An Rhein und Ruhr. Montag soll wieder ein Zug mit abgereichertem Uran rollen. Grüne und Aktivisten halten das für unverantwortlich. Münster hat Protest eingelegt.
Trotz der Corona-Krise will das Unternehmen Urenco nach Informationen von Anti-Atomkraft-Initiativen am kommenden Montag erneut einen Transport mit abgereichertem Uran vom münsterländischen Gronau nach Russland auf den Weg schicken. Die Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur bezeichnet das Vorhaben als „unverantwortlich“ und fordert die Landesregierung auf, den Transport zu stoppen. Auch die Stadt Münster spricht sich gegen den Transport aus.
Wie regionale Anti-Atomkraft-Initiativen, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und die Ärzteorganisation IPPNW berichten, soll der Transport mit dem abgereicherten Uran am Montag mit einem Sonderzug zur russischen Atomfabrik Novouralsk verbracht werden. Die Initiativen und Verbände forderten Urenco, die Landesregierung und das Bundesinnenministerium auf, „in den schwierigen Corona-Zeiten auf diese zusätzliche und vollkommen vermeidbare Belastung der Öffentlichkeit und Notfalldienste zu verzichten“.
Umweltschützer warnen: Ein Unfall könnte dramatische Folgen haben
In der Anlage in Gronau wird Brennstoff für Atomkraftwerke auf der ganzen Welt produziert. Dazu wird in speziellen Zentrifugen in der Natur vorhandenes, aber für Atomkraftwerke nicht nutzbares Uranerz angereichert. Bei dem Prozess entsteht auch abgereichertes Uran, etwa 5,5 Tonnen je Tonne angereicherten Brennstoffs.
Dieses abgereicherte Uran wird von Urenco in Form von Uranhexafluorid (UF6) nach Russland transportiert, einem Stoff, der nicht nur radioaktiv strahlend, sondern auch toxisch ist, und sich bei der Berührung mit Wasser in Flusssäure verwandeln kann. Komme es zu einer Freisetzung des Stoffes, könne er sich kilometerweit ausbreiten und bei Menschen schwere Lungenschäden verursachen, warnen Umweltschützer.
Die Stadt Münster hält die Risiken für zu groß
In der Stadt Münster, durch die der Transport rollen soll, hält man die Risiken für zu groß: „Mit Blick auf die aktuelle Corona-Lage, die die Gefahrenabwehrbehörden und Krisenstäbe überall massiv fordert, habe ich die Firma Urenco gestern gebeten, die geplanten Transporte auszusetzen“, teilte der Beigeordnete Wolfgang Heuer Freitag am auf Anfrage unserer Redaktion mit. Er verwies darauf, dass „das Bundesinnenministerium wegen Corona vor wenigen Tagen geplante Castortransporte abgesagt“ habe.
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Auch die Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur warnt vor dem Transport des „hochgiftigen Uranmülls“. Die notwendige Sicherung eines möglichen Transportes würde zahlreiche Polizisten binden, so die Grünenpolitikerin. In der angespannten Corona-Situation erbrächten alle Beschäftigten im Gesundheitswesen aktuell Höchstleistungen. „Es ist deshalb niemandem zu erklären, dass nun Sicherheitsbehörden und unser Gesundheitssystem ohne Not zusätzlich beansprucht werden könnten“, betonte Neubaur. Deswegen müsse die schwarz-gelbe Landesregierung den Transport stoppen.
Urenco hält an den Transporten fest
Ein Sprecher von Urenco betont auf Anfrage unserer Redaktion: "Oberste Priorität hat die Gesundheit unserer Mitarbeiter, ihrer Familien und der ganzen Bevölkerung. Dazu haben wir bei Urenco schon seit einigen Wochen viele Maßnahmen eingeführt." Sowohl die Produktions- als auch die Transportprozesse fänden weiterhin wie geplant statt.
Uranhexafluorid gilt eigentlich als Atommüll. Die Entsorgung von in Deutschland produziertem Atommüll im Ausland ist illegal. Urenco, ein deutsch-britisch-niederländisches Gemeinschaftsunternehmen, an dem die Energiekonzerne RWE und Eon je ein Sechstel der Anteile halten, deklariert den Transport aber als Wertstofftransport. Denn: Laut Urenco kann das abgereicherte Uran in Russland wieder angereichert werden. Damit könne Natururan eingespart werden.
Auch durch Duisburg und Viersen
Zwischen 1995 und 2009 wurden bereits 27.300 Tonnen des Stoffes nach Russland gebracht, die Transporte wurden nach Protesten vorübergehend eingestellt. Ab 2016 wurden sie aber wieder aufgenommen. Laut den Anti-Atomkraft-Aktivisten fahren die Züge seit dem Frühjahr 2019 immer von Gronau über Steinfurt durch Münster und dann über Duisburg, Viersen, Mönchengladbach und Venlo bis zum Hafen Amsterdam. Dort erfolgt die Verladung nach St. Petersburg.