Ist die NRZ parteiisch? Ein Wort über Friedrich Merz löst bei einem Leser einen Verdacht aus. Die Kolumne von NRZ-Ombudsmann Detlef Schönen.

Reden wir über Politik. Das heißt, genau genommen redete der Leser S. über Parteilichkeit, als er beklagte, die „NRZ verletze das Neutralitätsgebot“. Warum? In einem Bericht über Friedrich Merz war der Kandidat zum CDU-Parteivorsitz beschrieben worden als ein Mann, „dessen Millionen-Vermögen, Zigarren-Vorliebe und Privatjets zuletzt die Klatschspalten füllten“. Die Privatjets hielt Leser S. für „angedichtet“. Er vermutete, die „politische Grundrichtung des Blattes“ habe hier die Feder geführt. Und die sei: pro SPD.

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Zur Frage nach den Privatjets führt der Autor, den ich dazu befragt habe, an, dass Merz weder aus seiner Freude am Fliegen einen Hehl mache, noch daraus, Flugzeuge zu besitzen und eines davon professionell zu vermieten. Ferner war Merz’ Lebensstil wenige Tage zuvor schon in anderen Zeitungen aufgegriffen worden.

Und in der Tat: Auch wenn „Jet“ hier als schillernderes Synonym für Flugzeug verwendet wird, so lotet die Berichterstattung lediglich und zurecht über die persönlichen Verhältnisse und Vorlieben des Bewerbers seine politische Dimension aus. Dass Merz dies inzwischen selbst forciert, indem er seine ökonomische Situation zum Thema macht, belegt die Relevanz.

Politische Zeitung

Was aber ist mit der politischen Grundrichtung, der vermuteten Nähe der NRZ zur SPD? Die Chefredaktion betont, dass die NRZ „gegenüber allen Parteien kritisch eingestellt ist, ohne eine Partei zu begünstigen oder alle zu verdammen. Denn Parteien erfüllen eine wichtige Aufgabe in der Demokratie.“ Auch der Kompass, die Sammlung redaktioneller Grundsätze der Zeitung, gibt eine klare Richtung vor.

Die NRZ versteht sich als politische Zeitung, bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zum sozialen Rechtsstaat. Aber die NRZ war nie eine Partei-Zeitung. Ihr Gründer, Dietrich Oppenberg, war Sozialdemokrat. Unter anderem deswegen hielten die Briten den jungen Essener nach dem Krieg für einen zuverlässigen Demokraten und erteilten ihm eine Zeitungs-Lizenz. Das war vor über 70 Jahren, und obendrein legte Oppenberg zeitlebens Wert auf die unabhängige Haltung seiner Zeitung.

Diese Unabhängigkeit ist ein Grund dafür, dass Zeitungen traditionell höchste Glaubwürdigkeit bescheinigt wird, um den Faktor 10 höher als bei Internet-Plattformen. Dieses Wissen prägt den redaktionellen Alltag. Der Wert entscheidet über eine Nachricht, nicht die Tendenz, ganz egal, ob es sich um Politik handelt oder um Sport. An dieser Stelle war vorige Woche davon zu lesen, dass manche Leser der NRZ eine zu große Nähe zu Schalke 04 vorhalten. Dabei kann Sympathie durchaus vorhanden sein, in dem einen wie dem anderen Fall.

Journalisten arbeiten nicht nach Plan

Entscheidend aber ist, dass Journalisten Zeitungen nicht machen, damit ein Sportverein Sympathie- und eine Partei Prozentpunkte einfährt. Journalisten arbeiten nicht nach Plan und täte es einer, wäre er rasch Außenseiter. Die Wirklichkeit ist zu komplex für Die-Partei-hat-immer-recht-Denken.

Wenn die NRZ einen Text über den Zustand von Schalke 04 oder der SPD schreibt oder über die Abschaffung von Hartz IV, dann weil die Redaktion glaubt, die Themen seien es wert. Das mag falsch sein. Aber es folgt nicht der Parteilichkeit.