Essen. Streusalz lässt sich einfach lagern, einfach verteilen und es sorgt zuverlässig dafür, dass das Glatteis schmilzt. Doch Pflanzen und Tiere leiden darunter, deshalb verbieten die meisten Städten ihren Bürgern, Streusalz zu verwenden. Bei ihrem eigenen Winterdienst sind die Kommunen nicht so streng.
Kaum war der Sommer vorbei, gratulierten sich die Winterdienste der Kommunen selbst: Hunderte Tonnen Streusalz hätten sie eingelagert, teilten sie mit. Das Land NRW bunkerte eine "Rekordmenge" von 220.000 Tonnen. Das sei auf jeden Fall ausreichend, um über den Winter zu kommen, ohne dass die Vorräte ausgehen.
In der Jubelarie ging fast unter, dass der Einsatz von Streusalz sehr umstritten ist. Wegen der Belastung für Pflanzen und Tiere haben die meisten Städte ihren Bürgern das Streuen mit Salz sogar untersagt, nur in Ausnahmefällen ist es gestattet, etwa bei Eisregen oder an besonders gefährlichen Stellen wie Treppen oder Rampen. Wer seine Einfahrt mit Salz streut, ohne dass eine solche Ausnahme vorliegt, riskiert vielerorts ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro.
Salz schädigt Bodenstruktur und macht Tieren das Leben schwer
Trotzdem verkauft sich Streusalz gut. Nicht nur Baumärkte merken das, inzwischen gehört das Salz auch bei vielen Supermärkte zum Sortiment. Umweltschützer warnen allerdings ausdrücklich davor, es zu verwenden: Das Salz sickere in den Boden ein und schädige die Bodenstruktur und damit auch Bäume und Sträucher. Holger Sticht, stellvertretender Landesvorsitzender des BUND rät deshalb, auf Gehwegen, die an Bäumen oder Hecken liegen, auf den Einsatz von Salz zu verzichten. "Es gibt Pflanzenarten, die mit so viel Salz klarkommen", sagt der Umweltschützer, diese kämen aber nicht im Binnenland, sondern nur an der Küste vor.
Bäume und Sträucher sind nicht die einzigen, die unter Streusalz leiden. Das aggressive Salz setzt sich auch in den Pfoten von Hunden fest und greift die Haut an. Wenn die Tiere daran lecken, können sie zusätzlich Magenprobleme bekommen. Hundebesitzer sollten deshalb, so raten es Tierschützer, ihren Vierbeiner nach jedem Spaziergang die Pfoten reinigen.
Streusalz kann ins Trinkwasser gelangen
Wird im Winter viel gestreut, macht sich das Salz sogar im Trinkwasser bemerkbar. Im harten Winter 2009/2010 stellten die Wasserwerke Schwerte eine deutlich höhere Salzkonzentration im Wasser fest. Gefährlich für Menschen sei das aber nicht, erklären Experten. Die Salz-Konzentration im Mineralwassern oder beim Kochen sei deutlich höher.
Zudem greift das Salz die Lackierung an Autos an und führt langfristig auch zu Korrosion von Stahlbauwerken wie Brücken. Die Schäden entstehen dabei nicht an der Oberfläche, sondern im Innern, wo sie nur schwer entdeckt werden können.
Stadt | Salz für Bürger erlaubt? | Ausnahmen | Bußgeld | Nutzt die Stadt Salz? |
Bochum | nein | bei besonderen klimatischen Verhältnissen und an gefährlichen Stellen | bis 500 Euro | ja |
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Bottrop | nein | bei besonderen klimatischen Verhältnissen und an gefährlichen Stellen | 5-1000 Euro | ja |
Dortmund | bei besonderen klimatischen Verhältnissen und an gefährlichen Stellen | möglich, bislang aber nie verhängt | ja, wenn die Verkehrssicherheit es erfordert, sonst Granulat | |
Düsseldorf | nein | an besonders gefährlichen Stellen | bis zu 500 Euro | ja, auf Hauptstraßen |
Duisburg | nein | bei besonderen klimatischen Verhältnissen und an gefährlichen Stellen | k. A. | nein |
Essen | nein | bei besonderen klimatischen Verhältnissen und an gefährlichen Stellen | bis 500 Euro bei Fahrlässigkeit, bis 1000 Euro bei Vorsatz | ja, wenn die Verkehrssicherheit es erfordert |
Gelsenkirchen | nein | bei besonderen klimatischen Verhältnissen und an gefährlichen Stellen | 5-1000 Euro | ja |
Oberhausen | Die Stadt Oberhausen hat auf unsere Anfrage bislang nicht reagiert. | |||
Recklinghausen | nein | bei besonderen klimatischen Verhältnissen und an gefährlichen Stellen | 5-1000 Euro | ja |
Witten | nein | bei besonderen klimatischen Verhältnissen und an gefährlichen Stellen | ab 100 Euro | ja, bei maschineller Streuung, sonst Granulat |
Quelle: Angaben der Städte
Sollte der Verkauf von Streusalz verboten werden?
