Am Niederrhein. . Der Wolf steht unter höchstem Naturschutz. Doch am Niederrhein sind zunehmend Schafe gerissen worden. Lebt hier ein “Problemwolf“?

Ab Dezember ziehen deutschlandweit, europaweit wieder die Jungwölfe. Was ist, wenn da ein strammer Wolfsmann vorbeischaut? Bekommt Nordrhein-Westfalen dann ein Rudel...? „Ja, das ist gut möglich“, sagt Dr. Matthias Kaiser vom Landesumweltamt (Lanuv). Noch ist es nicht so weit. Seit Montag ist erstmal amtlich: Am Niederrhein, rund um Schermbeck und den Ortsteil Gahlen, hat sich ein Weibchen niedergelassen, davon gehen die Behörden aus – der erste wieder sesshafte Wolf seit 180 Jahren!

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Portraitaufnahmen von Mitarbeitern der Funke Medien Gruppe am 17.03.2016 in Essen. Im Bild Redakteur Holger Dumke. Foto: Kai Kitschenberg/FUNKE Foto Services
Von Holger Dumke (h.dumke@nrz.de)

Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) hat eine weiträumig bemessene „Wolfsregion“ ausgewiesen. „Wir müssen vorerst davon ausgehen, dass die Wölfin bleibt“, sagte Heinen-Esser.

Die Region – 958 Quadratkilometer groß – umfasst Teile des Kreises Wesel, aber auch der Kreise Kleve, Borken und Recklinghausen sowie der Großstädte Oberhausen und Bottrop und soll den Schutz von Schafen & Co. verbessern helfen. Weidetierhalter in dem Gebiet können sich die Anschaffung von Elektrozäunen und Herdenschutzhunden mit 80 % fördern lassen, die Kosten liegen schnell im vierstelligen Bereich. Und wenn Tiere gerissen wurden, sollen künftig z. B. auch Tierarztkosten erstattet werden.

Portal im Internet freigeschaltet

Die Rufe nach mehr Schutz für Weidetiere waren immer lauter geworden, nachdem in der Region zunehmend Schafe gerissen worden waren. Einige dieser Bisse zwischen April und jetzt konnten anhand DNA-Spuren eindeutig einem jungen Weibchen zugeordnet werden, das die Kennung „GW954f“ trägt und aus dem niedersächsischen Schneverdingen stammt. Möglicherweise ist es über die Niederlande eingewandert. Aktuell prüft das Lanuv noch sieben weitere Fälle – davon keiner in Schermbeck selbst, sondern alle im Umland, etwa in Hünxe.

Formal hätte die „Wolfsregion“ jetzt noch nicht ausgewiesen werden können. Die NRW-Behörden haben es dennoch getan und bewusst großzügig. Man habe zügig den Tierhaltern helfen wollen, heißt es. Vor Ort bleibt die Stimmung skeptisch: In Schermbeck gab es vor zwei Wochen eine bewegte Bürgerversammlung, man fühlt sich schlecht informiert. Jürgen Höchst vom Heimatverein Gahlen spricht offen von einem „Problemwolf“. Mehrfach soll der Wolf nahe Häusern gesehen worden sein.

Wolfssichtungen in NRW 2018.
Wolfssichtungen in NRW 2018. © Gerd Bertelmann

Laut einer Liste der Gahlener Schäfer sind seit April in Schermbeck, Hünxe, Kirchhellen und Dinslaken bei 19 Attacken 33 Nutztiere, fast nur Schafe, getötet worden. In sechs Fällen steht fest, dass es ein Wolf war. Was Vereinsvertreter Höchst Sorgen macht: In drei Fällen wurden die Tiere tagsüber getötet, mehrfach betrug der Abstand zur Bebauung nur etwa zehn Meter.

Und für Benedikt Hüttemann, der im April sechs Schafe durch den Wolf verlor, deutet einiges darauf hin, dass das Weibchen kein natürliches Verhalten zeige. „Wie geht man um mit einem Tier, das dauerhaft in der Nähe von Siedlungen unterwegs ist?“, fragt Hüttemann. Das müsse dringend geklärt werden.

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Die Behörden haben bei der Information Besserung gelobt. Ein Wolfsportal wurde jetzt freigeschaltet, es soll im Internet möglichst aktuell über Tierrisse Bescheid geben. „Die Sicherheit des Menschen steht im Wolfsmanagementplan an erster Stelle“, betont Lanuv-Fachmann Kaiser.

Der Wolf steht unter höchstem Naturschutz. Sein Abschuss ist eine mit Geld- und/oder Haftstrafe bewehrte Straftat, unter speziellen Umständen durch die Behörden gleichwohl möglich. Aber: Anzeichen für unnatürliches Verhalten sieht Kaiser hier bisher ausdrücklich nicht.

Naturschützer haben Verständnis für Sorgen vor Ort

Dass Wölfe sich Siedlungen nähern, sei nichts Ungewöhnliches, ebenso nicht, dass sie Schafe reißen. Der Lanuv-Fachmann geht davon aus, dass die Zahl der Schafsrisse zurückgeht, wenn zunehmend E-Zäune gekauft sind. „Wild ist in den Wäldern dort genug vorhanden“, sagt Kaiser. Angriffe auf Menschen seien seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr belegt, heißt es weiter.

Naturschützer haben für die Sorgen vor Ort Verständnis, wie Katharina Stenglein vom Verband Nabu betont. Der Nabu bemüht sich um Aufklärung, u. a. durch eine vielgelobte Wolfsausstellung. Aber klar, freuen sich Naturschützer über die Rückkehr des Wolfes: „Das ist doch toll, dass eine vom Menschen ausgerottete Tierart von selbst zurückkehrt – und es ist wichtig fürs Ökosystem“, sagt Stenglein.