An Rhein und Ruhr. Durch Schließung der Hundeschulen bleibt die professionelle Erziehung von Welpen aus. Hundetrainer: „Probleme sind vorprogrammiert“.

Lisa Sommer hält den kleinen Kuschelhasen in der Hand. „Das ist eines von Willis Lieblingskuscheltieren“, sagt sie. Der vier Monate alte Berner Sennen-Labrador-Mischling schaut sein Frauchen aus den dunklen Knopfaugen spielbereit an. Er nimmt Anlauf, springt auf ihren Schoß aber anstatt in den kleinen Kuschelhasen zwickt er in die Hand seiner Besitzerin. „Unsere Hände sind total zerkratzt, weil er mit seinen kleinen spitzen Milchzähnen oft in unsere Hände beißt. Egal was wir tun, das bekommen wir auch nicht aus ihm raus“, sagt Sommer. Eigentlich wollten sie und ihr Verlobter, Jan Holsteg, mit dem kleinen Willi seit Dezember die Welpenschule besuchen. Doch die ist zu – Corona macht auch der Hundeerziehung einen Strich durch die Rechnung.

Welpenschule fehlt

Seit Ende November vergangenen Jahres lebt Willi nun schon bei Sommer und Holsteg in Hamminkeln. „Auch wenn wir beide viel Zeit für den Hund haben, fehlt die Welpenschule sehr. Denn erst dort lernen die jungen Hunde, wo Grenzen sind, wenn sie beispielsweise zu fest zubeißen beim Spielen mit uns und anderen Hunden. Das können wir ihm nicht beibringen“, sagt Holsteg.

Das Problem der fehlenden Sozialisierung und Erziehung der Welpen kritisiert auch Ullrich Schröder von der gleichnamigen Hundeschule in Essen. „Hunde durchlaufen die Phasen des Erwachsenwerdens viel schneller als wir Menschen. Die Prägephase zwischen der 10. und 20. Woche lässt sich leider nie wieder aufholen. Probleme sind vorprogrammiert und schlagen sich dann beispielsweise in Beißvorfälle wider“, sagt der Hundetrainer. Sei ein Hund nach so einem Vorfall einmal vom Amtstierarzt als gefährdet eingestuft, werde er das Image als gefährlicher Hund nie wieder los. „Hunde müssen im Training sein, benötigen professionelle Korrekturen ihres auffälligen Verhaltens, damit es nicht zu Vorfällen kommt. Aber dennoch müssen wir unsere Hundeschule wegen Corona schließen, obwohl wir eine Platzanlage haben, größer als ein Fußballfeld, mit getrennten Ein- und Ausgängen“, kritisiert Schröder.

Hundeschulen stehen vor finanziellem Aus

Gleiches berichtet auch Tierpsychologin Beata Schubert von der Hundeschule Rheinberg und Issum. Sie trainiert die Vierbeiner auf einer Fläche von 17000 Quadratmetern. „Wir könnten den Abstand halten. Ich verstehe nicht, weshalb wir nicht aufhaben dürfen“, sagt sie. Viele ihrer Kollegen seien verzweifelt und wüssten nicht wie es finanziell weitergehen soll. „Um unsere Hundeschule mache ich mir noch keine Sorgen aber viele Kollegen spiegeln mir auch wider, dass sie bald nicht mehr wissen wie sie ihre Pacht bezahlen sollen“, weiß Schubert.

Laut Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts falle der Betrieb einer Hundeschule aber unter den Begriff des außerschulischen Bildungsangebotes. Es handele sich um Wissensvermittlung gegenüber Hundehaltern. Zwar gehe es bei den Welpenkursen auch um die Sozialisierung mit den Artgenossen und das Erlernen spezieller Verhaltensweisen, aber eben auch um den Umgang der Halter mit dem Tier, heißt es in einer Meldung der deutschen Presseagentur.

