An Rhein und Ruhr. Warum sich manche Leser mehr gute Nachrichten wünschen und wie das gelingen kann. Die Kolumne von NRZ-Ombudsmann Detlef Schönen.

K ann man des Guten zu viel tun? Leser H. aus Duisburg meint, ja. Er glaubt jedenfalls, dass die Redaktion, im Bemühen, gute Nachrichten zu verbreiten, über das Ziel hinausgeschossen ist. Warum? Weil auf Seite 3 unter jener Rubrik zu lesen war: „Altersrenten in zehn Jahren um 22 Prozent gestiegen.“ Das sei nicht die Wirklichkeit, weil gestiegene Lebenshaltungskosten diese Zahl relativierten. Leser H.: „Bei genauerer Betrachtung werden aus good news leicht bad news.“

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Die Redaktion sieht das in diesem Fall anders, weil mehr Rente in jedem Fall mehr hilft. Darüber hinaus verweist sie auf ein grundlegendes Problem: „Es ist bei der Orientierung von Nachrichtenagenturen auf bad news oft nicht einfach, eine gute Meldung zu finden. Da gehen wir manchmal beherzt das Risiko ein, auch komplizierte Sachverhalte in diese zeilenbeschränkte Form zu pressen“, wie sie die Rubrik auf Seite 3 nun einmal darstellt. Mit anderen Worten: Eine Rubrik kann und soll keine hintergründige Berichterstattung sein.

Die liebe Not mit dem Positiven geht tiefer. In der Tat hat der Mahlstrom an Nachrichten, der über Agenturen und Online-Kanäle verbreitet wird, eine überwiegend trübe Färbung. Unglücke, Tod in allen Formen und jede Menge Mahnungen und Warnungen vor der Zukunft. Hat Journalismus Freude am Morbiden? Durchaus nicht.

Zunehmendes Verlangen nach guten Nachrichten

Aber harte Nachrichten sind im Journalismus noch immer auf Ereignisse bezogen, die aktuell, bedeutsam und überprüfbar zu sein haben. Und das mündet eher im Negativen. Rückgänge und Verluste passen ins Muster. Glücksgefühle eher nicht.

Dabei gibt es ein zunehmendes Verlangen nach guten Nachrichten; nicht nur als eine Erwähnung guter Ereignisse. Leser A. wünscht sich, dass öfter anlasslos „über gelungene Integration berichtet wird“ und nicht nur ausführlich über jede kriminell misslungene. So, glaubt der Leser, könne Zeitung Vorbildfunktion ausüben, etwas bewirken ohne zu verfälschen.

„Positive Verstärkung“, so nennt das Leser Dieter H. Man müsse weg von dem Mantra „Unsere tägliche Krise, Katastrophe, Spaltung gib uns heute“. … Es gehe darum, „Anzeichen von Zuversicht trotz aller Unsicherheiten zu verbreiten. Nicht im Sinne von plattem positiven Denken, sondern um das real Gute, Menschliche und Soziale … ans Tageslicht zu bringen. Es gibt mehr davon als wir sensationslüsterne Nachrichten-Konsumenten ahnen.“

Konstruktiver Journalismus

Das Gute darf aber so wenig um des Guten willen berichtet werden wie das Schlechte um des Schlechten. Wenn man den NRZ-Kompass zu Rate zieht, geht es um das Ziel, die Hintergründe auszuleuchten und Zusammenhänge aufzuzeigen. Das kann auch bedeuten, nicht nur Probleme auszubreiten, sondern Berichterstattung an Lösungen und der Suche danach auszurichten. Als „konstruktiver Journalismus“ wurde das zuerst von angloamerikanischen Medien praktiziert.

Ein guter Ansatz, weil er nicht die heile Welt propagiert, sondern eine heilsame Perspektive einnimmt. Ja, der Klimawandel beispielsweise wird vieles verändern, er wird weiter Schlagzeilen machen und es wäre merkwürdig, ihn in eine gute Nachricht zu verpacken.

Aber man kann es auch so angehen: welche Chancen bietet er? Eine ungewohnte Sichtweise, das schon. Aber eine, die vielleicht gut täte.