An Rhein und Ruhr. Auch in den Berufskollegs sollen ab nächste Woche Abschlussklassen unterrichtet werden. Dort wird die Zahl der Schüler aber sehr hoch sein.

Keine Schulform in Nordrhein-Westfalen hat ein so breit aufgefächertes Bildungsangebot wie die Berufskollegs. Auszubildende und Lehrlinge werden hier genauso beschult wie Jugendliche, die zum Abitur, zum Real- oder zum Hauptschulabschluss geführt werden sollen. Die Abschlussklassen der Berufskollegs sollen Mitte der kommenden Woche wieder in die Schule kommen. Weil sich diese Schulform aber erheblich etwa von den Gymnasien unterscheidet, ist die Empörung beim „Verband der Lehrerinnen und Lehrer an den Berufskollegs“ (vlbs) groß.

Das Kernproblem: Der Bildungsgang im Gymnasium dauert acht Jahre. Wenn nun Abiturienten in der kommenden Woche zur Prüfungsvorbereitung in die Schule kommen, ist das nur ein kleiner Teil der Schülerschaft. Anders sieht es in den Berufskollegs aus, wo die Bildungsgänge nur maximal vier, manchmal sogar nur ein Jahr dauern. „Je nach Strukturierung der Berufskollegs handelt es sich hier um bis zu 1000 Schülerinnen und Schülern, welche am Donnerstag in den Schulen sein werden“, kritisiert Michael Suermann, der Vorsitzende des Lehrerverbandes vlbs.

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Den Lehrern fehlen klare Informationen

Er habe den Eindruck, dass die Realität in den Berufskollegs den Verantwortlichen im Schulministerium nicht bewusst sei, so Suermann im Gespräch mit der NRZ. Ein großer Teil der Lehrerschaft sei an den Berufskollegs über 60 Jahre, gehöre also zur Corona-Risikogruppe und dürfe daher nicht unterrichten. Zudem fehlten klare Informationen darüber, wie viele Schüler maximal in eine Klasse dürften, um die Abstandsregelungen einzuhalten und Angaben, wie Risikogruppen objektiv identifiziert werden könnten.

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Stattdessen sei den Schulen zur Hygieneplanung ein Papier aus dem Jahr 2015 zur Verfügung gestellt worden. „Das ist abenteuerlich“, sagt Suermann. Schließlich „befinden wir uns am Anfang einer Pandemie, da ist es mehr als berechtigt die Brauchbarkeit solcher Unterlagen anzuzweifeln.“ Die Lehrer an den Berufsschulen seien bereit, ab Montag in die Planungen einzusteigen. „Aber im Moment wirkt alles sehr willkürlich. Die Lehrer an den Berufskollegs fühlen sich im Stich gelassen“, kritisiert Suermann.

Hoffnung auf Prüfungen vor den Sommerferien

Etwa die Hälfte der Schüler an den Berufskollegs sind in der dualen Ausbildung. Die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern gehen davon aus, dass ihre Auszubildenden in den Abschlussklassen ab Donnerstag wieder regulär die Berufsschulen besuchen und dass sie ihre Prüfungen größtenteils vor den Sommerferien ablegen können. Allerdings berichten auch sie von Unklarheiten.

Marcus Schottes leitet die Prüfungsabteilung der Kreishandwerkerschaft in Essen. Es ist seine erste Prüfungssaison, und eine, die er nicht vergessen wird. Es ist ein Fahren auf Sicht. „Es ist sehr schwierig“, drückt er es diplomatisch aus. Im Handwerk müssen die Auszubildenden eine praktische und eine theoretische Prüfung ablegen. In der praktischen Prüfung könnte es zum Problem werden, dass die Prüfer häufig erfahrene Handwerker sind, die wegen ihres Alters zur Corona-Risikogruppe gehören.

Unklarheiten bei den Prüfungen im Handwerk

Besonders in der theoretischen Prüfung wird es aber derzeit kompliziert. Sie ist zentral, muss in den jeweiligen Gewerken an einem Tag abgelegt werden. Bei Gewerken mit überschaubaren Auszubildenden-Zahlen wie den Goldschmieden sind Abstandsregeln einfach umzusetzen. „Teilweise sind das aber riesige Gruppen“, sagt Schottes. 80 bei den Elektrikern, 120 bei den Kfz-Lehrlingen. Wenn die Prüfungen nicht in den Berufsschulen stattfinden, müssen externe Räumlichkeiten angemietet werden. Ob dort die gleichen Regeln gelten wie in den Schulen ist noch nicht klar.

„Die allermeisten Gesellenprüfungen werden sich vor dem Sommer machen lassen“, sagt Alexander Konrad, Sprecher der Handwerkskammer Düsseldorf. Landesweit gibt es nach seinen Angaben 20.000 Prüflinge im Handwerk.

Erheblicher logistischer Mehraufwand

Auch die Industrie- und Handelskammern vermelden einen „erheblichen logistischen Mehraufwand“, wie es Anne Lohmanns, Leiterin der Ausbildungsprüfungen bei der IHK in Duisburg ausdrückt. Bundesweit stehen 210.000 Auszubildende vor ihrem Abschluss. Lohmanns spricht von einem „erheblichen logistischen Mehraufwand“. So müssten beispielsweise Auszubildende, die einer Risikogruppe angehören, in einem separaten Raum geprüft werden. Und wenn für Prüfungen Hallen angemietet wurden, könne nun nur ein Drittel der Halle genutzt werden. „Dann müssen wir noch Räume dazu anmieten.“

In manchen Branchen sei Kurzarbeit eingeführt worden, was Auswirkungen auf den praktischen Teil der Prüfung haben könne. „Die Prüfer kommen aber aus den Betrieben. Die wissen um die besondere Situation“, hofft Lohmanns. Ursprünglich sollten die Prüfungen zwischen März und Mai stattfinden. Jetzt hat die IHK Duisburg die Termine für die Abschlussprüfungen auf die Zeit zwischen dem 15. und 19. Juni gelegt.