Hambacher Forst. . RWE-Mitarbeiter entfernten am Mittwoch unter massivem Polizeischutz Barrikaden aus dem Hambacher Forst. Mehrere Aktivisten wurden festgenommen.

Der vielleicht größte Polizeieinsatz in der Geschichte Nordrhein-Westfalens beginnt zum Sonnenaufgang. Eine Hundertschaft mit Helmen und Schutzschilden setzt sich am Rande des Hambacher Forstes in Bewegung, als gerade die ersten Lichtstrahlen durch die Baumwipfel schimmern. Geschlossen rücken sie in den Wald – der Räumpanzer bleibt auf dem Feld davor stehen, aber es dauert nicht lange, bis von RWE beauftragte Sicherheitsleute und Arbeiter der Polizei folgen.

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Von Holger Dumke, Robin Kunte und Christian Stahl

Sie bringen schweres Gerät mit: Ein Bagger füllt Löcher, räumt Barrikaden weg, die von den Waldbesetzern auf den Wegen gebaut wurden. Es ist der Polizei von Anfang an wichtig zu betonen, dass keine Bäumhäuser geräumt werden. Das hat sie am frühen Morgen auch den Besetzern mit Lautsprechen mitgeteilt, sagt Paul Kemen, Sprecher der zuständigen Aachener Polizei. Es geht heute darum: Alles raus, was nicht in den Wald gehört.

Nicht nur die Barrikaden, sondern jede Menge Gegenstände, die in den Camps der Bewohner auf dem Boden liegen: Müll, Planen, Decken – auch ein Einkaufswagen landet in der Baggerschaufel. Zwischendurch ist die Lage angespannter, als die Polizei vermeintliche Sprengvorrichtungen untersucht. Sie stellen sich später als Attrappen heraus.

Bilder von der Räumungsaktion im Hambacher Forst

Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung.
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung. © Fabian Strauch/ FUNKE Foto Services
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung.
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung. © Fabian Strauch/ FUNKE Foto Services
Die Polizei hat schweres Gerät aufgefahren, ist mit Räumpanzern in dem Gebiet unterwegs.
Die Polizei hat schweres Gerät aufgefahren, ist mit Räumpanzern in dem Gebiet unterwegs. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Sie schützen RWE-Mitarbeiter, die Barrikaden aus dem Wald entfernen.
Sie schützen RWE-Mitarbeiter, die Barrikaden aus dem Wald entfernen. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Sie schützen RWE-Mitarbeiter, die Barrikaden aus dem Wald entfernen.
Sie schützen RWE-Mitarbeiter, die Barrikaden aus dem Wald entfernen. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung.
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung.
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Laut Polizei geht es bei dem Einsatz aber noch nicht um die Räumung der etwa 60 Baumhäuser.
Laut Polizei geht es bei dem Einsatz aber noch nicht um die Räumung der etwa 60 Baumhäuser. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
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Die Stimmung im Wald wirkt an diesem Tag manchmal völlig surreal. Überall ist Polizei, Fahrzeuge mit Hebebühnen stehen an Lichtungen, die RWE-Mitarbeiter mit ihren grellen Westen strahlen durchs Grün, Bagger wühlen über den Boden, sogar ein Betonmischer ist im Einsatz. Von den Bäumen sind immer wieder laute Rufe oder Schreie der Waldbesetzer zu hören. Schätzungsweise 100 bis 150 Menschen leben derzeit in etwa zehn Camps – sie haben sich gut vorbereitet, harren mit Essensvorräten in ihren teilweise über 20 Meter hohen Baumhäusern aus. Am Morgen beobachten viele von ihnen, was unten passiert, fragen bei den Journalisten nach Infos.

Zum ersten verbalen Schlagabtausch zwischen Aktivisten und dem Aufräumkommando kommt es im Baumhauscamp Oaktown, der Eichenstadt. Während am Boden die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes mit ihren blauen Helmen den Müll aufsammeln, singen die Aktivisten oben Schmäh- und Protestlieder. Stundenlang sind die Arbeiter damit beschäftigt, Material aus dem Camp zu holen – Bagger fahren rein und raus.

