Ruhrgebiet. Um zu zeigen, „was hier alles gelingt“, reist der Bundespräsident ins Ruhrgebiet. Auf der Route liegen Duisburg, Gelsenkirchen und Dortmund.
Er hatte versprochen, dass er wiederkommt. 2018, als er in Duisburg-Marxloh war und in der Dortmunder Nordstadt. Damals hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sich eher problematische Ecken des Ruhrgebiets angesehen, diesmal will er „auch mal zeigen, was hier gelingt“. Eine „Reise in die Zukunft“ soll es werden.
Duisburg
So früh am Morgen ist das ganze Ruhrgebiet im Duisburger Hafen, Autokennzeichen aus Bottrop, Bochum, Essen; im dichten Verkehr des Hafengebietes verknoten sich die Lkws, es quietscht und rattert. In der Dämmerung tanzt ein Licht auf dem schmutzigen Wasser des Hafenbeckens: Taucher der Polizei Wuppertal untersuchen das Fahrgastschiff Karl Jarres, das den Präsidenten später in den Innenhafen bringen soll. An Bord schrubbt jemand die Planken.
Sieben Minuten vor der Zeit fährt die Kolonne vor, ganz vorn der schwarze BMW mit dem Kennzeichen 0-1 und der deutschen Standarte. „Moin!“ begrüßt Frank-Walter Steinmeier, Anzug und schwarzer Kurzmantel, die frierenden Journalisten, hinter ihm hebt einer der schweren 41-Tonnen-Kräne einen Container in die Luft, als wäre er ein Legostein. Minutenlang sieht die Presse den Ehrengast und seine Gastgeber, Oberbürgermeister Sören Link im grünen Anorak und Hafenchef Erich Staake mit grünem Halstuch, nur aus der Ferne und von hinten.
Hier werden jährlich 127,5 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen
Sie reden vor eine Wand, auf der steht, dass hier im Jahr 127,5 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen werden. Nur einer schaut herüber, Manni Luszak in seinem neongelben Arbeitsanzug: Der Kranführer darf dem Präsidenten kurz die Hand geben, bevor der die seine wieder in die Manteltasche steckt. Manni war sehr aufgeregt, „das passiert nicht alle Tage“. Als Steinmeier außer Sicht ist, zieht Luczak seine Wollmütze über die Glatze. Es ist kalt.
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Dann kommt Steinmeier herüber, allein, er wippt ein wenig in den Lederschuhen, später zeigt sich: Auch sein Händedruck ist ziemlich kalt, dabei bricht über dem Hafen gerade die Sonne durch. Der Präsident bedankt sich für das Duisburger Wetter, „viel besser als in Berlin“. Und dann die Menschen, die hier leben: „Von ihnen weiß ich, dass sie sich nicht unterkriegen lassen, dass sie anpacken.“ Der Strukturwandel, er wird das noch häufiger sagen an diesem Tag, sei eine Herausforderung, aber „er bringt neue Arbeitsplätze“.
Bei der „Startport GmbH“ warten Start-up-Unternehmer
Jemand fragt ein bisschen frech, was das bringt, dass der Präsident kommt. „Ich kann öffentlich zeigen, dass Strukturwandel auch eine neue Zukunft in diese Region bringen kann.“Das Marientor ist geschlossen, Steinmeier muss aus dem Schiff ins Auto umsteigen, um zum nächsten Hafengebäude zu fahren. Bei der „Startport GmbH“ warten Start-up-Unternehmer, sie nennen sie „die Genies von heute“. Die Genies haben bunte T-Shirts an und sind nervös; Arndt Zinn hat seinen Hund mitgebracht, das macht er immer. „Pupsi“ mit seinen Pinselohren sitzt dem Präsidenten zu Füßen, der tut, als bemerke er ihn nicht. Später wird er einschlafen.
