In den vergangenen Wochen hat Facebook immer wieder massiv in Tageszeitungen geworben, auch in der NRZ. Manche Leser sehen das kritisch.

In der vorigen Woche war es eine ganze Seite, gestern eine große Eckanzeige: Facebook schaltet zurzeit Werbung in allen Tageszeitungen, auch in der NRZ. Gleichzeitig laufen im Fernsehen Spots. Mit der Kampagne reagiert Facebook auf die Kritik an seinem Umgang mit Datenschutz und erfundenen Nachrichten. Man habe verstanden und werde sich ändern, das ist die Botschaft. Die nicht jeder lesen will.

Leser S. beschwert sich über die „unangebrachte Werbung“. Er hält es für „ethisch äußerst verwerflich“, sich vor den Karren der Firma spannen zu lassen und sieht dadurch die Unabhängigkeit der Zeitung in Zweifel gezogen. Tatsächlich ist Unabhängigkeit die Mutter aller journalistischen Werte. Ihre Kinder heißen Glaubwürdigkeit und Meinungsfreiheit. Unabhängigkeit bedeutet, wie es im NRZ-Kompass steht, an keine Parteiauffassung gebunden und frei von äußeren Einflüssen zu sein; dazu zählt auch der Einfluss von Werbetreibenden.

Auch interessant

Deshalb gibt es die strikte Trennung von Anzeigen und Redaktion. Das funktioniert aber nur, wenn die Trennlinie beachtet wird. Anzeigenkunden wird kein Zugriff auf die Redaktion eingeräumt und die Redaktion schert sich nicht um Anzeigeninhalte. Ob Werbung angebracht ist, hat die Zeitung nicht zu entscheiden.

Hält der Konzern, was er verspricht?

Ob sie wirkt, auch nicht. Immer wieder nutzen Konzerne ganzseitige Anzeigen, weil sie angeblich irgendetwas verstanden haben; Autohersteller oder Ölfirmen beispielsweise. Vor fast 20 Jahren lieferten sich Mannesmann und Vodafone eine wochenlange Anzeigenschlacht im Großformat, was für die Zeitungsverlage fraglos einen warmen Geldregen mit sich brachte. Aber das hat Journalisten noch nie davon abgehalten, den Werbeaussagen auf den Grund zu gehen.

Das wird bei Facebook nicht anders sein. Hält der Konzern, was er verspricht? Diese Frage ist die entscheidende, und sie wird nicht in Anzeigen beantwortet. Leser S. erhielte nur recht, wenn die kritische Berichterstattung über Facebook ausbliebe. Davon aber ist, das lehren die Erfahrungen, nicht auszugehen. Und daran ändert auch der Umstand nichts, dass Zeitungen Facebook als Kanal nutzen, um Inhalte zur Verfügung zu stellen und Dialog zu ermöglichen.

Im Übrigen sollte bereits der Umstand, dass Facebook für seine kostspielige Kampagne Tageszeitungen und Fernsehen nutzt, daran erinnern, was man sich nur verdienen, aber nicht kaufen kann: Glaubwürdigkeit. Es hat ja einen handfesten Grund, dass Facebook massiv in klassischen Medien wirbt und nicht allein bei seinen 29 Millionen deutschen Nutzern. Wie die jüngste Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse erneut festgestellt hat, halten nur 7 Prozent der Bevölkerung Informationen in sozialen Medien für glaubwürdig. Bei Fernsehen und Tageszeitungen ist der Wert um das Zehnfache höher. Schon die Existenz einer Anzeige kann also eine Botschaft sein.