Nachfrage nach Welpen groß

Dabei steigt gerade jetzt der Bedarf an einem Platz in einer Welpen- und Hundeschule, denn die Nachfrage nach Hundewelpen „ist sehr groß“, wie Moerserin Dagmar Birnbaum, Züchterin von Golden Retrievern, berichtet. Sie warte momentan darauf, dass ihre Hündin wieder läufig wird. Probleme, die Welpen nach der Geburt zu vermitteln, habe sie keine – eher im Gegenteil: „Ich habe fünf bis sieben Anfragen pro Tag“, sagt Birnbaum, die seit 1993 Golden Retriever züchtet.

Auch im Zoofachgeschäft Zoo Zajac in Duisburg waren Anfang des Jahres alle Welpen ausverkauft (wir berichteten). Mittlerweile können dort aber wieder Welpen erworben werden, teilte eine Mitarbeiterin auf Nachfrage mit.

Lisa Sommer und Jan Holsteg haben ein halbes Jahr warten müssen, um ihren Willi zu finden. „Die Hunde sind derzeit entweder schnell weg oder einfach überteuert“, berichtet Sommer aus ihren Erfahrungen.

Welpen-Kontakte beim Spazieren

Sie und ihr Verlobter versuchten derzeit zumindest beim Spaziergang am Auesee, auf Abstand, Kontakte zwischen ihrem Willi und anderen Hunden herzustellen, um die Sozialisierung ihres Bernersenn-Labrador-Mischlings voranzutreiben.

Um den Welpen zumindest teilweise Kontakt zu anderen Welpenrassen ermöglichen zu können, hat die Hundeschule Martin Rütter DOGS Moers/Duisburg einen sogenannten „Hunde Drive-Inn“ seit Mitte Januar ins Leben gerufen. „Zu uns dürfen die Hundehalter ihre Welpen bringen. Sie werden aber am Auto von uns, auf Abstand, entgegengenommen und können dann für eine gewisse Zeit bei uns auf der Wiese miteinander spielen“, sagt Hundeschulenleiterin Andrea Palzer-Mack. Der Kontakt zu anderen Welpen sei gerade in den ersten Monaten unverzichtbar „und bevor nichts stattfindet, ist es gut, wenn die Hunde so wenigstens andere Rassen kennenlernen“, so Palzer-Mack.
Ihre Hundeschule setze außerdem auf Videotraining. Hundebesitzer können ihr und ihrem Team per WhatsApp-Nachricht Videos zusenden, die die Hundetrainer dann analysieren und ein Feedback dazu zurücksenden. „Wir machen auch Einzel- und Gruppentrainings per Videochat und bieten einmal in der Woche eine Online-Welpenfragerunde an“, ergänzt die Hundeschulenleiterin. Dieses Konzept käme gut bei den Hundebesitzern an. „Am Anfang war es ungewohnt, aber irgendwie muss es ja weitergehen“, sagt Palzer-Mack.

Auch Willis Frauchen und Herrchen versucht sie auf Distanz zu helfen: „Wenn Willi nicht aufhört mit dem Beißen, könnten die Hundebesitzer es mit sozialer Isolation versuchen und ihn für einen Moment in eine Hundebox stecken, um ihm zu zeigen, dass sein Verhalten nicht in Ordnung war.“ Der genaue Grund für ein solches Verhalten könne aber nur in einer Hundetrainingsstunde vor Ort herausgefunden und dann richtig korrigiert werden. „Jetzt bleibt uns aber erstmal nur zu hoffen, dass der Lockdown bald ein Ende hat und wir Willi die Erziehung ermöglichen können, die so ein kleiner Hund benötigt“, sagt Lisa Sommer.

>>> Infobox: Tierheime nach Lockdown überfüllt

Hundetrainer und Züchter befürchten, dass viele Hundewelpen nach dem Lockdown ins Tierheim gegeben werden. Irgendwann sei die Zeit des Homeoffice wieder vorbei und auch Unternehmungen wieder möglich, die keinen Platz mehr für den im Lockdown angeschafften Hund bieten, lautet die These unter den Experten.