Wuppertal. . Einen Tag nach dem tödlichen Überfall auf einen türkischen Juwelier in Wuppertal haben die mutmaßlichen Täter die Tat gestanden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Mord in Tateinheit mit Raub vor. Doch es gibt Zweifel, ob für die Täter tatsächlich der Raub im Vordergrund stand.
Die beiden Täter waren nicht maskiert und als die Angestellten in dem Juweliergeschäft sich ihnen zuwendeten, haben die Männer sofort auf sie geschossen: Einen Tag nach dem brutalen Raub auf ein türkisches Schmuckgeschäft in Wuppertal, bei dem eine 33-jährige Schmuckverkäuferin erschossen wurde, ist das Entsetzen vor Ort groß. Blumen und andere Trauerbekundungen lagen am Donnerstag vor dem Geschäft. Eine zweite Mitarbeiterin kämpft in einer Klinik weiterhin um ihr Leben. Sie war von drei Pistolen-Schüssen niedergestreckt worden. Ein Projektil traf die 25-Jährige in die Brust. Ärzte versetzten die junge Frau am Donnerstag in ein künstliches Koma.
Die mutmaßlichen Täter, ein 38-Jähriger und ein 22-Jähriger, wurden von der Polizei nach einer Verfolgungsjagd auf einer Bundesstraße in Elsdorf bei Grevenbroich gefasst, nach 85 Kilometern Flucht über die Autobahn 46. In den ersten Vernehmungen hatten die Männer, die aus Belgien angereist waren und aus Ex-Jugoslawien stammen, die Tat eingeräumt, sagt Heribert Kaune-Gebhardt, Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft. Bis jetzt gehe man davon aus, dass sie des Raubes wegen gehandelt hätten. Die Ermittlungen der Mordkommission wegen Mordes und Mordversuchs in Tateinheit mit Raub gingen allerdings „auch in andere Richtungen“.
Schon 592 Straftaten bei Juwelieren in diesem Jahr
Branchen-Kenner haben Zweifel bei den Hintergründen: „Die Art des Überfalls steht in keinem erklärbaren Zusammenhang zu der Art des Geschäfts“, ist etwa beim Bundesverband der Juweliere zu hören. Warum sollten Täter aus Belgien sich ausgerechnet diesen türkischen Juwelier in der Wuppertaler Innenstadt suchen, wo es Dutzende solche Geschäfte in jeder Großstadt gebe?, fragt auch Martin Winckel, Betreiber des „Juwelier-Warndienstes“ in Lünen. Allerdings beobachtet Winckel auch, dass Juweliere es mit zunehmend brutalen Tätern zu tun hätten.
Der laufenden Statistik des Warndienstes nach, war der Raub in Wuppertal Fall Nummer 592 in diesem Jahr, bei dem Juweliere durch Raub, Trickdiebstahl oder Einbruch geschädigt wurden. Laut Statistik des Warndienstes gibt es in Deutschland etwa 8000 Schmuckgeschäfte, davon in NRW etwa 2400. Das NRW-Landeskriminaltamt zählte im vergangenen Jahr in NRW 29 Raubüberfälle auf Juweliere, im Jahr davor waren es 27. Seit dem Fall in Wuppertal sind laut Warndienst bis Donnerstag-Nachmittag ein Schaufenstereinbruch im münsterländischen Isselburg, ein Trickdiebstahl im bayerischen Deggendorf, ein Einbruch in Ratingen und ein Raub in Ulm hinzugekommen.
Für die Versicherungsbranche sind der Schmuckhandel und das Pfandleihgeschäft die am höchsten durch Kriminalität gefährdeten Einzelhandelssparten. Gleichwohl sind Sicherheitsmaßnahmen in der Branche bis dato längst nicht flächendeckend auf hohem Niveau, sagt Martin Winckel. Mit Zugangsschleusen ließe sich schon sehr viel erreichen, meint Winckel, denn „Raub lässt sich als Kriminalitätsdelikt noch am besten vermeiden“. Moderne Doppeltüren würden mittlerweise sogar mit Metalldetektoren ausgerüstet. Ein Einwand dagegen kommt vom Bundesverband der Juweliere, wo Geschäftsführer Joachim Dünkelmann auf ein Dilemma der Branche hinweist: „Eine Trutzburg ist nicht verkaufsfördernd“.
"Täter können sich in Europa frei bewegen, die Polizei nicht"
Großes Lob erntet die NRW-Polizei, weil sie die Räuber wenige Stunden nach dem Überfall festnehmen konnte. Der Bundesverband der Juweliere beklagt allerdings auch, dass die Polizei bei den meist international agierenden Tätern noch zu oft das Nachsehen hätte: „Die Täter können sich in Europa frei bewegen, die Polizei nicht“. Bei der Gewerkschaft der Polizei in NRW mag Vorstandsmitglied Wolfgang Spies dies nicht so sehen. Mittlerweile dürfe die Polizei flüchtende Täter auch über die nächste Landesgrenze hinweg verfolgen: "Die 'Nach-Eile' bei frischer Tat ist kein Problem mehr“, sagt Spies mit Blick auf Abkommen von NRW mit Belgien und den Niederlanden. Es hapere allerdings noch „an einer schnellen und direkten Zusammenarbeit der Justizbehörden“.
In Wuppertal konzentrieren sich die Ermittler unterdessen weiter auf die Täter. Der 38-Jährige sei bereits wegen Raubes und Gewaltdelikten in Haft gewesen - und zwar in Wuppertal und „für mehrere Jahre“, sagt Staatsanwalt Kaune-Gebhardt. Bei der Tat sollen die beiden Männer erst auf die Mitarbeiterinnen geschossen haben, um sich dann Schmuck aus der Auslage des Geschäfts zu greifen. "Es war nur die Rede davon, irgendwo 'ne Beute zu machen", berichtet Kaune-Gebhardt aus den Vernehmungen. Das Geschäft sei "mehr oder weniger zufällig ausgewählt worden", hätten die mutmaßlichen Täter ausgesagt. Was gestohlen wurde, stand am Donnerstag aber noch nicht fest, sagte der Justiz-Sprecher: „Die Spurensicherung läuft noch“.