An Rhein und Ruhr. Kann es Ausgewogenheit in der Sportberichterstattung geben - und darüber hinaus? Die neue Kolumne von NRZ-Ombusdsmann Detlef Schönen.

Reden wir über Fußball. Das machen viele und seit Anfang November machen es einige mit dem Vorwurf, die Zeitung berichte nicht ausgewogen über die Bundesliga. Ein Leser vom Niederrhein hatte im Klartext eine Ausgabe beklagt, in der der Tabellenerste (Dortmund) einen Artikel auf Seite 2 bekommt, der Tabellendritte (damals Bayern) dadrunter einen noch kleineren, während der Tabellensechszehnte (Schalke) ganzseitig auf Seite 1 bedacht worden war. Da schmecke einem das Frühstück nicht mehr, „könnten Sie das bitte mal ein wenig ausgewogener gestalten“, schrieb der Leser.

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Diesem einen folgten in den nächsten Tagen andere, meist gleichlaufende Leserbriefe und auch bei mir landete Kritik. Leser J. schrieb: „Warum wird der einzige Verein vom Niederrhein (Mönchengladbach) so stiefmütterlich behandelt?“ Er sehe sich öfter die Pressekonferenzen in Gladbach an und habe dort schon Fragen anderer Reporter gehört, „noch nie aber was von der NRZ.“ Und Leser S. nennt die Berichterstattung tendenziös, „weil Schalke fast immer positiv, der BVB aber negativ dargestellt wird.“

Zur ersten Beschwerde (Mönchengladbach) führt die Sportredaktion an, dass sie sehr wohl bei den Pressekonferenzen - und den Spielen - vor Ort sei: „Wenn sich der Kollege aber zu Wort meldet, dann als Vertreter von Funke Medien.“ So handhaben das auch Journalisten anderer Verlage. Einer schreibt für alle, also hier für alle Titel der Funke Mediengruppe. Individualität ginge dadurch nicht verloren, weil unter Umständen für einzelne Ausgaben oder Zeitungen eigene Angebote und Seiten erstellt werden. In Düsseldorf kann durchaus die Fortuna auf Seite 1 sein, während es in Moers, wie gestern, Dortmund ist.

Was gehört auf Seite 1?

Regionalität ist also ein Kriterium der Berichterstattung, aber eben nur eines. Für eine Zeitung wie die NRZ, die von Düsseldorf über Moers und Duisburg bis Emmerich erscheint, ist das traditionell eine Herausforderung - weil es das Angebot an Themen vergrößert. Hinzu kommt: Die Verbundenheit mit einem Verein macht nicht an der Stadtgrenze Halt, in digitalen Zeiten erst recht nicht. In und um Mönchengladbach gibt es auch viele Anhänger von, beispielsweise, Bayern München. Oder dem FC St. Pauli. Muss so sein. Die Kiezkicker haben knapp 600.000 Fans auf Facebook, der Rekordmeister sogar 44 Millionen.

Was aber gehört nun im Sport auf Seite 1, was auf die 3? Kann da die Tabelle ein Signalgeber sein? Würde man im politischen Teil so verfahren? Das entscheidende Kriterium muss die Nachricht sein, die Geschichte, und im Sport sicher auch die emotionale Kraft eines Themas.

Nochmal die Sportredaktion, die auf die Kritik von Leser S, antwortet, dass nie die Tendenz Themenauswahl und Ton bestimmt. Die Redaktion verfolge Ausgewogenheit auf inhaltliche Art, heißt: „Im Erfolgsfall nicht zu schnell mitjubeln und bei Misserfolg nicht zu schnell draufhauen.“

Die eigenen Kriterien einhalten

Neutralität aber, gar Objektivität? Ist im Sport so wenig herstellbar wie in der Politik. Wenn es so viele Möglichkeiten, so viele Sichtweisen, so viele Faktoren gibt, dann kann, dann muss Berichterstattung eine Auswahl sein. Eine Gleichheit in Form und Inhalt kann nicht die Lösung sein. Stattdessen Distanz, ja. Transparenz, erst recht. Und vor allem: das konsequente Einhalten der eigenen Kriterien.

Und da reden wir allemal nicht nur über Fußball.