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Dabei ist es spannend, was die jungen Leute dem Präsidenten zeigen, sie können Lkws den Weg zeigen und sorgen, dass sie weniger Luft transportieren. Steinmeier scherzt mit ihnen über Bratwürste und Altglas, dann packt er Gewürze in einen blauen Karton: nach digitaler Anleitung für neue Mitarbeiter in der Logistik. „Fertig“, sagt er, eigentlich laut genug, die Maschine antwortet: „Das habe ich leider nicht verstanden.“ Im zweiten Anlauf spricht das Gerät: „Herzlichen Glückwunsch.“Unten auf der Straße winken fünf Duisburger, die Fahrt geht weiter. Hafenchef Staake berichtet zufrieden: „Er hat gesagt, wenn ich so weitermache, kommt er in ein paar Jahren wieder.“ Tschüss, es geht nach
Gelsenkirchen
Dort warten das Goldene Buch der Stadt, Oberbürgermeister Frank Baranowski mit Amtskette und fünf Talente im Talentzentrum NRW. Junge Leute, von denen der Bundespräsident später tief beeindruckt erzählen wird: dass es bei keinem „zuhause reichlich zuging“, aber dass Franziska dank der Förderung nun eine Bewerbung an die Uni in Oxford geschickt hat. Diese Jugendlichen, sagt Steinmeier, „verwirklichen einen Traum, den sie vorher nicht mal haben träumen können“.
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Weiter geht es zu einem Besuch, von dem die Öffentlichkeit bislang nichts ahnte: Der Präsident besucht die WAZ-Redaktion in Gelsenkirchen, auf dem Weg macht er ein paar Schritte über den Weihnachtsmarkt. Schüttelt Hände, lacht bereitwillig in die Rücken von Passanten, die Selfies machen. In der Redaktion hat ein Sprengstoffhund derweil seine Nase in alle Schränke gesteckt und in jede Ritze des Druckers – alles sauber.
Am Rande wird er später ein wenig spötteln, es sind auch Dortmunder im Raum
Steinmeier nimmt Platz in einem Büro, in dem es einen Schalke-Schal gibt, eine Schalke-Tasse und eine gewisse königsblaue Luft. Das gefällt ihm, er ist ja selber ein Schalker, „immer schon“. Am Rande wird er später ein wenig spötteln, es sind auch Dortmunder im Raum. Der Präsident sitzt entspannt in seinem schwarzen Anzug, trinkt Kaffee, einmal legt er seinem Nebenmann freundlich die Hand auf den Arm. Während des Gesprächs klettern die Klickzahlen des digitalen WAZ-Artikels über seinen Besuch im Revier auf dem Bildschirm an der Wand vom dritten auf den zweiten Platz – der zehn meistgelesenen Beiträge.
Bundespräsident Steinmeier im Revier - Die Fotos des Besuchs
Zum Abschied bekommt der besondere Gast ein besonderes Geschenk: die gerahmte WAZ-Titelseite vom 21. Dezember 2018, dem Tag, als Deutschland in Bottrop Abschied nahm vom Bergbau. Steinmeier war damals dabei, er sagt, er wird das „im Leben nicht vergessen“. Das letzte Stück Steinkohle liegt in seinem Berliner Büro, es staubt nicht einmal mehr, sie haben es lackiert. Nun hängt er das kohlenschwarze Bild mit Steigerlied wohl dazu.
Unten an der Glastür der WAZ-Geschäftsstelle drücken ein paar Halbstarke sich die Nasen platt, Frank-Walter Steinmeier verlässt das Gebäude durch den Hintereingang, man wartet schon auf ihn in
Dortmund
Dort ist der Bundespräsident im Technologie-Zentrum, wo er die „wahnsinnige Entwicklung“ lobt, die Dortmund genommen hat. Oberbürgermeister Ullrich Sierau spricht heisere Worte, er hat seit Wochen keine Stimme. NRWs Europa-Minister Stephan Holthoff-Pförtner gesteht: „Wir leiden hier darunter, dass das, was wir im Ruhrgebiet leisten, nicht rüberkommt.“
Deshalb sei Steinmeier „ein Botschafter-Geschenk“. Das war ja der Grund, warum das Staatsoberhaupt diesmal positive Bilder ins Land schicken wollte. Zuversicht sei gerechtfertigt, sagt er, bevor er im weißen Kittel mit seinem Namen auf der Brust in eins der Labore strebt. Und zu den „Menschen von außerhalb“: „Schaut mal genauer hin, was in dieser Region passiert. Darauf können die Menschen im Revier nicht nur stolz sein, davon können sich auch andere etwas abgucken.“