An Rhein und Ruhr. Das schöne Wetter führt in vielen Städten zu einem hohen Besucheraufkommen. Experten warnen, im Freien unvorsichtig mit dem Virus umzugehen.

Milde Luft, frühlingshafte Temperaturen und kaum Wolken am Himmel - die ersten sonnig warmen Tage haben die Menschen an Rhein und Ruhr ins Freie gelockt. Gerade am vergangenen Wochenende schien bei vielen der Wunsch nach einem Ausbruch aus dem Corona-Lockdown groß. Viel los war in Duisburg vor allem an der Regattabahn, der Sechs-Seen-Platte und vor Eisdielen. Wie eine Stadtsprecherin aus Essen mitteilt, seien auch die Wege rund um den Baldeneysee von vielen Menschen zum Spazieren genutzt worden. Im Kamp-Lintforter Zechenpark war vor allem der Spielplatz ein Anziehungspunkt für Familien mit Kindern.

"Völlig klar, dass die Menschen das anhaltende Frühlingswetter draußen auskosten wollen. Gerade in Pandemie-Zeiten tun Sonne und Bewegung an der frischen Luft Geist und Seele gut", sagt Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages NRW. Aber auch im Freien blieben die Abstandsregeln und die Hygienemaßnahmen weiter wichtig, um Corona-Infektionen zu vermeiden. "Wir sehen aktuell, dass die Infektionszahlen wieder steigen und müssen sehr vorsichtig sein. Wenn wir leichtsinnig werden, verspielen wir die Erfolge der vergangenen Wochen", meint Dedy mit Blick auf das vergangene Wochenende in vielen NRW-Städten.

Nach einem hohen Besucheraufkommen in der Düsseldorfer Altstadt beispielsweise registrierte das Ordnungsamt der Stadt über 300 Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung. Für das kommende Wochenende plant die Landeshauptstadt deshalb deutliche Einschränkungen. Im Geltungsbereich der Maskenpflicht soll es ein sogenanntes Verweilverbot geben, wie die Stadt mitteilt. Die Maskenpflicht in der Altstadt soll ausgeweitet werden.

Verschärfte Maßnahmen sind sinnvoll

"Das halte ich für absolut sinnvoll", sagt Ingo Drexler, Leiter "Molekulare Virologie" am Universitätsklinikum in Düsseldorf. Er beschreibt das Verhalten der Menschen am vergangenen Wochenende in vielen Städten als "unverantwortlich" und als "mutwilliges Ausblenden von Fakten".

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Im Gegensatz zu Dr. Thomas Voshaar, der im Live-Interview mit der NRZ am vergangenen Montagabend sagte: "Draußen, das betone ich bereits seit März letzten Jahres, gibt es eigentlich keine Ansteckung, es sei denn, man ist Nase an Nase oder unter einem Vordach wie bei einem Restaurant oder Café", meint Drexler: "Man kann nicht pauschal sagen, dass eine Ansteckung im Freien unmöglich ist." Klar sei, dass das Ansteckungsrisiko "rapide sinkt", jedoch sei auch im Freien der Abstand zu anderen entscheidend. "Tröpfchen fliegen durch die Landschaft, zwar nicht so gerichtet wie in einem geschlossenen Raum, aber auch im Freien kommt es dann auf den Abstand zueinander an", sagt der Virologe. Halte man sich nicht an die geltenden Abstandsregeln, könne auch der Schutz durch die Maske seine Funktion verlieren. "Wenn man sich selbst schon nicht schützen will, dann aber bitte seine Mitbürger", appelliert Drexler.

AHA-Regeln müssen eingehalten werden

Für die ohnehin schon angeschlagene Gastrobranche bedeuten die Einschränkungen in der Düsseldorfer Altstadt einen weiteren Einschnitt. Die Befürchtung, dass das To-Go-Geschäft am Düsseldorfer Rheinufer durch weniger Spaziergänger leiden wird, sind groß: "Wir brauchen auf der einen Seite niedrige Inzidenzen, um überhaupt eine Öffnungsperspektive für die gesamte Branche zu schaffen. Dafür ist es sehr wichtig, dass wir uns alle an die AHA-Regeln halten. Gleichzeitig brauchen wir aber auch Maßnahmen, die das sowieso schon notdürftige Gastronomiegeschäft nicht noch mehr einschränken", sagt Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband in NRW.

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Wo es an den kommenden Wochenenden nötig ist, werden die Städte und auch die Polizei vermehrt kontrollieren. "Das bedeutet für die Kolleginnen und Kollegen: Sonderschichten und verlängerte Dienstzeiten", beschreibt Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei NRW den Mehraufwand für die Streifenpolizisten. Klar sei aber, dass nicht an jeder Ecke Mitarbeiter der Städte und der Polizei stehen können. "Wir werden gezielt an den beliebten Plätzen stehen und die uns bekannten Hotspots abgehen", erklärt Mertens.

Eindämmung der Pandemie ist oberste Priorität

Gerade bei schönem Wetter falle es den Menschen noch schwerer sich an die Pandemieregeln zu halten, weiß Mertens aus Erfahrungen der vergangenen Woche zu berichten. "Dort, wo es nicht mehr kontrollierbar ist, weil das Besucheraufkommen viel zu groß ist, muss man dann aber auch vielleicht an ein Aufenthaltsverbot nachdenken", sagt der GdP-Landesvorsitzende. Dabei stellt er klar: "Es geht uns nicht darum, die Freude am Leben zu verderben. Wir sind alle froh, dass der Frühling nun da ist. Wir müssen aber auch dran denken, dass unsere oberste Priorität momentan die Eindämmung der Corona-Pandemie ist."