Rhein-Erft-Kreis. RWE-Mitarbeiter entfernten am Mittwoch unter massivem Polizeischutz Barrikaden aus dem Hambacher Forst. Mehrere Aktivisten wurden festgenommen.

Im von Klimaaktivisten besetzten Hambacher Forst bei Kerpen im Rheinland sind erste Maßnahmen zur Räumung angelaufen. Seit dem frühen Mittwochmorgen läuft ein großer Einsatz. Die Polizei hate schweres Gerät aufgefahren, war mit Räumpanzern in dem Gebiet unterwegs. Helikopter kreisten. Bei ihrem Einsatz hat die Polizei mehrere verdächtige Gegenstände entdeckt, die Sprengstoff enthalten könnten. Experten untersuchten die Vorrichtungen, die an Holzkonstruktionen befestigt waren. Zwei Gegenstände konnten bisher als Attrappen identifiziert werden, ein weiterer Gegenstand wird noch geprüft. Für den späten Nachmittag haben Aktivisten eine Demo am S-Bahnhof in Kerpen-Buir angekündigt, Motto „Grundrechte verteidigen – Hambacher Forst verteidigen“. Unterstützt wird die Demo u. a. vom NRW-Landesverband der Partei Die Linke.

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Hunderte Polizeibeamte schützten bei dem Einsatz rund 200 Mitarbeiter des Energiekonzerns RWE, die Barrikaden und andere „waldfremde Gegenstände“ entfernten. Das bestätigte die zuständige Polizei Aachen auf NRZ-Nachfrage. Die Männer mit ihren gelben Westen und Helmen räumten in den Camps alles auf, was auf dem Boden lag: Äste, Kartons, Decken - auch ein Banner rissen sie ab. Oben auf den Baumhäusern standen Waldbesetzer , schmettern Schmäh-und Protestsongs in Richtung Polizei. "Wo wart ihr in Chemnitz?", schallte es aus einem Baum.

Am Morgen fand die Polizei bei einer Personenkontrolle Zwillen und Wurfgeschosse. Die beiden Frauen, die sich auf dem Weg in den Wald befanden, wurden in Gewahrsam genommen. Zu Beginn des Einsatzes warfen unbekannte Personen aus dem Wald heraus mit Pyrotechnik - verletzt wurde niemand. Die Personen flohen zurück in den Wald. Außerdem sollen einzelne Aktivisten von Holzkonstruktionen aus Beamte mit Fäkalien beworfen haben. Eine Person wurde mittlerweile gelöst und in Gewahrsam genommen. Weite Teile des Forstes sollen nach dem 1. Oktober für den nahenden Braunkohletagebau gerodet werden, RWE pocht auf den gültigen Betriebsplan. Kritik gab es am Mittwoch von den Grünen in NRW.

Erste Bilder von der Räumungsaktion im Hambacher Forst

Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung.
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung. © Fabian Strauch/ FUNKE Foto Services
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung.
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung. © Fabian Strauch/ FUNKE Foto Services
Die Polizei hat schweres Gerät aufgefahren, ist mit Räumpanzern in dem Gebiet unterwegs.
Die Polizei hat schweres Gerät aufgefahren, ist mit Räumpanzern in dem Gebiet unterwegs. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Sie schützen RWE-Mitarbeiter, die Barrikaden aus dem Wald entfernen.
Sie schützen RWE-Mitarbeiter, die Barrikaden aus dem Wald entfernen. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Sie schützen RWE-Mitarbeiter, die Barrikaden aus dem Wald entfernen.
Sie schützen RWE-Mitarbeiter, die Barrikaden aus dem Wald entfernen. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung.
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung.
Im Hambacher Forst laufen erste Maßnahmen zur Räumung. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
Laut Polizei geht es bei dem Einsatz aber noch nicht um die Räumung der etwa 60 Baumhäuser.
Laut Polizei geht es bei dem Einsatz aber noch nicht um die Räumung der etwa 60 Baumhäuser. © Fabian Strauch/FUNKE Foto Services
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„Der heutige massive Polizeieinsatz am Hambacher Wald deutet darauf hin, dass die Landesregierung sich offenbar entschieden hat: Statt auf einen Konsens zu setzen, geht es Armin Laschet darum, mit Polizeiunterstützung einseitig die Interessen eines Konzerns durchzusetzen. Wir appellieren an alle Beteiligten, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Noch ist es nicht zu spät, wir brauchen jetzt ein Abholz-Moratorium“, sagte Landesvorsitzende Mona Neubaur der NRZ.

