Essen. In vielen Krankenhäusern wird Schutzausrüstung knapp. Die Preise für Schutzmasken explodieren. Ein Händler schiebt die Schuld auf China.

Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kritisiert mit scharfen Worten Unternehmen, die versuchen, aus der Corona-Krise maximalen Profit zu schlagen. Er halte das für moralisch und ethisch höchst verwerflich, sagte er der NRZ. „Man könnte es auch einfach so sagen: Das ist asozial.“ Hintergrund sind Berichte aus der Krankenhauslandschaft, wonach die Beschaffungspreise speziell für Schutzausrüstungen teils massiv gestiegen sind. Schutzausrüstungen sind mittlerweile in vielen Krankenhäusern knapp.

„Wucherpreise ist noch harmlos ausgedrückt“, sagt Olaf Berse Vorstand der Clinicpartner eG aus Gelsenkirchen. Sein Unternehmen ist Einkäufer für bundesweit rund 200 Krankenhäuser, darunter rund 90 aus NRW. Insbesondere bei Atemschutz- und OP-Masken seien die Preisaufschläge enorm.

Vor der Krise: 45 Cent. In der Krise: bis zu 20 Euro

Sogenannte FFP2-Masken, die Krankenpersonal vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen können, hätten vor der Krise 45 Cent pro Stück gekostet. Jetzt würden zwischen drei und fünf Euro pro Stück, in manchen Fällen sogar bis zu 20 Euro verlangt. Viele Anbieter forderten zudem Vorkasse, bevor sie das Material aus chinesischen Lagern bestellten.

Einfache OP-Masken hätten früher zwei bis drei Cent gekostet, heute müssten pro Stück 50 Cent gezahlt werden. Da die bisherigen Vertragslieferanten häufig leer gelaufen seien, sei man auf die Anbieter mit ihren Wucherpreisen angewiesen. „Was will man machen, es geht doch darum, die Patienten und die Mitarbeiter zu schützen.“

Berse stellt die Moral der Menschheit infrage

Berse hat gerade erst drei Millionen OP-Masken bestellt, täglich ist er 14 Stunden damit beschäftigt, Schutzausrüstung für die Krankenhäuser zu organisieren. In den vergangenen Tagen, sagt Berse, habe er gelernt, die „Moral der Menschheit“ infrage zu stellen.  

Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) appelliert an die Anbieter von Schutzausrüstungen, „den Bogen nicht zu überspannen“. Bei einer Knappheit von Gütern und möglichen Lieferengpässen seien höhere Preise prinzipiell akzeptabel, sagte Brink unserer Redaktion. Aber wenn Wucherpreise gefordert würden, „dann ist das weder sozial noch nachvollziehbar“. Dass dieser Appell an die Anbieter notwendig sei, zeige „eine Reihe von Signalen“, formuliert es Brink. Die Krankenhäuser hatten bereits zuvor über drastisch gestiegene Beschaffungspreise geklagt.

Händler: In China sind die Preise gestiegen

Aus mehreren Krankenhäusern hat unsere Redaktion Beispiele für Angebote zugesandt bekommen. Ein Oldenburger Händler verlangt 5,55 Euro für eine FFP2-Maske, bei einer Mindestabnahme von 100.000 Stück. Ein Unternehmer aus Gelsenkirchen berechnet bei einer Abnahme von 1000 Stück je 3,48 Euro pro Maske. Der Händler verteidigt den Preis bei einem Anruf.

Er ordere die Masken in China und dort seien die Preise um das Vierfache gestiegen. Er zahle in China etwa zwei Euro pro Maske, kümmere sich aber um die Zollmodalitäten und die Verschiffung.  „Wir schlagen nur einige Cent drauf“, beteuert der Händler.  Die Krankenhäuser, sagt er, seien ihm dankbar dafür, dass er es überhaupt möglich mache, dass sie noch an Schutzausrüstung kämen. Aber auch in China werde es knapp: „Unser Lieferant hat uns gesagt, dass wir bei einer Bestellung jetzt erst im Mai beliefert würden.“

SPD: Der Staat muss marktregulierend eingreifen

Josef Neumann, der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, fordert angesichts der aktuellen Erfahrungen ein generelles Umdenken auch jenseits der Krise. „Bei Knappheit zeigt der sogenannte freie Markt sein hässliches Gesicht. Moralische Gesichtspunkte spielen dann keine Rolle mehr“, so Neumann. Das sei umso verwerflicher, wenn es, wie in der jetzigen Krise, massive Auswirkungen auf das Leben und den Tod von Menschen habe.

Der Markt, so Neumann, sei offensichtlich nicht in der Lage, die Daseinsvorsorge für alle zu gewährleisten. Der Sozialdemokrat plädiert deswegen dafür, dass der Staat „marktregulierend eingreift“ und dem Markt bestimmte Bereiche der Daseinsvorsorge entzieht. Auch nach der Krise: Dass nun beispielsweise in manchen Krankenhäusern Schutzausrüstung Mangelware sei, liege auch daran, dass keine staatlichen Lagerbestände aufgebaut worden seien. „Man muss solche Themen auch nach der Krise auf die Tagesordnung setzen können, ohne gleich sozialistischer Umtriebe verdächtigt zu werden“, so Neumann.  

Rechtsanwalt: Der Staat könnte Ware zur Gefahrenabwehr beschlagnahmen

Juristisch sind nach Ansicht des Düsseldorfer Rechtsanwalts Udo Vetter zwei Wege möglich. Erstens könnten die Kliniken nach der Krise mit Verweis auf den „Wucherparagrafen“ (§138 BGB) das Geschäft mit einem Lieferanten für nichtig erklären lassen und ihr Geld zurückverlangen. In dem Paragrafen ist festgehalten, dass die „Ausbeutung einer Zwangslage“ nicht zulässig ist.

Zweitens hätten die Behörden die Möglichkeit, das Polizeirecht anzuwenden und zur Gefahrenabwehr die Waren zu beschlagnahmen. Das allerdings wäre ein „krasser Eingriff“, so der Rechtsanwalt.

NRW-Justizministerium: Im Einzelfall drohen hohe Strafen

Laut Aussage des NRW-Justizministeriums können nur Personen Opfer eines Wuchergeschäfts werden, die auf die Schutzmaske zwingend angewiesen sind und keine anderen Quellen nutzen können. Für den Verkauf von Schutzmasken in Zeiten des Coronavirus' bedeute das konkret: "Wer die Schutzmaske nur haben möchte, um sich bei einem Spaziergang sicherer zu fühlen, befindet sich nicht in einer Zwangslage."

Im Einzelfall könne das Verlangen unangemessen hoher Preise für Gegenstände des lebenswichtigen Bedarfs, wozu in Krisenzeiten grundsätzlich auch Artikel wie Schutzmasken gehören können, aber eine Ordnungswidrigkeit (§ 4 des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts) darstellen. Und das kann extrem teuer werden: "Verstöße können mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden“, heißt es aus dem Justizministerium.