Darf man eine Gehaltsprämie für Lehrer an Problemschulen „Schmutzzulage“ nennen? Eine Kolumne von NRZ-Ombudsmann Detlef Schönen.

Wie gehen Medien mit der Meinungsfreiheit um? Diese Frage ist so alt wie die Medien selbst und meist wurde sie politisch aufgeladen. Aktuell huscht die Lüge durch die Hintertür der „alternativen Fakten“ in die Wirklichkeit, während sich Populisten durch die ebenso falsche wie gefährliche Man-wird-in-diesem-Land-doch-wohl-noch-sagen-dürfen-Attitüde Gehör verschaffen. Dabei kann sich der Medienalltag viel früher im Grundsätzlichen verheddern, zum Beispiel durch das Wort „Schmutzzulage“.

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Schmutzzulage ist ein harmloser Begriff aus dem Tarifrecht und meint einen finanziellen Ausgleich für erlittene Verschmutzungen und Verunreinigungen. Ein Online-Kommentator hat mit diesem Begriff auf dem Portal nrz.de allerdings einen Gewerkschaftsvorschlag zusammengefasst, der dem Lehrermangel an Problemschulen durch eine Zulage abhelfen wollte.

Dass man sich durch die Arbeit mit sozial schwachen und benachteiligten Kindern beschmutze, sei eine menschenverachtende Begrifflichkeit, fand ein anderer Nutzer, und meldete den Kommentar als Verstoß. Anders ausgedrückt: Der Kommentator sei nicht frei darin, die Gehaltsprämie „Schmutzzulage“ zu nennen.

Die Freiheit ist allseitig

Der Umgang mit solchen Streit- oder Grenzfällen ist je nach Kanal unterschiedlich. Die Zeitung, darauf ist an dieser Stelle schon hingewiesen worden, druckt beleidigende, hetzerische oder grob unwahre Leserbriefe erst gar nicht ab. Es hätte aber auch die gar nicht so selten genutzte Möglichkeit gegeben, vorab mit dem Verfasser in ein klärendes Gespräch zu gehen.

Aber online? Online findet eine Prüfung frühestens statt, wenn der Beitrag schon veröffentlicht worden ist. Entfernt wird er dann, wenn er „erkennbar justiziable Verfehlungen“ enthält, schreibt die Online-Redaktion. Und justiziabel, also von Amts wegen oder auf Verlangen zu verfolgen, sei die „Schmutzzulage“ nicht, denn der Begriff kommentiere den Vorgang an sich, bezeichne aber keineswegs konkrete Personen.

Diese Sichtweise, nach der alles erlaubt wäre, was nicht ausdrücklich verboten ist, greift aber zu kurz. Zwar muss Meinung weder wahr noch rational begründet sein. Aber die Freiheit ist allseitig. Niemand muss meinen, was andere meinen. Und das gilt auch für meinungsschwangere Begriffe und eben auch für Medien.

Was bedeutet eigentlich "Ombudsmann"?

Unparteiische Schiedsperson

Ein  Ombudsmann (bei weiblicher Besetzung Ombudsfrau) erfüllt die Aufgabe einer unparteiischen Schiedsperson. 

Ungerechtigkeit verhindern

Ein Ombud (altnordisch: umboð „Vollmacht“) ist die Aufgabe einer Person, in einer Organisation oder in der Öffentlichkeit bei bestimmten Themen eine ungerechte Behandlung von Personengruppen zu verhindern. 

Im Interesse der Leser

So gesehen bedeutet ein solches Amt eine unparteiische Vorgehensweise bei Streitfragen – unter Berücksichtigung der Interessen von Personen, deren Belange als Gruppe infolge eines fehlenden Sprachrohrs ansonsten wenig beachtet würden (zum Beispiel von Krankenhauspatienten, Gewaltopfern).

Lösungen erarbeiten

In seiner Funktion ermöglicht der Ombudsmann, Streitfälle ohne großen bürokratischen Aufwand zu schlichten: durch unabhängige Betrachtung des Streitfalles, Abwägung der von beiden Seiten vorgebrachten Argumente, Erreichen einer zufriedenstellenden Lösung oder Aussprechen einer empfohlenen Lösung.

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Medien müssen beispielsweise das Wort „Asyltourimus“ nicht kommentarlos übernehmen. Wenn sie, wie die NRZ, einen Kompass haben, müssen und dürfen sie dieses Wort zur Diskussion stellen, es immer wieder hinterfragen. Bei politischen Begriffen wird dieses Prinzip nur in besonderer Weise augenfällig.

Es muss aber generell mehr möglich sein, als beispielsweise die so leicht misszuverstehende „Schmutzzulage“ kommentarlos zu löschen oder stehenzulassen, was im Augenblick zu meinem Bedauern der Fall ist.

Besser wäre es, Position zu beziehen, sie zu erläutern und darüber den Dialog zu suchen. Wenn es nicht die machen, deren Geschäft das Wort ist, wer dann?