"Wir fordern alle Seiten auf, alle Maßnahmen zu unterlassen, die zu einer Eskalation beitragen könnten. Sollte mit dem heutigen Einsatz beabsichtigt sein, damit bereits rodungsvorbereitende Schritte zu machen, wäre dies angesichts unseres beim OVG anhängigen Verfahrens ein Unding. Wir gehen davon aus, dass RWE im Ergebnis unserer Klage in diesem Winter gar nicht roden darf", äußerte sich BUND Landeschef Dirk Jansen am Mittwoch.

Klimaaktivisten haben die Räumungsaktion im Hambacher Forst verurteilt. "Es darf nicht gerodet werden, und deshalb darf es auch diese Räumung nicht geben", sagte Jan Pütz von der "Aktion Unterholz". Pütz warf der nordrhein-westfälischen Landesregierung eine "Diffamierungskampagne" gegen die Waldbesetzer vor. Wenn NRW-Innenminister Herbert Reul sage, es drohe ein "zweites Hamburg" wie beim G20-Gipfel, dann sei das eine "Fantasie". Reul betreibe eine "gezielte Irreführung der Öffentlichkeit" und schrecke dabei vor nichts zurück.

RWE: Rodungen sind notwendig

"Wir gehen davon aus, das die Rodungen nach dem 1. Oktober plangemäß starten können", sagte ein RWE-Sprecher auf NRZ-Nachfrage. Er bestätigte: Geschützt von Polizei seien heute über 200 Mitarbeiter im Forst, um "waldfremdes Material" zu beseitigen und Wege wiederherzustellen. Bei dem Material handele es vielfach um Sperrmüll, der entweder schon zum Barrikadenbau eingesetzt wurde - oder dafür eingesetzt werden könne.

Der Sprecher des Energiekonzerns wies Aussagen von Umweltschützern des BUND zurück, wonach Kohlebagger noch weit genug vom Wald entfernt stehen und RWE auch in diesem Winter ohne Rodungen auskommen könne (die NRZ berichtete): "Die Rodungen sind notwendig, um den weiteren Betrieb sicherzustellen. Wir roden nicht auf Vorrat, sondern für den kurzfristigen Bedarf."

Hambacher Forst: Räumung startet mit großem Polizeiaufgebot

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    Der Sprecher erklärte, dass nach der Rodungspause im vergangenen Herbst und Winter jetzt insgesamt 101 Hektar Wald gerodet werden sollen. Das ist ziemlich genau die Hälfte von insgesasmt 200 Hektar Forst die Tagebau noch weichen sollen. Alles in allem stünden noch etwa 700 Hektar Restwald, 500 sollen den Angaben zufolge auch stehen bleiben.

    Die Polizei hat sich auf einen gefährlichen Einsatz eingerichtet, der über Wochen viel Personal binden könnte. Im Forst werden zwischen 60 und 100 Besetzer vor allem aus dem linksextremistischen Spektrum vermutet, ihre Zahl soll sich in den letzten Wochen mehr als vervierfacht haben. Ein großer Teil gilt als gewaltbereit. Die Aachener Polizei hat Unterstützung aus dem ganzen Bundesgebiet angefordert.

