Warum in unserer Berichterstattung manche Personen unkenntlich gemacht werden und andere nicht. Am Ende bleibt es eine Ermessensentscheidung.

Der zeitliche Zufall führt mitunter Personen und Ereignisse zusammen, die gar nichts miteinander zu tun haben. Am 16. August berichtete die NRZ auf der NRW-Seite in größerem Umfang über zwei Vorgänge: die Abschiebung eines Tunesiers und den Untreue-Verdacht gegen die ehemalige Geschäftsführerin einer städtischen Duisburger Firma. Im zweiten Fall wird die Beschuldigte mit vollem Namen genannt und im Bild gezeigt. Im ersten Fall wird der Betroffene mit Sami A. abgekürzt und sein Foto verpixelt.

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Ein Leser aus Dinslaken hat dabei „ein starkes Störgefühl“. Für ihn ist es nicht nachzuvollziehen, warum die Geschäftsführerin an den Pranger gestellt wird, noch bevor feststeht, ob sie tatsächlich unrechtmäßig viel Gehalt bezogen hat. Der Tunesier dagegen, den die Sicherheitsbehörden einen Gefährder nennen, werde davor geschützt, jener Allgemeinheit bekannt zu werden, die er doch gefährden will.

Es bleibt eine individuelle Abwägung

Tatsächlich schützt der Pressekodex – und damit auch der NRZ-Kompass – grundsätzlich die Privatsphäre von Menschen. Niemand muss gegen seinen Willen, das verbrieft auch das Grundgesetz, Teil der Öffentlichkeit werden. Es sei denn, das allgemeine Informationsinteresse überwiegt das Persönlichkeitsrecht. Aber wann ist das der Fall? Eine Redaktion kann für diese Einschätzung auf zahllose Gerichtsurteile und Beispiele zurückgreifen. Und doch bleibt es eine Ermessensentscheidung, eine individuelle Abwägung.

Was bedeutet eigentlich "Ombudsmann"?

Unparteiische Schiedsperson

Ein  Ombudsmann (bei weiblicher Besetzung Ombudsfrau) erfüllt die Aufgabe einer unparteiischen Schiedsperson. 

Ungerechtigkeit verhindern

Ein Ombud (altnordisch: umboð „Vollmacht“) ist die Aufgabe einer Person, in einer Organisation oder in der Öffentlichkeit bei bestimmten Themen eine ungerechte Behandlung von Personengruppen zu verhindern. 

Im Interesse der Leser

So gesehen bedeutet ein solches Amt eine unparteiische Vorgehensweise bei Streitfragen – unter Berücksichtigung der Interessen von Personen, deren Belange als Gruppe infolge eines fehlenden Sprachrohrs ansonsten wenig beachtet würden (zum Beispiel von Krankenhauspatienten, Gewaltopfern).

Lösungen erarbeiten

In seiner Funktion ermöglicht der Ombudsmann, Streitfälle ohne großen bürokratischen Aufwand zu schlichten: durch unabhängige Betrachtung des Streitfalles, Abwägung der von beiden Seiten vorgebrachten Argumente, Erreichen einer zufriedenstellenden Lösung oder Aussprechen einer empfohlenen Lösung.

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Im Duisburger Fall gibt es nur eine städtische Werkstatt für Menschen mit Behinderung und nur eine Geschäftsführerin. Jeder Vorwurf und jeder Bericht wäre damit erkennend, selbst wenn Namensnennung und Foto unterblieben. Das öffentliche Interesse überwiegt hier aber schon deshalb, weil es das umstrittene Gehalt tatsächlich gegeben hat, weil es dabei um „öffentliches“ Geld in erheblichem Umfang geht und damit auch darum, wer was warum getan hat. In dem Fall hat erkennende Berichterstattung eine Kontrollfunktion, völlig unabhängig vom Strafrecht!

Ein Schutz vor Willkür

Aber Sami A.? Müsste der Tunesier es nicht eigentlich hinnehmen, dass er gezeigt und genannt wird, wo doch von ihm „eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ ausgeht? Das jedenfalls ist die Grundlage in §58 Ausländergesetz, die Abschiebungen ermöglicht. Aber Vorsicht, wer in diesem Sinne ein Gefährder ist, legen Polizei- und Sicherheitsbehörden fest, und sie erstatten darüber keineswegs nachprüfbar Bericht. Bei Sami A. sind alle strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt worden, gleichwohl soll er Kontakte zu anderen Gefährdern haben. Reicht das für eine Abschiebung? Das mag man bejahen, sozusagen im Zweifel für die Abschiebung.

Aber die Presse tut gut daran, im Zweifel Zurückhaltung zu üben. Möglicherweise gefährlich zu sein, schließt die Möglichkeit des Irrtums mit ein. Das „A.“ ist kein Schutz für Gefährder, es ist ein Schutz vor Willkür. Für uns alle.