann sich an keine vergleichbare Situation in den vergangenen Jahren erinnern. „Jeden Tag werden Frühlingsblumen vernichtet“, berichtet er von seinen Kontakten zu anderen Betrieben. Vor allem die Großhändler blieben auf der Ware sitzen. So berichtet Esser vom Gespräch mit einem Betrieb am Niederrhein, der von 100.000 Primeln erst 10.000 verkauft hat. Wenn er die anderen 90.000 in den kommenden zwei Wochen nicht an den Kunden bringt, müssten sie vernichtet werden.

Der Druck ist enorm. „Ich schätze, dass weit mehr als die Hälfte der Frühlingsblumen nicht vermarktet werden kann“, sagt Esser. „Manche Produzenten haben erst 10 Prozent der Ware abgesetzt.“ Ähnlich fällt die Einschätzung von Thorsten Ronsick aus, dem Kreisvorsitzenden beim Landesverband Gartenbau Ennepe-Ruhr. „Die Großhändler haben bisher teilweise noch nicht 5 Prozent ihres ursprünglichen März-Umsatzes“, schätzt er. „Die Kunden gehen einfach nicht in den Markt.“

Bedürfnis nach Farbe - aber Kälte schreckt vom Pflanzen ab

Zwar hätten die Menschen ein unglaubliches Bedürfnis nach Farbe, schätzt Ronsick, aber der kalte Wind und die eisigen Temperaturen hielten sie davon ab, im Garten oder auf dem Friedhof pflanzen zu wollen.

Da bleibt nur eines: Die Hoffnung auf bessere Zeiten, auf besseres Wetter – aber bitte nicht zu gutes. Denn dann würden die Kunden gleich die Sommerblumen kaufen und die Frühlingsblumen, die Stiefmütterchen, Primeln und Zwiebelpflanzen, müssten endgültig vernichtet werden.

Erdbeeren und Spargel kommen dieses Jahr später 

Dem Blumenabsatz schadet das nasse, kalte Wetter in diesem Winter. Vielen Bauern gefällt es: „Für die klassische Landwirtschaft hat das Wetter keine Folgen“, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Für die meisten Bauern sei wichtiger, dass der Boden nass ist und das ist er in diesem Winter.

„Es wäre schlimmer, wenn es den ganzen Winter 10 Grad warm wäre“, erklärt Rüb. Ein kalter Winter ist gut für die Landwirtschaft. Allerdings wird es schon auch einige negative Auswirkungen geben. Vor allem die Gemüsebauern seien unzufrieden. Salat und Blumenkohl könnten etwa noch nicht gepflanzt werden, da es sonst kaputt gehen würde.

Kein Spargel zu Ostern

Die Spargel- und Erdbeer-Saison wird dieses Jahr wegen des kalten Wetters später beginnen.
Die Spargel- und Erdbeer-Saison wird dieses Jahr wegen des kalten Wetters später beginnen. © dpa

Auch auf Spargel und Erdbeeren wird der Deutsche dieses Jahr wohl etwas warten müssen. Denn der Spargel fange erst an zu wachsen, wenn der Boden mindestens 10 Grad warm sei, Sonne muss dann die Folie aufwärmen. „Bis wir eine vernünftige Menge an Spargel ernten können, wird es dieses Jahr wohl Mitte April werden“, sagt Rüb. Das Ostergeschäft ist da schon vorbei.

Abzusehen sei auch schon, dass die Erdbeeren etwas später kommen. Entscheidend sei aber die Wetterentwicklung über das gesamte Jahr. Und da bleibt Rüb bisher optimistisch.

Die Arbeit auf Baustellen verzögert sich 

Bei Frost und Eis kann auf den Baustellen in NRW nur eingeschränkt gebaut werden. Bei den derzeitigen Temperaturen bleibt deshalb der eine oder andere Auftrag liegen, sagt Jürgen Michel vom Landesverband der Bauindustrie NRW. „Im Januar haben wir bei den geleisteten Arbeitsstunden einen Rückgang von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr“, sagt er. Im Tiefbau liege der Rückgang sogar bei 25 Prozent.

Jedoch sieht er darin bisher noch keine Gefahr für die Branche. Was jetzt nicht gemacht werden kann, würde einfach später nachgeholt. Im Bereich der Rhein-Schiene gebe es derzeit weniger Probleme mit gefrorenem Boden als in bergigen Gegenden wie dem Sauerland. Aber es stünden auch dort nicht alle Baustellen still.

„Die Firmen beklagen zwar das kalte Wetter, aber man wird versuchen, die Arbeit aufzuholen“, erklärt Michel. Drei Wochen sei es nun länger kalt als sonst, da müssten die Bauunternehmer nachher einiges nachholen. Dramatisch sei die Situation aber nicht, denn die Auftragslage habe sich positiv entwickelt. Sobald es wieder wärmer wird, geht es los.