    Den Angaben zufolge ging es bei dem Einsatz am Mittwoch ausdrücklich noch nicht um die Räumung der etwa 60 Baumhäuser. Diese gilt als extrem heikel, einige der Häuser befinden sich in bis zu 25 Metern Höhe. Nach NRZ-Informationen ist die Räumung Sache des Grundstückseigentümers RWE, der dazu Gerichtstitel erwirken müsste, oder Sache der Bauaufsichten der umliegenden Kommunen, die Polizei würde die spätere Räumung dann begleiten.

    Worum geht es im Konflikt um den Hambacher Forst?

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      Die Lage im Hambacher Forst hatte sich zuletzt noch einmal verschärft. Vermummte Angreifer warfen Steine auf RWE-Mitarbeiter und Polizisten oder beschossen diese und ihre Fahrzeuge mit Zwillen. Sieben Polizisten wurden dabei verletzt, darunter ein Beamnter schwer. Noch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (5. September) hatte ein Vermummter einen Molotowcocktail in Richtung der Beamten geworfen. Dies berichtet die Aachener Polizei auf NRZ-Nachfrage.

      „Die Gewalteskalation der letzten Tage hat uns unter besondere Handlungszwänge gesetzt“, sagte Aachenes Polizeipräsident Dirk Weinspach. Er betonte, dass sich der Einsatz an Rechtsstaatlichkeit und Transparenz orientiere. Die Polizei werde die Rechtsgüter von RWE schützen, zugleich aber auch das Recht von Bürgern auf Demonstrationsfreiheit.

      So leben die Umweltaktivisten im Hambacher Forst

      Jahrelanger Konflikt

      Der Wald am Tagebau Hambach steht für einen über Jahre aufgeladenen Konflikt. Fotos: Lars Heidrich/FUNKE Foto Services

      Hinter den Barrikaden

      Klimaschützer halten ihn besetzt, sie haben Baumhäuser und Barrikaden errichtet.

      Rodung ab Oktober

      Der Energiekonzern RWE will im Herbst den Wald im Westen von NRW so weit roden, dass nicht mehr viel von ihm übrig bleibt.

      Symbol für Widerstand

      Der Wald ist zu einem Symbol geworden für den Widerstand gegen die Braunkohle.

      Grenzt an den Tagebau

      Der Wald grenzt direkt an den riesigen Tagebau Hambach an.

      Aktivisten leben in Baumhäusern

      Die Aktivisten leben in Baumhäusern die nur mit Seilen und Klettergerät erreichbar sind.

      Verschiedene Camps

      Es gibt verschiedene  Camps innerhalb des Waldes.

      Kampf für den Wald

      Für den Wald kämpfen Umweltaktivisten, sie leben dort in Baumhäusern.

      Sechs Jahre Besetzung

      Sie besetzen den Hambacher Forst seit insgesamt sechs Jahren.

      Räumung der Häuser

      Für eine Rodung müssen die Häuser geräumt werden.

       

      Die meisten Aktivisten sind nicht gewalttätig.

      Mehr Gewalttäter wenn die Rodungen beginnen?

      Die Polizei befürchtet, dass mehr Gewalttäter kommen, wenn die Rodungen beginnen. 

      RWE räumt Barrikaden unter Polizeischutz

      RWE räumt die Barrikaden aus dem Wald. Unter massivem Polizeischutz.

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      Dem Vernehmen nach könnten friedliche Demos und Mahnwachen auch in dem Areal weiter möglich sein, dass die Polizei angesichts der verschärften Lage zum „gefährlichen Bereich“ erklärt hatte. Wie es heißt, soll das im Einzelfall geprüft werden.

      Am Kieswerk Collas läuft bereits seit einigen Tagen eine Mahnwache. Am Freitag soll es ab zehn Uhr in der Aachener Innenstadt eine Demo im Rahmen des globalen Aktionstages „Rise for climate“ geben.

      Wir aktualisieren diesen Text fortlaufend