Essen/Münster.. Betrunkene Radfahrer bringen sich und andere in Gefahr. Jetzt greift die Stadt Münster durch. Sie droht mit Bußgeldern und Fahrverboten - die nicht nur fürs Autofahren gelten sollen, sondern auch fürs Radfahren.

In Münster ist die Mountainbike-Patrouille der Polizei gut gerüstet. Sechs Beamte – vier Männer, zwei Frauen – haben Alcotest-Geräte dabei. Das lohnt sich. Im letzten Jahr erwischten die Fahrrad-Fahnder der westfälischen Universitätsstadt 135 Radfahrer, die mit mehr als 1,6 Promille im Sattel saßen - und damit reichlich alkoholisiert unterwegs waren.

Münster nennt sich gerne „Deutschlands Fahrradhauptstadt“. Doch jetzt ist man es selbst hier leid, dass sich viele „hackevoll“ durch die Straßen schlängeln. Fünf der acht Radler, die 2011 im Verkehr umkamen, waren alkoholisiert. Das Ordnungsamt will künftig den Paragrafen 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung so auslegen, dass es betrunkenen Radfahrern Langzeit-Fahrverbote erteilen kann. Nicht am Steuer. Am Lenker.

Eine Premiere. Das erste Verbot ist per Post unterwegs: An einen Mann, dem schon der (Auto-)Führerschein entzogen wurde und der zuletzt mit 2,12 Promille daherradelte. „Ein paar Dutzend“ dieser Knöllchen werde es pro Jahr wohl geben, heißt es im Rathaus in Münster. Wer das Verbot missachtet und angehalten wird, ist mit mindestens 500 Euro Bußgeld dabei.

Bei jedem vierten Rad-Unfall ist Alkohol im Spiel

„Gut so“, sagt Frank Richter, der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GDP) in NRW. „Alkoholisierte Radfahrer sind nicht nur ein Problem in Münster. Sie sind es auch im Ruhrgebiet.“ Richters Kollege Michael Mertens weiß: „Bei jedem vierten Unfall, der von Radfahrern verursacht wird, ist der Radler berauscht.“

Noch ist das Fahrradfahr-Verbot in Münster ein Einzelfall. Städte im Revier halten sich zurück. Zum „fließenden Verkehr“ gehöre das Radfahren, sagt das Ordnungsamt Duisburg – und damit ist die Verfolgung alkoholisierter Radfahrer Sache der Polizei.

Dennoch: Bundesweit ist der Trend erkennbar, die 29 Millionen Radfahrer stärker für Verkehrssünden zur Verantwortung zu ziehen – und die erstrecken sich auch aufs Rotlicht-Überfahren und das Missachten von Einbahnstraßen. Die Bundesregierung bastelt am Konzept: Die Bundesanstalt für Straßenwesen wird Klinik-Akten verunglückter Radfahrer auswerten, um Lehren zu ziehen. Helmpflicht ist im Gespräch. Auch der Bußgeld-Katalog soll verschärft werden. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) begründet das: 40.626 Verkehrsverstöße von Radfahrern gab es 2011. 2009 waren es erst knapp 38 000. Er zitiert zudem ein Untersuchungsergebnis der Bundesanstalt für Straßenwesen: Dass Radler „ein ausgeprägtes Bewusstsein für Regelübertritte“ hätten.

"Radfahrer sind nicht nur Gutmenschen"

So sieht es Bettina Cibulski vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) natürlich nicht. „Parallel zu den Unfallzahlen und Verstößen steigt ja die Zahl der Fahrradfahrer kräftig an“, sagt sie. In Münster werden schon 37 Prozent der Wege so zurückgelegt. In den Revierstädten, Köln und Berlin liege dies auch im zweistelligen Bereich. Doch rät auch der ADFC: „Mit Alkohol lieber Taxi, Bus oder Bahn nehmen. Oder laufen“.

Radfahrer seien eben „nicht nur Gutmenschen, sondern auch mal Verkehrsrowdies“, sagt GdP-Chef Richter. Aber seine Gewerkschaft ergänzt die Forderung nach der strengeren Promillegrenze für Radler längst mit einem Appell an die Adresse der Bundesregierung, den auch der ADFC teilt: Mehr und bessere Radwege zu bauen.

In der Fahrradstadt Münster, wo sie die Räder „Leeze“ nennen, stellt sich die Mountainbike-Streife ohnehin jeder Herausforderung: „Flüchtige werden gestellt. Egal ob Fußgänger, Auto- oder Radfahrer.“