Wegen dieser bekannten Nachteile ziehen Umweltschützer sogar ein Verkaufsverbot für Streusalz in Erwägung. "Darüber kann man nachdenken", sagt BUND-Landesvize Sticht. Prinzipiell finde er aber, dass der Appell an die Eigenverantwortung der Menschen ausreichen müsse. "Schließlich schädigen sie mit dem Salz auch ihre eigenen Pflanzen."
Städte selbst streuen häufig mit Salz
Die Städte, die ihren Bürgern den Einsatz von Salz untersagen, setzen es häufig genug selbst ein. Bei "maschinellem Winterdienst" werde Salz gestreut, teilt die Stadt Witten mit. Die Fußkolonnen würden Sand verwenden. Auch die Stadt Recklinghausen verwendet meistens Salz, um die Straßen frei zu bekommen. Auf viel befahrenen Hauptstraßen sei mit alternativen Mitteln wenig zu machen, erklärt eine Sprecherin der Stadt.
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Denn ob Granulat, Sand oder Split - keine der Salz-Alternativen kann das, was Salz kann, nämlich das Eis tatsächlich zum Schmelzen bringen. Stattdessen sorgen sie dafür, dass Eis-Oberfläche nicht mehr ganz so rutschig ist. Deshalb stehen in den meisten Satzungen Ausnahmen vom Streusalz-Verbot: Bei Eisregen oder an steilen Treppen dürfen auch Bürger Salz streuen.
Nur Duisburg verzichtet auf Streusalz
Die Stadt Bochum rechtfertigt den Salzeinsatz auf Straßen mit dem Umweltschutz: Würde man Granulat verwenden, müsste man die gleichen Strecken häufiger abfahren. Das sei laut Studien des Umweltbundesamtes umweltschädlicher als Salz zu streuen.
Als einzige der befragten Städte erklärte Duisburg, dass die Wirtschaftsbetriebe ausschließlich Granulat, also kein Salz, zum Streuen verwenden würden.
Alternativen zum Streusalz machen mehr Arbeit
Denn die Alternativen machen auch mehr Arbeit: Während das Salz zusammen mit dem Tauwasser in der Kanalisation verschwindet, müssen Sand oder Granulat aufgekehrt werden, wenn Schnee und Eis verschwunden sind. Ein Arbeitsschritt, auf den Privatleute und Kommunen gern verzichten.
Und noch ein Grund für die Verwendung von Salz wird genannt: Es ist da und muss weg. Nach dem im vorletzten Winter vielerorts die Salzvorräte nicht ausreichten und die Kommunen deshalb für viel Geld nachbestellen mussten, füllten sie in der darauffolgenden Saison ihre Vorräte großzügig auf. Der letzte Winter war allerdings vergleichsweise mild, die angehäuften Salzvorräte wurden also nicht benötigt. Deshalb sind die Lager jetzt noch voll. "Das muss jetzt erstmal aufgebraucht werden", heißt es.
Schadenersatz, weil zu viel gestreut wurde
Dass zu viel Streuen nicht die Lösung ist, zeigt die Entscheidung eines Gerichts in Österreich: Dort wurde der von einer Gemeinde beauftragte Winterdienst zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt: Eine Frau war gestürzt, weil - wie ein Gutachten zeigte - zu viel Salz gestreut worden war.