An Rhein und Ruhr. Warum man bei „guten Nachrichten“ in Pressemitteilungen von Parteien wachsam sein muss. Die neue Kolumne von NRZ-Ombudsmann Detlef Schönen.

Es war Anfang November, als ein Leser aus Emmerich auf eine Meldung im Lokalteil stieß, die überschrieben war mit „Kommunen im Kreis bekommen 1,5 Millionen Euro“. Darin heißt es, weil der Fonds Deutsche Einheit früher getilgt worden sei, erhielten die Kommunen „durch einen Gesetzentwurf“ mehr Geld. Die lokale SPD-Abgeordnete wird damit zitiert, dass „SPD-Finanzminister Olaf Scholz der kommunalen Familie direkt hilft.“ Der Leser hält das für werblich formuliert und fragt: „Werden Gesetze nicht mehr vom Bundestag verabschiedet?“

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Die Meldung geht zurück auf eine Mitteilung der örtlichen SPD, ist aber nahezu gleichlautend in fast allen Lokalausgaben erschienen, nicht nur in der NRZ. Der Grund für die Gleichförmigkeit liegt darin, dass die Landespartei den Text vorformuliert. Warum? Hinter „guten Nachrichten“, die überwiegend mit Geld zu tun haben, soll der Anteil der eigenen Partei sichtbar werden. „Für uns ist das eine Information“, sagte mir der Pressechef der SPD-Landtagsfraktion.

Das ist nicht ganz abwegig, weil das Runterbrechen von Ereignissen, also die Frage: was bedeutet das für meine Stadt, ja tatsächlich eine journalistische Gepflogenheit ist.

Hoheit über die Meldung liegt vor Ort


Deswegen macht man lokale Abgeordnete zu Boten. Nicht nur die SPD, alle Parteien mit Parlamentspräsenz machen das. Dazu werden Lückentexte erstellt, in denen nur noch die jeweiligen Zahlen und Namen fehlen. Die Hoheit über die Meldung liegt vor Ort, weswegen die Mitteilungen leicht variieren. Alle enthalten aber den zentralen Satz, dass Finanzminister Scholz mit einem Gesetzentwurf für Entlastung sorge.

Das ist nicht ganz falsch. Aber es ist auch nicht richtig. Denn Entlastung und Gesetz sind noch gar nicht beschlossen. Eine Nachfrage bei der Pressestelle des Bundestags ergab, dass die Drucksache 19/5465 als „Entwurf eines Gesetzes zur fortgesetzten Beteiligung des Bundes an den Integrationskosten der Länder und Kommunen und zur Regelung der Folgen der Abfinanzierung des Fonds Deutsche Einheit“ an den Finanzausschuss überwiesen, dort aber noch nicht zur Beratung terminiert worden ist. Erst danach kann das Gesetz vom Parlament verabschiedet werden.

Der sperrige Titel ist überdies ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine barmherzige Idee des Finanzministers handelt, sondern um eine langwierig ausverhandelte Paketlösung zwischen den Regierungen von Bund und Ländern. Scholz war daran beteiligt, klar. Aber ihn flugs zum Urheber von Wohltaten zu erklären, die es noch gar nicht gibt, das ist dann doch eher Werbung als Information.

Das „Wie“ einer Nachricht prägen

Warum ist die Mitteilung dann doch aufgegriffen worden? Erstens, weil sie eben nicht offenkundig falsch ist und mit Zahlen im Nachkomma-Bereich Plausibilität suggeriert. „Solche Mitteilungen erhalten wir oft, und im Alltag haben wir kaum eine Möglichkeit, das zu überprüfen“, so schildert es eine Redaktionsleiterin.

Zweitens, merkte ein anderer Lokalchef an, „läuft das zeitgleich auf den Twitter- oder Facebook-Accounts der Abgeordneten.“ Ob es also in die Welt kommt, hängt schon lange nicht mehr allein von den Medien ab.

Nicht nur Parteien versuchen so, auch das „Wie“ einer Nachricht zu prägen. Das darf sich die Zeitung aber nicht nehmen lassen. Und das bedeutet: Im Zweifel gegen die Meldung.