Köln. Microsoft, Nintendo und THQ: Diese drei Branchenriesen haben ihre Teilnahme an der diesjährigen Gamescom abgesagt. Der Veranstalter der Computerspiele-Messe gibt sich zwar zuversichtlich. Doch große Messen verlieren für viele IT-Unternehmen an Attraktivität. Analysten sehen die Gamescom in Gefahr.

Die Absagen prominenter Aussteller überschatten Computerspiele-Messe Gamescom in Köln (Start: 15. August). Während Sega sich nach anfänglichem Zögern doch für einen eigenen Stand entschieden hat, bleiben mit Microsoft, Nintendo und THQ gleich drei Branchengrößen der fünftägigen Schau am Rhein fern.

"Die Absagen sind ein herber Schlag für die noch sehr junge Messe", sagte Wafa Moussavi-Amin der Nachrichtenagentur dapd. Er ist Analyst und Deutschland-Geschäftsführer des IT-Marktforschers IDC. "Sollten die in den Medien verbreiteten Verluste der diesjährigen Gamescom annähernd stimmen, ist zu befürchten, dass die vierte Messe in Köln wohl die letzte sein könnte." Berichten zufolge ist die Messe mit 565.000 Euro im Minus.

Gamescom-Veranstalter geben sich zuversichtlich

Die Messe Köln selbst bestätigt diese Zahlen nicht und verbreitet stattdessen Zuversicht. "Trotz der schwierigen Marktsituation beweist die Gamescom Stabilität und Wachstum", teilte ein Unternehmenssprecher mit. Bei allen wichtigen Kennzahlen sei man im Plus, die Computerspiele-Messe übertreffe außerdem die Erwartungen mit positiven Deckungsbeiträgen.

Auch der mitveranstaltende Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) äußert sich optimistisch. "Wir haben 600 Aussteller, davon viele namhafte Unternehmen", sagte Geschäftsführer Maximilian Schenk im dapd-Interview. "Wenn jetzt andere Unternehmen in diesem Jahr nicht da sind, müssen wir dies akzeptieren, was wir aber auch gut verkraften."

Analyst Moussavi-Amin ist da skeptischer: "Insbesondere die Tatsache, dass Microsoft, Nintendo und THQ bedeutende Mitglieder im BIU sind, zeigt die Tragweite der Absagen."

IT-Unternehmen setzen auf kleine Spielemessen 

Große IT-Unternehmen verzichten immer häufiger auf Verbrauchermessen. Der Software- und Konsolenhersteller Microsoft hat nicht nur für Köln, sondern auch für die später im Jahr folgende Games Show in Tokio abgesagt - aus marketingstrategischen Gründen, wie es offiziell heißt.

"Konsumenten werden stattdessen im Rahmen kleinerer, lokaler Veranstaltungen die Möglichkeit haben, die neuesten Produkte selbst zu erleben", erklärte ein Sprecher. Auch Nintendo will sich nach eigenen Angaben auf kleinere Veranstaltungen konzentrieren, die "unseren Fans Gelegenheit bieten werden, die neuesten Titel auszuprobieren".

Vorbild Apple erreicht Kunden auf anderen Wegen

Als Vorbild der Strategie gilt Apple. Der amerikanische Konzern hält sich seit Jahren von Branchentreffen fern. "Apple erreicht mehr Menschen auf unterschiedlichen Wegen als je zuvor, Publikumsmessen nehmen dabei nur noch einen sehr kleinen Teil ein." So begründete das Unternehmen Ende 2008 seinen Schritt.

"Kleine und gezielte Veranstaltungen gehören schon seit längerem zum Marketingrepertoire der IT-Unternehmen. Diese rücken jetzt immer mehr in den Mittelpunkt, und das geht auf Kosten der großen Messen", erklärt Moussavi-Amin. Während auf Besuchermessen nur durch größere, lautere und schrillere Auftritte Aufmerksamkeit zu erreichen sei, stünden bei kleinen Veranstaltungen die Produkte im Mittelpunkt.

Nutzen von Messen wie der Gamescom steht in Frage

"Die Attraktivität einer Messe ist, je nachdem in welcher Rolle man ist, sehr unterschiedlich", bestätigt auch Marketingexperte Ingmar Geiger von der Freien Universität Berlin. Für eine kleine Firma, die neue Vertriebspartner suche oder sich einen Namen machen wolle, sei eine Messe eine gute Gelegenheit. "Ein großes Unternehmen wie Microsoft braucht das in der Regel nicht, es hat schon zahlreiche Kontakte und Vertriebspartner", sagt Geiger.

Die Messen stehen also vor einer großen Herausforderung, ihr Nutzen steht infrage. "Computer- und Spielemessen sind insofern noch zeitgemäß, als dass sie die Investition der Aussteller rechtfertigen. Der Mobile World Congress und die CES in Las Vegas, die eine immense Presse erzeugen, sind extrem werbewirksam für die vertretenen Aussteller", erklärt Moussavi-Amin. Darüber hinaus sieht der Branchenexperte aber kaum noch Mehrwert, zumindest nicht für die Großen der IT-Branche. (dapd)