Hambacher Forst: Räumung startet mit großem Polizeiaufgebot

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    Hoch oben in Oaktown turnt Clumsy, mal auf Seilen, mal auf Hängebrücken. Der 30-Jährige gehört zum Hambach-Inventar, seit der ersten Waldbesetzung im Jahr 2012 lebt er hier. Im Gegensatz zu vielen anderen hat er keine Probleme damit, sein Gesicht zu zeigen – auch vor den Fernsehkameras und Pressefotografen nicht. „Für mich hat die Räumung heute begonnen, obwohl noch gar nicht entschieden ist, dass die Rodung überhaupt rechtmäßig ist.

    Das ist absurd“, sagt Clumsy und spielt damit auf das Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster an, mit dem der BUND die mögliche Rodung des Waldstückes noch verhindern will. Clumsy und andere Aktivisten glauben weiter daran, dass der „Hambi bleibt“. Er gibt sich ausdauernd: „Ich kann zwei Monate oben in den Bäumen wohnen.“

    RWE hält an Rodungen fest

    Ab dem 1. Oktober will RWE weitere 101 Hektar Wald für den Braunkohletagebau roden, der Konzern pocht auf den gültigen Betriebsplan und hat alle Genehmigungen. „Die Rodungen sind notwendig, um den weiteren Betrieb sicherzustellen“, sagt ein RWE-Sprecher. Demnach sollen noch insgesamt 200 Hektar weg, am Ende aber dennoch ein Stück des Waldes übrig bleiben.

    Viele Beobachter hatten befürchtet, dass ein Polizeieinsatz im Wald massive Ausschreitungen mit sich bringen könnte. Das Innenministerium vermutet unter den Waldbesetzern zahlreiche gewaltbereite Aktivisten. Am Mittwoch bleibt das den Beamten erspart. „Im Großen und Ganzen ist es friedlich verlaufen“, sagte Polizeisprecher Paul Kemen.

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    Der Wald am Tagebau Hambach steht für einen über Jahre aufgeladenen Konflikt. Fotos: Lars Heidrich/FUNKE Foto Services

    Hinter den Barrikaden

    Klimaschützer halten ihn besetzt, sie haben Baumhäuser und Barrikaden errichtet.

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    Der Wald grenzt direkt an den riesigen Tagebau Hambach an.

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    Die Aktivisten leben in Baumhäusern die nur mit Seilen und Klettergerät erreichbar sind.

    Verschiedene Camps

    Es gibt verschiedene  Camps innerhalb des Waldes.

    Kampf für den Wald

    Für den Wald kämpfen Umweltaktivisten, sie leben dort in Baumhäusern.

    Sechs Jahre Besetzung

    Sie besetzen den Hambacher Forst seit insgesamt sechs Jahren.

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    Für eine Rodung müssen die Häuser geräumt werden.

     

    Die meisten Aktivisten sind nicht gewalttätig.

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    Die Polizei befürchtet, dass mehr Gewalttäter kommen, wenn die Rodungen beginnen. 

    RWE räumt Barrikaden unter Polizeischutz

    RWE räumt die Barrikaden aus dem Wald. Unter massivem Polizeischutz.

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    Mehrere Personen wurden in Gewahrsam genommen, am frühen Morgen warfen Unbekannte mit Pyrotechnik. Kompliziert wird es für die Einsatzkräfte, als sie besetzte Barrikaden auf einem Weg räumen müssen: Ein Aktivist hat sich in einem Loch im Boden verschanzt, andere oben auf einem Baumgestell. Verletzt wird niemand, Gewalt gibt es nicht. Aber die Polizisten werden mit Urin und Kot bespritzt.

    Der Mittwoch dürfte für die Polizei nur der Auftakt für einen Einsatz-Marathon gewesen sein – die eigentliche Herausforderung ist die Räumung der Baumhäuser. Den Beamten geht es da jedenfalls nicht anders als den Aktivisten: Sie erwarten in den nächsten Wochen noch eine Menge Sonnenaufgänge über dem Hambacher Wald.