Düsseldorf. Die Opelaner in Bochum sind besonders kämpferisch: Sie lehnen den Opel-Sanierungsplan ab, der in ihren Augen ein Abwicklungsplan ist. Doch der Schuss droht nach hinten loszugehen, wenn sich die Hoffnung auf weitere Zugeständnisse als Illusion entpuppt.

Nach der Ablehnung des Sanierungs-Tarifvertrags für das Opel-Werk in Bochum durch die Belegschaft erhöht das Management den Druck. In einem Gespräch mit dem Betriebsrat bekräftigte das Unternehmen am Freitag seine Absicht, die Autofertigung bis Ende 2014 in Bochum auslaufen zu lassen. Zudem soll noch in diesem Jahr die dritte Schicht in der Fahrzeugfertigung entfallen. Wie bereits 2011 vereinbart soll bis zum Jahresende auch die Getriebefertigung eingestellt werden.

Der Betriebsrat des Opel-Werks geht derweil davon aus, dass das Unternehmen sich noch zu Nachverhandlungen über den Tarifvertrag bereit erklärt. Die Landesregierung forderte Management, Gewerkschaft und Belegschaft zu weiteren Gesprächen auf.

Am Donnerstag hatte die Bochumer Opel-Belegschaft das ausgehandelte Sanierungsprogramm für den angeschlagenen Autobauer mit 76,1 Prozent abgelehnt. Damit folgten die Beschäftigten der Empfehlung des Betriebsrats. Der Plan sah vor, dass Bochum nach Auslaufen der Fahrzeugproduktion 2016 Autoteile zuliefern und Logistikstandort werden sollte. Damit sollten 1.200 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Im Falle einer Ablehnung hatte das Unternehmen angekündigt, die Fahrzeugproduktion bereits zwei Jahre früher einzustellen.

Opel-Sprecher: Keine neue Gespräche

Ein Unternehmenssprecher erklärte am Freitag, dass nach der Ablehnung des Tarifvertrags durch die Belegschaft keine neuen Gesprächen geplant seien. Es bleibe dabei, bereits Ende 2014 die Fahrzeugproduktion in Bochum zu beenden. Etwa 3.300 Opel-Mitarbeiter und mehr als 400 Mitarbeiter in einem als Joint Venture betriebenen Warenverteilzentrum sind damit von baldiger Arbeitslosigkeit bedroht.

Der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel erwartet, dass es trotz der Aussagen des Managements Nachverhandlungen zu dem Tarifvertrag gibt und die Fahrzeugproduktion bis Ende 2016 erhalten bleiben kann. Nach Ansicht des Bochumer Betriebsrats würde eine vorzeitige Verlegung der Produktion dem Unternehmen teuer zu stehen kommen. "Man kann nicht von heute auf morgen die Zafira-Produktion einfach in ein anderes Werk verlegen. Das würde sehr hohe Kosten für Opel verursachen", sagte Betriebsrat Carsten Adametz.

Landesregierung versucht zu vermitteln

Die Landesregierung rief Konzernführung und Gewerkschaft auf, den Gesprächsfaden jetzt nicht abreißen zu lassen. Zwar sei der Sanierungsplan nicht das Optimum gewesen, allerdings hätte er eine Perspektive "für einen längeren Zeitraum" gegeben, sagte Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD).

Einer Finanzspritze durch das Land erteilte der Minister eine Absage. "Es geht jetzt nicht darum, dass wir einen Batzen Geld auf den Tisch legen und die Entscheidung korrigieren können", sagte er. Derzeit befinde sich das Land in der Rolle des Vermittlers. Die Chance für eine Einigung bestehe weiterhin.

Die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) zeigte sich "sehr besorgt" über die aktuelle Situation. Für Bochum und die Region wäre der Verlust der Autoproduktion bereits im kommenden Jahr "ein schwerer Verlust". Sie könne "nur an die Vernunft aller Beteiligten appellieren und das Management auffordern, die Verhandlungen noch nicht für beendet zu erklären", sagte sie.

Möglicherweise geht der Schuss nach hinten los

Womöglich bereiten Einenkel und die Bochumer Opelaner dem Mutterkonzern Genereal Motors mit ihrer Entscheidung sogar unfreiwillig eine Riesenfreude: "Bei General Motors werden die Sektkorken knallen", sagt ein Insider. Denn jetzt könne das Management in Detroit vor seinen Aktionären endlich mal die Muskeln spielen lassen: "Sie können Entschlossenheit zeigen, und sie werden Bochum früher los."

In den USA sieht man es nicht so gerne, dass in Europa weiter Milliardenverluste aufgehäuft werden, während in der Heimat in der Insolvenz ganze Marken eingestampft, Werke geschlossen und Menschen entlassen wurden. Zuletzt hatte GM Opel so halbherzig saniert, dass die Pläne schon überholt waren, bevor sie komplett umgesetzt waren.

Einenkel hört die Absagen aus Rüsselsheim, aber er nimmt sie nicht für bare Münze. Er setzt auf weitere Gespräche mit dem neuen Opel-Chef Karl-Thomas Neumann. "Es muss weitere Gespräche geben. Dieser Vertrag ist nicht akzeptabel", sagt er am Freitag. Er kann sich nicht vorstellen, dass der Zafira für die letzten zwei Produktionsjahre in ein anderes Werk verlagert werden könnte. Denn das sei wirtschaftlich Unsinn.

Analyst Frank Schwope von der NordLB hat da seine Zweifel. In der Summe könne es für GM sogar billiger sein, weil das Werk früher schließt. Nach dem Sanierungsplan hätte Opel in Bochum bis Ende 2016 Autos gebaut, danach sollten die Einkommen über eine Transfergesellschaft noch zwei Jahre gesichert bleiben. Experte Stefan Bratzel von der FH Bergisch Gladbach rechnet vor: Eine Fabrikverlagerung weg von Bochum werde - je nach neuem Standort - zwischen 50 und 200 Millionen Euro kosten. Doch GM Europa habe seit 1999 runde 15 Milliarden Dollar Verlust erwirtschaftet. Vor diesem Hintergrund verlören die Zusatzkosten ihre abschreckende Wirkung. (dapd/dpa)